Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1901 Nr. 20

Spalte:

556-557

Autor/Hrsg.:

Asmus, Rudolf

Titel/Untertitel:

G. M. De La Roche 1901

Rezensent:

Eck, Samuel

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

555

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 20.

556

Koftnitz' (5. Cap. 2. Abfchnitt). Er befpricht darin zuerft Praecepta Wittcnbergensi praedicata populo von 1518:
die zu Luther's Zeit erfchienenen, bezw. vorliegenden Aus- Ecclesia pessimc habet, quia tota eius vis consistit in suc-
gaben von Hufs' Schriften und erörtert die Frage, ob und cessoribus, qui in prima actate negliguntur, sicut hortns
wann fie Luther wohl in die Hände gekommen fein mögen; ' in verno tempore; und befonders: si . . unquam ecclesia
dann weift er auf die ,Befchreibung des grofsen gemeinen debet reflorere, nccesse est, ut apuerorum institutione exor-
Conciliums zu Konftanz gehalten' von 1541 hin und fpricht ! dium fiat (Weim. Ausg. I 450, uff. 494, 10 f. vgl. Charles
die Vermuthung aus, dafs Luther fie vielleicht auch ge- Schmidt, Essai sur Jean Gerson. Strafsb. 1839 S. 89
kannt habe. Im dritten Theile (10. Cap. I. Abfchn.) (teilt Anm. I: a pueris incipienda ecclesiae reformatio).
er endlich noch einige Aeufserungen Luther's über das Wir werden noch häufiger Gelegenheit haben, auf

Konftanzer Concil einfach nebeneinander. Köhler dagegen Köhler's Arbeit zurückzukommen; deshalb mag für
erörtert in dem über 70 Seiten umfaffenden Abfchnitte heute diefe mehr allgemeine Charakteriftik genügen. So
,Das Konftanzer Concil und Joh. Hufs', wie Luther über 1 viel wird aus ihr klar geworden fein, dafs wir es mit
beide fich fein Urtheil gebildet, wie die Befchäftigung mit einer für die Lutherforfchung hochbedeutfamen Publi-
ihnen namentlich auf Luther's Kirchenbegriff beftimmend cation zu thun haben, und dafs, wenn Köhler fein Buch
eingewirkt hat, wie diefer aber doch von Hufs' Auffaffung vollendet hat, Schäfer's Arbeit antiquirt fein wird,
fich bedeutfam unterfcheidet u. dgl. Möge der Herr Verfaffer in feinem neuen Berufs-

In ähnlicher Weife befpricht Köhler in der vor- 1 kreife Zeit und Kraft finden, uns bald mit der Fortliegenden
erften Abtheilung des erften Theiles noch fol- fetzung feines trefflichen Werkes zu erfreuen.

Efchershaufen i. Brfchw. Ferdinand Cohrs.

gende Stücke: neben dem Konftanzer Concil auch das
fünfte Lateranconcil, das Bafeler und das Concil von
Nicaea; vorher fchon die lnstructio summaria und die

fogenannte Anweifung Tetzel's (d. h. die zuerft bei ftsmus, Rudolf, G. M. De La Roche. Ein Beitrag zur Geld
, v. d Hardt Eist, literaria Reformationis. Francof. fchichte der Aufklärung. Karlsruhe, J. Lang, 1899.
1717. IV 14—10 und darnach oft wieder abgedruckten IWn f. q q ivr
Fragmente, die eine Empfehlung des Ablaffes enthalten), kX-Vi, 102 b' ÖJ al 2'5°

fodann einige päpftliche Bullen: aus Luther's Zeit ftam- Dies Buch bietet in der Lebensbefchreibung des

inende bezw. ihn felbft betreffende (die Ablafsbullen Gatten von Sophie La Roche eine Fülle des kirchen-
Leo'sX. und die Bannbulle) und die ältere De coena Domini; • gefchichtlich Intereffanten. Ein dauerndes Gedächtnifs
darauf das apoftolifcheGlaubensbekenntnifs und das foge- 1 hat fich La Roche durch die auch von Goethe (Wahrh.
nannteSymbolumAthanasianicm; zumSchlufsedieMyftiker: I u. Dicht. 13. B.) angeführten .Briefe über das Mönchs-
Tauler, Dionyfius Areopagita, Hugo von St. Victor, Bern- wefen von einem kath. Pfarrer an feinen Freund' (1771)
hard von Clairvaux, Bonaventura und Gerfon; eine Zu- gefichert. Wer dies Bändchen heute durchlieft, wird
fammenfaffung ,Luthers gefchichtliche Auffaffung der dem Verf. zuftimmen, wenn er fie gegen keinen Vor-
Myftik' zieht aus diefen letzten Abfchnitten das Refultat. wurf beffer als gegen den der Langeweile gefichert fieht.
Die zweite Abtheilung des erften Theiles wird die Einzel- Es ift aber ebenfo begreiflich, dafs diefer wie jeder
unterfuchungen zu Ende führen und namentlich über die 1 andere mögliche von ultramontaner Seite reichlich gegen
Einwirkung des geiftlichen Rechtes auf Luther's Gefchichts- die ebenfo gelehrte wie geiftvolle Streitfchrift erhoben
auffaffung berichten. worden ift. Der Verf. ftellt fie zeitlich und fachlich mit

