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Ausgabe:

1901 Nr. 19

Spalte:

526-528

Titel/Untertitel:

Hesychii Hierosolymitani interpretatio Isaiae prophetae 1901

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 19.

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der Humaniften geben uns ein anfchauliches Bild von
diefer eifrigen Thätigkeit. Könnte da nicht unter den
vielen jungen Hff. die eine oder andere fein, die auf einen
verloren gegangenen guten alten Codex zurückzuführen
wäre? Das wäre nicht ohne Analogien, und darum fcheint
mir das fummarifche Verfahren des Verf. nicht unbedenklich
zu fein. Und das um fo mehr, als er einen feften
Punkt für die Kritik nicht zu finden vermocht hat. In
feinen Erörterungen kommt er (p. 38) zu dem Schlufse
ex omnibus codicibus Iiis tractatis aliquid boni peti posse,
etsi praestant alii aliis: d. h. es fehlt an einem feften
Kriterium, und dem Herausgeber bleibt überlaffen, was er
als bonum anfehen will. Einen federen Halt gewährt ein
anderer Weg, auf den R. S. 52 ff. hinweift, und der
mir methodifch richtig zu fein fcheint: nämlich auszugehen
von der Ueberlieferung der von Theodoret aufbewahrten
umfangreichen Auszüge aus Eufebius, Clemens AI. u.
A. Diefer Weg ift nun freilich im Augenblicke darum nur
mit Vorficht zu betreten, weil die Ausgaben diefer Schrift-
fteller noch nicht ausreichen für eine derartige Unter-
fuchung. Immerhin ift es R., trotzdem er von Eufebius
nur die mangelhafte Dindorf'fche Ausgabe benutzt hat,
gelungen zu zeigen, dafs den beiden Repräfentanten der
einen Familie (Bodl. Auct. E. II. 14 und Flor. Laur. pl.
X c. 18) der Vorzug gebührt, wenn fie auch den Text
keineswegs fehlerlos aufbewahrt haben. Mit Recht macht
aufserdemR. an mehreren Stellen darauf aufmerkfam, dafs
Theodoret felbft fchon in feinen Citaten einen falfchen
Text, den er vorgefunden hat, benutzte. Man ift fo in
der Lage, das Alter mancher Corruptel zu beftimmen,
fieht fich aber in der Kritik von Theodoret aufs Neue zur
Vorficht gemahnt. Für Conjecturalkritik ift nach des
Verf.'s Meinung wenig Raum.

Die beiden nächften Capitel, III und IV, handeln von
den Quellen Theodoret's und der Art feiner Quellenbenutzung
. Dafs Theodoret in unerlaubter Weife namentlich
Clemens und Eufebius — nur den letzteren citirt er
gelegentlich mit Namen — ausgeplündert hat, war fchon
länger bekannt (vgl. Roos, De Tlieodoreto Clementis et
Eusebii compilatore, Malis 1883). R. hat den Nachweis
nicht nur aufs neue geführt, fondern auch noch eingehend
über die Abhängigkeit von Aetius, placita Pliilosoph. gehandelt
. Es ergiebt fich, dafs Theodoret feine Gelehr-
famkeit zum gröfsten Theile aus zweiter und dritter Hand
bezog, dafs die maffenhaften Citate aus den alten Philo-
fophen und Dichtern nicht durch eigne Studien gewonnen
find. Doch hat er einzelne Schriften wohl auch felbft
gelefen: ob das aber über das bei einem Gebildeten
damaliger Zeit vorauszufetzende Mafs der Fall war, fteht
zu bezweifeln. In den Citaten felbft ift Theodoret oft
recht läffig verfahren. Er hat geändert, was ihm gut
fchien und häufig ohne erkennbaren Grund Worte durch
andere erfetzt, kleine Umftellungen vorgenommen. Das
folgende Capitel de phüosophia Theodorcti läuft auf eine
Unterfuchung der Frage nach feinem ,Piatonismus' heraus.
Es wäre wohl erfolgreicher gewefen, wenn R., ftatt dies
zum Ueberdrufs verhandelte Thema anzufchneiden, den
Antheil unterfucht hätte, den die antike Philofophie an
Theodoret's ethifchen Principien gehabt hat. Ein willkommener
index fontium fchliefst fich an die Unter-
fuchungen an und als Probe einer neuen Ausgabe § 54—128
von B. I. Dafs in dem Apparate des Stückes ganz nichts-
fagende orthographifche Varianten ihre Stelle gefunden
haben, ift bei diefer Probe, die zugleich die Richtigkeit
der Auseinanderfetzungen über das Verhältnis der Hff.
beweifen foll, nicht weiter zu tadeln. In einer Ausgabe
dürften fie nur in den Prolegomena ihre Stelle finden.
Durch diefes Stück einer kritifchen Ausgabe hat es R.
möglich gemacht, feine textkritifchen Grundfätze nachzuprüfen
. Seine Bewerthung der Hff. ift mir dabei zweifelhaft
geworden, und es fcheint mir als ob R., vielleicht
veranlafst durch die zahllofen Itacismen und andere Fehler,
den Cod. Paris. Coislin. 250 SC XL doch unterfchätzt habe.

