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Ausgabe:

1901

Spalte:

554-556

Autor/Hrsg.:

Köhler, W.

Titel/Untertitel:

Luther und die Kirchengeschichte 1901

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 190 r. Nr. 20.

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Noch ein paar Belege für die übrigen Vorwürfe. Köhler, Lic. Dr. W., Lutherund die Kirchengeschichte nach
S. 356 hören wir, L Kor. 157 werde Jakobus (mg>{r7) 1 feinen Schriften, zunächft bis 1521. I. (unterfuchender)
'laxcaßq) e'tza zolg cutoOzöXoig Jiäöi) nicht zu den Apofteln TejI T Abteilung: Die Ablafsinftruktion, die Bullen,
gezählt, fondern gerade von ihnen, unterfchieden. fr™** ! Symbole, Concilien und die Myftiker. Erlangen, F.
Jeder urtheilen. wenn naaiv fehlte'. Aber Vers 5 heifst es * ' ' 6 » •

doch: wp&r) Kwä, elza zolg ömöexa. Wird dadurch — J""ge, 1900. (V, 370 S. gr. 8.) M. 4.50

näoiv fehlt ja — Kephas von den Zwölfen gerade unter- | Das von Köhler behandelte Thema ift der kirchen-
fchieden? S. 240 u. 242 belehrt uns Z. anläfslich von Euf. i hiftorifchen Forfchung zuerft von Adolf Harnack geftellt
k. e. III 19, mit der Anführungsformel xaza Xe^iv möe , worden. Nachdem er fchon in Giefsen die Frage nach
stmg wolle fich Eufeb durch die fich gegenfeitig eigent- [ Luther's hiftorifchen Kenntnifsen als Preisaufgabe gegeben
lieh aufhebenden Adverbien ,wörtlich und etwa fo' eine hatte, hat er in feinem Lehrbuche der Dogmengefchichte
gewiffe Freiheit der Anfuhrung wahren. Er habe hier aus (p s. 24 Anm. 1) nachdrücklich auf die Aufgabe hinge-
einem fonft genauen Hegefipp-Citate die Namen der Enkel vviefen, Luther's Gefchichtsbeurtheilung einer Prüfung zu
des Judas, Zoker und Jakobus, ausfallen laffen. Um von unterziehen.

Eufeb's anderen Werken zu fchweigen, bitte ich Z blofs Wenn es auch nicht direct auf Harnack's Auffor-
etwa Euf. h. e, V 19 3. 28 7 II 10 2. 20>i nachzuleben: tollten derung Bezug nahm, fo war doch zweifellos (vgl. dort
die mit codi sreog citirten Worte AvQi]/.iog Kvgijviog uunzvg s 3 Anm_ ^ fchon Schäfer's Buch .Luther als Kirchen-
£QQÖ)6d-(u vuäg tvxouai eine freie Anfuhrung( darfteilen, hiftoriker' (Gütersloh 1897) durch fie angeregt worden.
Die reine Willkür behauptet S. 250, der 1 itel vjio[ivrjUaza , Es nat fejnerzejt eine durchweg wohlwollende Beur-
für Hegefipp's 5 Bücher befage, .Memoiren wie he der theiiung erfahren, freilich meiftens mit der Nebenbe-
Greis im Rückblick auf fein ihm abgefchloffen erfcnei- merkungi dafs Schäfer die beregte Frage abfchliefsend
nendes Leben zu fchreiben pflegt'. Warum uberfetzt nocn nicht behandelt habe.

dann Z S 44 &' ixo/t^aarcop ,in Sc'irift%n'?pV^,e, ^n'| I In Wahrheit ift Schäfer's Buch, fo dankenswerth es
es dafs S. 100 Z. es fehr glaublich nennt, Pgy^J» j als erfter Verfuch war, denn auch mehr eine im Ganzen
mit 30-35 Jahren von Johannes zum B.fchofe erhoben , ZufarnrnenftellungnothwendigtnMateriales,

worden, S. 28 n aber pathetifch ausruft: Em 27- oder h wirkliche Bearbeitung des Themas. Das wird

37.jähriger Nachfolger des erft recht klar durch das nun uns in feiner erften Abwäre
eine Ungeheuer ichkeit'r S. 63 n. tadelt er es a s vorliegende Köhler'fche Buch.

Mufter einer böswilligen Exegefe, wenn Harnack die , f s

actus senior bei Iren. II 22 5 als Greifenalter auffaßt; ift j Kohler fe bft macht auf die drei hauptfachhehften
ein anderer Sinn überhaupt möglich, da Iren. Ichreibt: Punkte aufmerksam, an denen er die Frage über Schäfer
a nuaJracrcsimo et quinquagesimo anno declinat jam in hinaus weiterführt Einmal unterfucht er wie Luther's
aetatem seniorem, und ift es etwa nicht böswillig, fich ! gefchichthche Urtheile entftanden find und zeigt, dafs
zu ftellen als ob der Andere das 40. Lebensjahr ftatt he durchweg beeinflufst waren von feiner rehgiöfen Erder
dann bald herannahenden Lebensperiode als ein ! fahrung, dafs uberall diefe das Primäre, die Gefchichts-
Stück Greifenalter betrachte? auffaffung das Secundäre gewefen find. Damit zufammen-

