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Ausgabe:

1901 Nr. 18

Spalte:

501-502

Autor/Hrsg.:

Knoepfler, Aloisius

Titel/Untertitel:

Rabani Mauri de institutione clericorum libri tres 1901

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Seite 1

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Soi

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 18.

502

desfelben wieder aufnahm. — Stellen wir uns zunächft einmal
auf den Standpunkt Amellis und fetzen wir die Aecht-
heit des Tractates voraus, fo hätte Hieronymus bereits in
Conftantinopel Origenes aufs heftigfte bekämpft, aber
fpäter in Rom viel freundlicher über ihn geurtheilt, während
er ausdrücklich Rufin gegenüber bekennt, dafs
er als Jüngling ein Verehrer des Origenes gewefen fei.
Wenn auch ein fchneller Gefinnungswechfel bei einem
Manne wie Hieronymus wohl denkbar in, fo wiffen wir
doch nichts darüber. Gerade in Conftantinopel, wo er
der begeifterte Schüler Gregors von Nazianz war, der ihm
die Bewunderung für Origenes einflöfste, follte er diefen
fcharfen Tractat gegen Origenes gefchrieben haben und fich
fpäter nie auf diefes Werk berufen haben, als er in Origenes
den grofsen Ketzer fah! Sollte daher der Tractat von der
Hand des Hieronymus flammen — und Amelli hatdiefeMei-
nung mit dem Hinwei fe auf Sprache, Exegefe und Bibeltext
zu einem hohen Grade von Wahrfcheinlichkeit erhoben
— fo möchten wir ihn einer fpäteren Zeit zuweifen, als
Hieronymus bereits mit Origenes gebrochen hatte. Wir
halten daran feft, dafs die als subttus tractatus_ im Jefaia-
commentar bezeichnete Auslegungsfchrift, die 381 in
Conftantinopel gefchrieben ift, mit ep. 18 ad Damasum zu
identificiren ift. Vielleicht ift der anonyme Tractat in
der Zeit gefchrieben, in der Hieronymus den Brief des
Theophilus gegen Origenes überfetzte. Die Berührungen
mit diefer Ueberfetzung würden fich fo beffer erklären,
indem Hieronymus ähnlicher Ausdrücke fich bediente, wie
er fie in dem Tractate gegen Origenes gebraucht hatte.
Denn dafs Theophilus lateinifch verftanden und den
Hieronymus ausgefchrieben hat, ift fehr unwahrfcheinlich.
Doch möchte ich nicht eher die Frage für fpruchreif
halten, bis die Handfchriften des Briefes 18 an Damafus
unterfucht find, da ich in meiner Biographie (S. 188 Anm. 3)
ausdrücklich darauf hingewiefen habe, dafs die Ueber-
lieferung diefer Epiftel fehr unficher und ep. 18, 17—20
wahrfcheinlich ein Nachtrag von der Hand des Hieronymus
ift. Auch fragt es fich, ob der von Amelli aus zwei
Manufcripten zufammengefetzte Tractat, dem möglicher
Weife der Schluis fehlt, in der vorliegenden Form ur-
fprünglich ift. Vielleicht gehören die verfchiedenen Stücke
des anonymen Tractates und der Epiftel 18 an Damafus
noch in andersartiger Weife zufammen. Jedenfalls hat
fich Amelli durch feine Publication ein grofses Verdienft
erworben, indem er die Fragen, die fich daran knüpfen,
zwar nicht definitiv gelöft hat, aber die Forfchung um
werthvolles Material bereichert und ihr neue Probleme ge-
ftellt hat.

Heidelberg. Grützmacher.

Knoepfler, Prof. Dr. Aloisius, Rabani Mauri de institutione
clericorum libri tres. Textum recensuit adnotationibus
criticis et exegeticis illustravit introductionem atque
indicem addidit A. K. (Veröffentlichungen aus dem
kirchenhiftorifchen Seminar München Nr. 5.) (XXIX,
300 S. gr. 8) München J. J. Lentner 1901. M. 5.—-

A. Knoepfler, der verdiente Herausgeber und Redac-
tor der Veröffentlichungen des kirchenhiftorifchen Seminars
in München, hatte das neue Unternehmen, in dem
bereits eine Reihe wiffenfchaftlich tüchtiger Publicatio-
nen erfchienen ift, mit einer kritifchen Edition der
Schrift Walafrid Strabo's, Liber de exordiis et incrementis
quarundam in obscrvationibus ecclesiasticis rertim 1899
eröffnet. Jetzt läfst er eine zweite liturgifch wichtige
Schrift des frühen Mittelalters in dem vorliegenden Werke
des Rabanus Maurus folgen. Für die Herftellung eines
correcteren Textes, als ihn die Ausgaben bieten —
Migne P. L. 107,295 ff. hat den fchlechteren Kölner Text
von Colvenerius vom Jahre 1626 abgedruckt — ftanden
ihm zwei Münchener Handfchriften lat 14210 saec IX
und 14045 saec XI, 2 Parifer lat 2440 saec X und 2399

