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Ausgabe:

1901

Spalte:

537-542

Autor/Hrsg.:

Sellin, Ernst

Titel/Untertitel:

Studien zur Entstehungsgeschichte der jüdischen Gemeinde nach dem babylonischen Exil 1901

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnackj Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Göttingen.

Erfcheint „, Pre!s

alle 14 Tage. Leipzig. J. C. HinrichsTche Buchhandlung. jährlich 18 Mark.

N°- 20.

28. September 1901.

26. Jahrgang.

Sellin, Studien zur Entftehungsgefchichte der
jüdifchen Gemeinde nach dem babylonifchen
Exil, 2 Bde. Zweiter Artikel (Bertholet).

Marti, Das Buch Daniel (Meinhold).

The book of Daniel, with introduction and
notes by Driver (Meinhold).

Schweizer, Unterfuchungen über die Rede
eines hebräifchen Textes vom erden Makka-
bäerbuch (Gottfr. Schmidt).

Gregory, Textkritik des Neuen Tedamentes
1. Bd. (Bousset).

Zahn, Forfchungen zur Gefchichte des neu-

tedamentlichen Kanons und der altkirchlichen

Literatur, VI. Teil (Jülicher).
Köhler, Luther und die Kirchengefchichte,

1. Teil, I. Abth. (Cohrs).
Asmus, G. M. de la Roche, ein Beitrag zur

Gefchichte der Aufklärung (Eck).

Sellin Prof. D. Ernft, Studien zur Entstehungsgeschichte Vorfchlag hat etwas Beftechendes; thatfächlich würden

1 auf diefe Weife eine Anzahl Schwierigkeiten mit einem
Schlage gehoben werden. Aber andere würden dafür
neu gefchaffen; denn es läfst fich nicht wegdifputiren,
dafs 48—23 vom Mauerbau und nicht vom Tempelbau
die Rede ift, und nur zu diefem brachten die Juden (vorausgefetzt
, dafs Esr. 63 fr. acht fei, woran ich nicht zweifle),
eine königliche Conceflion mit, ohne welche fie j'enen

der jüdischen Gemeinde nach dem babylonischen Exil

2 Bände. Leipzig, A. Deichert, 1901. (gr. 8.) M. 10.—

L Der Knecht Gottes bei Deuterojesaja. (IV, 302 S.) M. 6.50.
— II. Die Restauration der jüdifchen Gemeinde in den Jahren
538—516. — Das Schickfal Serubbabels. (IV, 199 S.) M. 4.50.
Zweiter Artikel.

II Mit feiner zweiten Studie greift Sellin direct in von vornherein nicht hätten unternehmen dürfen. Zudem
die feit 1803 viel erörterte Controverfe über die Heim- weift auf eine gewaltfame Unterbrechung jüdifcher Baukehr
der Juden aus Babylon ein. Er bekennt zwar j beftrebungen kein Wort bei den zeitgenöffifchen Progleich
von Anfang an einen gewiffen Skepticismus gegen- '< pheten. Weder Sach 8 10 (S. 71) noch 2 sflT. (S. 85. 102)
über der Möglichkeit einer fpecialifirten und definitiven | laffen fich m. E. in diefem Sinne verwerthen, und aus
Löfuno- des "Problems; dennoch glaubt er einige neue, Haggai hat fchon J. Marquart (Fundamente israel. und
bisher^unbeachtet gebliebene Momente in die Debatte jüd. Gefchichte S. 55) mit Recht herausgelefen, dafs er als
einführen zu können. ,Es dürfte nämlich zunächft nötig Urfache für die Verzögerung des Tempelbaues nur die
fein, mehr als bisher gefchehen jede einzelne Quelle, die I eigene Läfligkeit und Gleichgültigkeit der Juden kenne,
uns über die umftrittene Periode zur Verfügung fleht, Ferner ift ein Hinweis auf,das Buch der Denkwürdigkeiten
für fich anzuhören, ohne immer gleich zu verbuchen, fie I deiner Väter1 (415) fchwerer verftändlich, wenn er an Cyrus
in den Rahmen der anderen einzufügen' (S. 2). So unter- 1 oder Kambyfes, als wenn er an Artaxerxes gerichtet war.
fucht er zuerft (Cap. I, S. 2—43) die aramäifche Quelle | Andererfeits ift gar keine Frage, dafs in die Zeit diefes

Esr. 47—615. Namentlich mit Kofters fich auseinander
fetzend zeigt er (§ 1), dafs fich kein Argument lite-
rarifcher oder fachlicher Art erbringen laffe, welches uns
berechtige, an der vollen Glaubwürdigkeit von Esr. 5 1—615
zu zweifeln. In der Befprechung von 4 7—23 (§ 2) nimmt
er die in feinem .Serubbabel' vorgetragene Meinung, die
Eingabe Rechum's beziehe fich auf den Mauerbau Nehe-
mia's, zurück. Vielmehr fucht er den Beweis anzutreten,
dafs der Notenwechfel des 4. Capitels auf Ereignifse

Letzteren 48fr. trefflich paffen würde, ift doch 421—2s
das Einzige, was auf Neh. 1 a einiges Licht zu werfen
vermag.

