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Ausgabe:

1901 Nr. 19

Spalte:

517-522

Autor/Hrsg.:

Söderblom, N.

Titel/Untertitel:

La vie future d’après le Mazdéisme à la lumière des croyances parallèles dans les autres religions; étude d’eschatalogie comparée 1901

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 19.

tation hindurchgemüht habe, kehre ich zu den Ebed-
jahweftucken fclber und infonderheit zu Jef. 53 zurück
und lefe fie im Gedanken, dafs fie mit Bezug auf Jojachin
gefchrieben feien. Sellin erwartet, dafs er uns die Decke
von den Augen genommen habe; aber ftatt deffen fehe
ich unklarer? als wenn die Ebedgeftalt ein Anonymus
für mich bleibt: 534.5.6 verftehe ich überhaupt nicht
mehr; und, um von einer Reihe exegetifcher Gewaltfam-
keiten zu fchweigen und nur noch Eines hervorzuheben:
50 6 vgl. mit 50 4 wird bei unbefangener Exegefe eben
doch wohl bedeuten, dafs in feinem Berufe {seil. ,dem
Müden aufzuhelfen' S. 107) der Knecht Schlägen ausgefetzt
war Was aber foll das mit König Jojachin? — Das
Werthvollfte an Sellin's Arbeit liegt für mich dann, dafs
er auf's Neue zu zeigen fucht: man kommt Jef. 53 gegenüber
nur mit einer individuellen Deutung aus. Auf fammt-
hche Davididen aus der Zeit des Exils ift nun freilich
die Probe gemacht worden, und keiner hat fie m. E. be-
ftanden. Das ift für mich allerdings die Beftätigung
meiner Anficht, dafs der Gottesknecht anderwärts zu fuchen
fei, wenn es in diefer Frage nicht überhaupt dabei bleiben
mufs: omnis determinatio est negatio. Dafs übrigens der
Gottesknecht von Jef. 53 ein Davidide fei, ift eine Ver-
muthung, die, wie wohl kaum bekannt und doch manchem
intereftant fein dürfte, Jakob Burckhardt fchon längft gelegentlich
einmal geäufsert hatte.

Bafel. Alfred Bertholet.

Söderb 10 m, N., La vie future d'apres le Mazdeisme ä la lumiere
des croyances paralleles dans les autres religions; etude
d'eschatalogie comparee. (Annales du Musee Guimet.
Bibliotheque d'etudes, Tome IX.) Paris, E. Leroux, 1901.
(VIII, 448 S. 8.) Fr. 8.—

Ein nicht nur für Religionshiftoriker, fondern für alle
Theologen, die fich mit der Gefchichte der Anfänge
unferer chriltlichen Religion befchäftigen, hochbedeut-
fames Werk ift es, das der junge fchwedifche Gelehrte
in dem neunten Bande der Annales du Musee Guimet
veröffentlicht. Söderblom hat in Paris eine Schule durchgemacht
, dutch die er vorzüglich zu Unterfuchungen, wie
die vorliegende, vorbereitet und ausgerüftet ift. Die An-
recruntren auf iranologifchem Gebiet hat er von keinem
geringeren als von dem grofsen Iranologen Darmesteter
bekommen. Den Religionshiftoriker Marillier nennt er
feinen Lehrer, dem nunmehr verftorbenen Senior der
theologifchen Facultät zu Paris, Sabatier, ift das Buch
gewidmet. S. felbft hat fich bereits durch feine Arbeit
über die Fravashis und durch eine fehr intereffante
Recenfion des Stave'fchen Buches über den Einflufs des
Parfismus auf das Judenthum [Revue de Vhist. des rel.
1900) als Fachmann in dem Gebiete eranifcher Religions-
forfchung eingeführt. Was er uns in dem vorliegenden
Buche bietet ift mehr, als eine Studie zur Entwickelung
der perfifchen Eschatologie, es i(t zugleich eine, naturlich
nicht erfchöpfende, aber doch die Hauptgefichtspunkte
hervorhebende Darftellung der Entwickelung des Glaubens
an das jenfeitige Leben überhaupt geworden.

Im erften Capitel feines Buches behandelt S.
den Glauben an das Leben nach dem Tode auf feiner
unterften Stufe. S. bezeichnet in Anlehnung an Marillier
diefe Stufe als .croyance en la continuation de la vie'. Was
auf diefer Stufe des menfehlichen Glaubens vorliegt, ift
nie vollkommen naturaliftifche Ueberzeugung von der
Lnzerftörbarkeit oder wenigftens von einer das körperliche
Leben überragenden Dauerhaftigkeit des menfehlichen
Innenlebens, des Lebens der Seele. Das Leben
nach dem Tode wird als eine einfache Fortfetzung diefes
Lebens, oft auch mit deffen verfchiedenen Gefchicken und
Differenzirungen, aufgefafst. Das Gefchick des Einzelnen
ift von feinen moralifchen und religiöfen Qualitäten noch
vollkommen unabhängig. Spuren diefes alten animiftifchen