Der zweite darfteilende Theil foll feiner Zeit das Recht mit Nikolaus von Hontheim's bekannterem, wenig
Gefammt-Gefchichtsbild Luther's darbieten, ,wie es durch j älterem Werke zufammen. Aber die Briefe find natur-
Zufammenfetzung der Refultate des erften Teils fich gemäfs zu einer Einwirkung in viel weitere Kreife be-
ergiebt'. Dafs dabei die Gefahr vorliegt, zu wiederholen, S nimmt. Ihre äufsere Form läfst, wie der Verf. im Einhat
der Herr Verfaffer felbft ausgefprochen; dennoch j zelnen nachzuweifen fucht, Wieland's Einflufs überall
wird fie bei gefchickter Behandlung und gewandter j durchblicken. Doch ift mir nicht deutlich geworden, ob
Gruppirung, in denen Köhler in den vorliegenden Partien j man bei den mannigfachen Berührungspunkten zwifchen
Treffliches leidet, fich vermeiden laffen; aufserdem werden den Briefen und gleichzeitigen Werken Wieland's an eine
.manche Punkte, die im erften Teil ihren Platz entweder j eigentliche Mitarbeit des letzteren denken darf. Bei der
gar nicht, oder nur andeutungsweife finden können — ' genauen Kenntnifs der Werke des Dichters, über die
z. B. die Gefchichtsauffaffung vom Urchriftenthume, die La Roche verfügte, und dem perfönlichen und brief-
Gefchichte des Papftthumes, des Mönchthumes, die Selbft- ; liehen Verkehre zwifchen beiden Männern laffen fich jene
beurtheilung Luther's, feine Methodik u. a. —' dort er- j Berührungspunkte auch aus der allgemeinen Kenntnifs
gänzungsweife zur Sprache kommen. Wieland's herleiten; das um fo mehr, als, wie mir fcheint,

Die Bemerkung auf S. 77, das apoftolifche Glaubens- j mehrfach die ganze phantaftifche Bilderwelt des Dichters
bekenntnifs fei auf der Kanzel kaum erwähnt worden (die in den Briefen in nüchternere Anfchauungsmittel umge-
hauptfächlich auf Mathefius' bekannte Aeufserung in feinen fetzt ift. Jedenfalls ift der fachliche Inhalt La Roche's
Predigten über Luther's Leben fich ftützt: Ausg. von G. ! Eigenthum. Die kirchenrechtlichen Theorien des Febronius
Loefche, Prag 1898 S. 129,13fr.), behauptet doch viel- | verbinden fich in den Briefen mit den allgemeineren, zuleicht
etwas zu viel; es find doch einige Predigten über j mal pädagogifchen und volkswirthfchaftlichen Gedanken
das Symbol erhalten (vgl. z. B. Vinc. Hafak, Der j der Aufklärung. Letztlich wurzeln diefe bei La Roche
chriftl. Glaube des deutfehen Volkes. Regensburg 1868 j in den von feinem [natürlichen Vater und] Erzieher,
S. 85 ff.), wenn freilich auch meiftens die zehn Gebote : dem Grafen Stadion, ihm vermittelten Impulfen Vol-
und die Todfünden, daneben das Vaterunfer in den I taire's. Für die Macht diefer Einwirkungen ift es fehr
Katechismuspredigten des ausgehenden Mittelalters aus- j bezeichnend, dafs die lebhaften perfönlichen Beziehungen,
gelegt worden find. — Der auf S.93 zweimal fich findende ' die La Roche im fpäteren Leben zu vielen Grofsen unferer
Ausdruck ,Kurze Formel' (ftatt ,Kurze Form') ift wohl j claffifchen Literaturepoche gepflogen hat, doch nicht im
ein Verfehen f — Als Ueberfchrift des XI. Abfchnitts • Stande gewefen find, feine Weltanfchauung und Gemüths-
wäre vielleicht ,Tauler und die Deutfche Theologie' j bildung innerlich zu beeinflufsen. Congenial ift ihm
richtiger gewefen; wenn auch ,die Frage nach der Autor- j fchliefslich doch nur der der franzöfifchen Bildung am
fchaft der letzteren für Luther eine unwichtige Formfache' j nächften flehende Wieland geblieben, wie fehr auch die
war (S. 257), für uns ift heute der Verfaffer der Deut- ; ruhigere Charakterkraft La Roche's dämpfend und klärend
fchen Theologie doch ein Myftiker neben Tauler. — Eine I auf das leichte Dichterblut eingewirkt hat. Ueberfieht
Frucht der Lectürc Gerfon'fcher Schriften find vielleicht 1 man diefe Verhältnifse, die der Verf. zu trefflicher An-
auch Luther's bedeutfame Aeufserungen in den Decetn fchauung bringt, fo möchte man doch vermuthen, dals