Ein befonders wunder Punkt bei Z. im Kampfe mit i hängend weift er zweitens die Entwickelung in Luther's
Harnack, wo ich durchaus nicht in Allem die Partei Har- 1 hiftorifchem Urtheile auf und nimmt drittens nicht das
nack's nehme, ift die Chronologie des Irenaus. Die jrQojzrj i ganze gewaltige Gebiet auf einmal in Angriff, fondern
nltxla, in der Iren, fich mit Polykarp berührt hat, (oll befchränkt fich zunächft auf die Sturm- und Drang-
S. 37 ,das Alter des jungen Mannes, der ins öffent- periode in Luther's Leben, auf die Zeit bis 1522. Denn
liehe Leben eintritt' bedeuten, und weil Iren, anderswo 1 nur bei allmählichem Fortfehreiten laffen geficherte Er-
jialg <öv den Pol. gefehen haben will, genügt das Beides i gebnifse in der von Köhler beabfichtigten Weife fich
für Z., um zu beweifen, dafs Iren, als 12—1 5jähriger und gewinnen,
auch noch als 18—30jähriger Menfch den Unterricht
Polykarp's genoffen hat. Ich bitte Clem. Horn. I 3 und
IV 18, vollends Orig. hont, in Jcrem. I 13 (Ii» zf] zov Jiai-
öiov Tjlixlct V 15 u. XIX (XVIII), 15 (jtQoxöipav zjj fjXixia
xai öiaßeßrjx'og zi]V scaiöixr/v tjXixiav) zur Controle diefer

Definition, mit der fich die nicht minder zuverfichtliche des hiftorifche Quellen auf und fchliefst mit einem Ueber-
ua&nztvsiv S. 72. 96 meffen kann, nachzufchlagen. Und j blicke über Luther's kirchengefchichtliche Kenntnifse.
wenn es nicht tendenziöfe Exegefe ift, die aus Irenäus' J Diefe Schäfer'fchen drei Abfchnitte zieht Köhler gewiffer-
Worten bei Euf. V _20 5 _ol yag ex jtaiömv fiad-rjOeig mafsen in feinem erften Theile zu einem zufammen: er
Gt-»;av|oi-Oß( zij ip' Xll tvovvzai avzy folgert, weil Er- beginnt mit einem unterfuchendenTheile,der aber nicht nur
innerungen mit den Jahren nicht zu wachfen, fondern Luther's kirchenhiftorifchen Studiengang und als Quellen
abzunehmen pflegten ,^ könne das Wachsthum jener | nicht nur — wie Schäfer — die von Luther etwa benutzten
Gefchichtswerke zum Gegenftande hat, der vielmehr
Luther's ganze Entwickelung in fein Bereich zieht
und der alles behandelt, was Luther entweder kirchen-
hiftorifche Erkenntnifse dargeboten hat oder für ihn ein
Anlafs zur Gewinnung folcher Erkenntnifse geworden ift.
Bei der Anordnung des Stoffes tritt zunächft infofern
eine gewiffe Ungleichmäfsigkeit hervor, als theils Titel
beftimmter Schriften, Verfaffernamen u. dgl., theils gefchichthche
Ereignifse die Ueberfchriften der einzelnen
Abfchnitte bilden (f. unten); da es indeffen Köhler
immer auf die Beurtheilung des behandelten Stoffes
durch Luther ankommt, fo ift jene Ungleichmäfsigkeit
nur eine fcheinbare.

An einer Stelle zeigen fich die ganz verfchiedenen
Ziele Schäfer's und Köhler's vielleicht am deutlichften.
Auch bei Schäfer findet fich fchon unter den Quellen lim
zweiten Theile) der Abfchnitt ,Hus und das Konzil zu

So zeigt denn auch gleich ein Blick auf die beiden
Inhaltsverzeichnifse die wefentliche Verfchiedenheit des
Schäfer'fchen und Köhler'fchen Buches. Erfteres bringt
zu Anfang eine Ueberficht über Luther's .Studiengang
auf kirchenhiftorifchem Gebiete', zählt dann Luther's

ua&ijoeig nur darin beftanden haben, dafs immer neue
Belehrungen zu den erften hinzukamen — als ob das
eine Eigentümlichkeit der ix stcüdmv uafrr/öeig wäre! —
fo giebt es keinen Unterfchied mehr zwifchen Aus- und
Einlegen. Aber Z.'s Genialität befteht darin, auch in
gleichgültigen Dingen wie bei Quadratus an einem Spinnenfaden
centnerfchwere Gewichte aufzuhängen, und die
Heftigkeit, mit der er fich jeden Einfpruch verbittet,
wird auch in diefem Falle den Erfolg haben, Lefern, die
keine eigene Meinung haben, das Gewünfchte als be-
wiefen vorzufpiegeln. Der Episcopalismus ift gerettet
und noch einiges mehr!

Marburg i. H. Ad. Jülicher.