Glaubens liegen in der perfifchen Religion namentlich
noch in dem Glauben an die ,Fravas/iis urfprünglich die
Seelen der Verftorbenen, vor. —Eine zweite Stufe desjen-
feitsglaubens ift überall da vorhanden, wo in irgend einer
Form der Vergeltungsgedanke auf das Leben nach dem
Tode angewandt wird. Im zweiten Capitel feines Werkes
behandelt S. den die zaratuftrifche Religion bereits be-
herrfchenden Gedanken von der Vergeltung und dem
Gericht über die einzelne Seele nach dem Tode. Eine
lehrreiche vergleichende Studie über den Vergeltungsgedanken
überhaupt fchliefst diefen Abfchnitt. Ich hebe
hier noch befonders den Abfchnitt über mazdeifche, jü-
difche und hellenifche Eschatologie S. 149 —154 hervor.

In manchen Religionen hängt ferner die Lehre vom
Jenfeits unmittelbar und eng mit der Lehre vom Ende
diefer Welt und der Welterneuerung zufammen. Zur
Eschatologie tritt die Adokalyptik. Im dritten Capitel
feines Werkes behandelt S. die hierher gehörenden Vor-
ftellungen, und zwar zunächft die uralten, vielleicht in
die arifche Zeit zurückreichenden Sagen von dem Winter
MahrkuSa, d. h. der dereinftigen Vereifung der Welt, und
dem fchutzenden unterirdifchen Zufluchtsort des Yima,
des eranifchen Noah. Sehr intereffant und lehrreich ift
hier der Vergleich der eranifchen Vorftellungen mit denjenigen
der Edda. Nach einer Zufammenftellung der
Sagen der Völker von Weltuntergang und Welterneuerung,
in der S. werthvolles ihm von Marillier zur Verfügung ge-
ftelltes Material benutzt, behandelt S. im vierten Capitel die
die mazdeifche Apokalyptik beherrfchende Lehre von dem
Weltuntergang durch Feuer, der Welterneuerung, Aufer-
ftehung derTodten, dem Gericht und der Apokataftafls. Der
Schlufs diefes Abfchnittes, eine Vergleichung der jüdifchen
chriftlichen und islamifchen Apokalyptik, ift für den Theologen
befonders wichtig und lehrreich. Ein fünftes Capitel
behandelt die myftifche Gedankenreihe vom ewigen Leben
in der Lebensgemeinfchaft mit Gott. Da auf diefem Gebiet
die eranifche Religion, abgefehen von einigen Andeutungen
in den Gat/ias, nicht über fagenhafte, magifche
und facramentale Anfchauungen hinauskommt, fo über-
fchreitet S. hier eigentlich den urfprünglichen Entwurf
feines Buches, indem er in längerer Ausführung die Idee
des höheren ewigen Lebens bei den Griechen und Juden
und endlich im Chriftenthum darftellt.

Es ift nicht gut möglich, auf kurzem Räume einen
Eindruck von dem Reichthum und der Mannigfaltigkeit
des gefammelten Materials, dem eindringenden Scharf-
finn und der anregenden Kraft, mit welcher diefes Material
geordnet und verwerthet ift, eine Vorftellung zu
geben, noch viel weniger eine in's Einzelne gehende
kritifche Auseinanderfetzung zu geben. Ich will mich
darauf befchränken, auf die den Theologen am meiften
intereffirende Frage nach dem Verhältnifs der jüdifchen
(refp. chriftlichen) und mazdeifchen Theologie und die
| Behandlung diefer Frage durch S. einzugehen. Wenn
| ich hier gegenüber S. eine vielfach abweichende Beur-
theilung der vorliegenden Thatfachen vortragen möchte,
fo mag vorher noch einmal betont werden, wie fehr
j ,von der fördernden, ja grundlegenden Bedeutung des
Söderblom'fchen Werkes auf dem bearbeiteten Gebiete
überzeugt bin.

In der (Behandlung der neuerdings wieder vielfach
erörterten Frage nach der Beeinflufsung der jüdifchen
Eschatologie und Apokalyptik durch den Mazdeismus
nimmt S. einen aufserordentlich fkeptifchen und zurückhaltenden
Standpunkt ein. Es mag zunächft auch hier
die Uebereinftimmung des Referenten mit den Urtheilen
S. s hervorgehoben werden. Wenn S. befonders beftrebt
ift, die fundamentalen Differenzen zwifchen der jüdifchen
und perfifchen Eschatologie hervorzuheben, fo mufs feiner
Betrachtung eine Marke Berechtigung zugeftanden werden.
Es wäre nichts verkehrter, als annehmen zu wollen, dais
die jüdifche Eschatologie ein einfacher Abklatfch der
mazdeifchen fei. Auch in der fpäteren Zeit ift die jüdi-

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