saec XI und eine St. Gallener Handfchrift lat 286 saec
IX zur Verfügung. Aufserdem hat er noch 5 Handfchriften
, die Theile des Werkes enthielten, herangezogen.
Natürlich liefse fich der Apparat noch vermehren, eine
wichtige Handfchrift der Laurentiana in Florenz Cod.
Ashburnham 9 saec IX konnte nicht collationirt werden
, aber er ift vollftändig ausreichend, um einen im
Allgemeinen zuverläffigen Text herzuftellen. Ich habe
im erften Buch Capitel 24—33 nachgeprüft und wüfste
keine Stelle zu nennen, an der ich nach dem mitgetheilten
Apparat eine andere Lesart als die von Knoepfler aufgenommene
wählen würde, wenn nicht etwa die erheblich
abweichende Recenfion des Codex Fiddensis Aa 2
saec X den urfprünglicheren Text bietet, was ich nicht
zu entfeheiden wage. Knoepfler hat feinem Text fortlaufend
die Nachweife der von Rabanus benutzten Quellen
beigefügt. Es war dies eine recht mühfame Arbeit, die
aber für die Beurtheilung des Rabanus als Schriftfteller
von Werth ift. Demnach hat Rabanus in einer Weife
Alcuin, Beda, Gregor den Grofsen, Auguftin und vor allem
Ifidor von Sevilla ausgefchlachtet, dafs fein Werk zu
einer rein mechanifchen Compilation ohne jede wiffen-
fchaftliche Selbftändigkeit herabfinkt. Knoepfler zieht
daraus auch den Schlufs, dafs Hauck Kirchengefchichte
Deutfchlands2 II, 620ff. die wiffenfehaftliche Bedeutung
des Rabanus überfchätzt, da wahrfcheinlich auch in den
umfangreichen exegetifchen und homiletifchen Werken
des Rabanus das wenigfte fein literarifches Eigenthum
ift. In der beigegebenen Einleitung bietet Knoepfler eine
kurze Lebensfkizze des Rabanus Maurus und eine Unter-
fuchung über die Veranlaffung der Schrift de institutione
clericorum. Die Schrift ift auf Veranlaffung Eigils dem
Erzbifchof Haiftulf, wahrfcheinlich bei der Einweihung
der neuen Klofterkirche in Fulda am 1. November 819
überreicht worden. Rabanus Maurus kam dabei der Aufforderung
nach, die Karl der Grofse im Jahre 813 an die
Bifchöfe und Erzbifchöfe seines Reiches hatte ergehen
laffen, fich über die einzelnen kirchlichen Functionen
Rechenfchaft zu geben.

Heidelberg. Grützmacher.

Feiler, Emil, Das Benediktiner-Officium, ein altenglifches
Brevier aus dem 11. Jahrhundert. Ein Beitrag zur
Wulfstanfrage. (Angliftifche Forfchungen. Hrsg. von
Prof. J. Hoops. Heft 4.) Heidelberg, C. Winter, 1901.

M. 2.40

Nach einem kurzen Bericht der bisherigen Forfchungen
über das Officium befchreibt Feiler die beiden
Handfchriften Bodleyana Jun. 121 und Cambridge Corp.
Chr. 201, in denen uns das Officium erhalten ift. Er giebt
dann die Notizen über die Verbreitung des römifchen Breviers
in England. Seit der Stiftung der Klöfter Wearmouth
undjarrow durch Benedict Biscop um 680 war einePflanz-
ftätte der römifchen Liturgie auch im Norden Englands
gefchaffen. Zur Zeit des erften grofsen englifchen Reform-
concils, der Synode zu Cloveshoe 747, fcheint die Einführung
des lateinifchen Breviers keinem ernften Wider-
fpruch mehr begegnet zu fein. So dürftig auch die
Refte von liturgifchen Kirchenbüchern aus jener alten
Zeit find, fo fetzt es doch das erhaltene Ritual von
Durham aufser Zweifel, dafs demfelben das Breviarium
Romanum zu Grunde lag, und auch für das Benedictiner-
officium verfucht Feiler denfelben Nachweis zu erbringen.
Nach einer Ueberficht über die Gefchichte des Breviers,
die unter Heranziehung der Quellen fich auf die befte
Literatur ftützt und abgefehen von kleinen Irrthümern
zuverläffig ift, behandelt er das altenglifche Brevier und
feine Vorlage. Es ift nach Feiler ein Erzeugnifs, wenn
auch ein etwas verfpätetes, jenes mächtigen kirchlichen
Auffchwunges, jener Periode lebensvoller Thätigkeit in
liturgifcher Neufchöpfung und Umformung zur Zeit der