Man kann feine Varianten gewifs nicht einfach als ,Intc r-
polationen' abthun. Z. B. § 105 lautet: avxlxa xoivvv
i]v e&EXyömusv öiayvmvai xqvoov öoxiftöv xe xdi ästEqO-ov,
ovx yßElg zfj ^ ßaoävm xovxov stgoomipouEv, dXXa xbv
EJiiOxausvov xa xoiavxa öoxipaöai xeXevo(/ev xxX. Dafür
bietet Coisl. (mit feinem Trabanten Vatic. 626 a. 1307^:
avxlxa xoivvv ?]v e&sXr'jöcoutv öiayvmvai xgyoöv, tl ööxiubg
eöxiv, ovx We?s xfl ßttOÖvm scgooiplgoUEV, aXXct xm xaöxa
öoxiuä^Eiv slöbxi stgoödyoUEV. Das fieht doch nicht nach
der willkürlichen Diorthofe eines Interpolators aus.
Ebenfowenig ift zu erklären, wenn § 62 ftatt das geläufigen
j fiäXa (BL jtäXai) av xig uäaoi, diefelben Hff. das durch-
j aus ungewöhnliche Xlav äv xig uäd-oi fetzen. Da fcheint
doch mehr vorzuliegen, als blofse Aenderungsfucht, und
R. hat fich die Sache bequem gemacht, wenn er über CV
einfach den Stab bricht. Ueberdies ift der Apparat nicht
überall deutlich genug. Die Bemerkung z. B. zu S.
179, 2—3 verftehe ich nicht; denn danach ergäbe fich für
CV ötlxai utvxoi y yvmOig ov ölxa Jilozsmg, was doch
fchwerlich darin zu lefen ift.

Ehe der Verf. fich entfchliefst, eine Ausgabe der
Schrift zu liefern, möge er feine textkritifchen Grundfätze
noch einmal revidiren und fich an der Hand des ganzen
I Materiales ein klareres Bild von der Befchaffenheit der beiden
Recenfionen machen und mittheilen, als das dem Ref.
auf Grund feiner Unterfuchungen und des Apparates zu ge-
) Winnen möglich gewefen ift. Dann wird vielleicht fein
1 Apparat noch an Einfachheit und Ueberfichtlichkeit gewinnen
und der Text hätte ficherlich auch keinen
; Schaden davon.

Darmftadt. Erwin Preufchen.

Hesychii Hierosolymitani interpretatio Isaiae prophetae. Nunc
primum in lucem edita, prolegomenis commentario
critico, indice adaueta a Michaele Faulhaber. Acce-
dit tabula phototypica. (XXXVI, 222 S. gr. 8.) Freiburg
i. B., Herder, igoo. M. 6.—

Von der exegetifchen Schriftftellerei des Jerufalemer
Presbyters Hefychius war bisher aufser Catenenfragmen-
ten ein nur in lateinifcher Ueberfetzung erhaltener allegori-
fcher Commentar über Lev. in fieben Büchern erhalten, von
dem aber noch zu unterfuchen wäre, wie grofs wirklich
der Antheil des Hefychius daran ift. Nun ift die Kennt-
nifs der exegetifchen Eigenart des Mannes durch Faulhaber
, der über die Prophetencatenen erft vor kurzem
in einer forgfältigen Arbeit Licht verbreitet hat, bereichert
oder vielleicht überhaupt erft ermöglicht worden. In
einem Cod. Vatic. gr. 347 sc. XI fand F. den Text der
Propheten des A. T. mit Marginalnoten. Die Marginalien
zu Jefaias und dem Dodekapropheton zeichnen fich durch
Kürze aus, find ihrer ganzen Art nach auf das engfte
verwandt mit einander, und als Gloffen eines Interpreten
anzufehen. Die Scholien tragen in der Catene nicht den
Namen ihres Verfaffers, fondern find anonym überliefert.
Da nun in anderen Catenenhff. die Scholien zu dem
Dodekapropheton ausdrücklich dem Presbyter Hefychius
beigelegt werden, fo fchliefst F. mit Recht, dafs er auch
der Verfaffer rler Jefaiasfcholien ift. Der Titel lautet in
mehreren Hff. 'llövxtov JigsoßvxEgov 'legoOoXvfimv örr/n-
gov rmv iß" jcgorpyxmv xal 'Hoalov xal AaviyX tfaflv ev
siagalitoEOi zag xmv övoxEgeoxEgmv kguyvElag. Diefe
Worte erklärt F. fo, dafs er annimmt, Hefychius habe
praeter oxixygöv i. e. praeter capitula . . etiam „diffieih-
orum locorum interpretationes" confecisse easque ev jtaga-
d-EOEOi i. e. textui biblico ad latus adscriptas1 (p. XII).
Wer die Stelle unbefangen lieft, wird nie auf die Ver-
muthung kommen, dafs die Worte das befagen, was F
fie befagen läfst. Es wäre ftatt deffen zu fagen gewefen,
dafs Hefychius ein in Verfen [pxixygbv) gefchriebenes
• GT/rP • des DodekaProPlieton, des Jefaias und Daniel
mit Marginalnoten zur Erklärung fchwieriger Worte ver-