In den beiden folgenden Capiteln (S. 43—63; 63—104)
prüft Sellin das Zeugnifs des Haggai und des Sacharja.
In der Verwerthung ihrer Bücher habe van Hoonacker
einen neuen richtigen Weg eingefchlagen, er fei aber auf
der Mitte desfelben flehen geblieben; er felber will ihn
confequent zu Ende gehen. Zunächft: Welche Auffchlüfse

gehe, die unmittelbar dem Jahre 538 folgen. Die Ver- giebt uns das Buch Haggai über den Bau des Tempels
irrung habe der Chronift angerichtet, der 47 mifsver- 1 nach dem Exile? Sellin antwortet (Cap. II § 1): Es enthält
fchlechterdings nichts, was gegen den Bericht von
Esra 5 und 6 fpräche, wohl aber einige Momente, die
es wahrfcheinlich machen, dafs der Tempelbau Serubbabels
nicht der erfte Verfuch nach dem Jahre 586 war,
wieder ein Heiligthum auf dem Zion zu begründen.
Dazu können wir neu aus demfelben erfchliefsen, dafs

m

ftand. In Wirklichkeit war nämlich 47 Ueberfchrift zu
dem ganzen Berichte 48—615, einer Eingabe der dem
Tempelbau freundlichen, dem Mauerbau feindlichen
Samaritaner an Artaxerxes, deren Schreiber Tafel =
Tobijjah war. Der Chronift erkannte aber die Ueberfchrift
nicht als folche, fondern hielt 47 für den erften

Vers des Berichtes von der Störung felbft und corrigirte i Serubbabel am 24/VI d. i. am 24. Sept. 520 dafelbft den
darnach, da er meinte, es handle fich in Vers 7 und s«. Grundftein zu feinem Bau gelegt hat' (S. 56). Ferner
um zwei in diefer Reihe aufeinanderfolgende Actionen, j (§ 2): Welche Auffchlüfse giebt uns das Buch des
den ihm in Vers 8. 11 und 23 begegnenden Königsnamen | Haggai bezüglich der Heimkehr der Juden aus Babylon:
(Cyrus oder Kambyfes). ,Seine fchwache Kenntnifs der 1 Und Sellin antwortet: .Davon, dafs im 2. Jahre des Cyrus
perfifchen Königslifte hinderte ihn nicht, anzunehmen, dafs 1 eine folche ftattgefunden hat, erzählt dasfelbe allerdings
bereits vor Darius I ein Artaxerxes regiert hätte' (S. 28). nichts; aber dafür legt es in der mannigfachften Weife
Somit ergiebt fich aus der aramäifchen Quelle Folgendes j ein Zeugnifs ab, dafs feit und infolge der Eroberung
als Kette ficherer Facta: ,das Tempeledict des Cyrus, ! Babylons bis zum September 520 ein grofser, ja der
Grundfteinlegung zum Tempel durch Schefchbazzar, all- I gröfste Theil des Volkes bereits heimgekehrt' ift und
^wrChe ^eimkenr des Volksgros zu diefem neuge- j fich in Paläftina wieder angefiedelt hat' (S. 63) Das
fchaffenen Centrum feines Gemeinwefens, Verfuch eines i Buch Sacharja' (Cap. III) ,beftätigt diefen Befund 'und
Mauerbaues mit Störung durch die Samaritaner, infolge- ; bereichert ihn um ein fehr wichtiges Moment' (1 cj Es
deffen Insftockengerathen des Tempelbaues, nach jähre- ergiebt 1. die vollftändige Haltlofigkeit der Hypothefe
langer Ruhe neue Grundfteinlegung durch Serubbabel und j von Kofters, 2. die Unmöglichkeit der chroniftifchen
Bau des Tempels bis zur Vollendung' (S. 42 f.). — Sellin's | Darfteilung, wie fie van Hoonacker vertheidigt 3 das Fac-

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