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Ausgabe:

1901 Nr. 17

Spalte:

469-472

Autor/Hrsg.:

Weber, Valentin

Titel/Untertitel:

Der h. Paulus vom Apostelübereinkommen (Gal. 2, 1-10) bis zum Apostelkonzil 1901

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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4Ö9

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 17.

470

nur fchriftftellerifches Elaborat gewefen find, z. B. 5,5—17.
6. 16. 20. 23. 25—32 etc. Der Einzelauslegung ift durchgängig
grofse Sorgfalt nachzurühmen, in der Textkritik
ift das rechte Maafs gehalten. Im erften Theil ift die
Auslegung ziemlich ausführlich und namentlich in fachlicher
und theologifcher Beziehung fehr reichhaltig; je mehr
der Commentar fich dem Ende nähert, defto knapper und
dürftiger wird die fachliche Erklärung. Man kann daraus
dem Verf. wohl kaum einen Vorwurf machen, da er wohl
an einen beftimmten Umfang des Buches gebunden war;
man kann aber ein lebhaftes Bedauern nicht unterdrücken,
dafs äufsere Rückfichten ihn verhindert haben, die Arbeit
bis zu Ende in der Weife auszuführen, die durch die Sache
erfordert war. Es wäre dringend zu wünfchen, dafs bei
einer eventuellen neuen Auflage auch der letzte Theil
ausführlicher geftaltet wird.

Kr. fchlofs feine Befprechung des Ezechielcommen-
tares von Bertholet in diefer Zeitfchrift, Jahrgang 1898,
Sp. 388, mit der Bemerkung: Jedenfalls ift für einen Commentar
, der nicht blofs das bisher Erarbeitete für den
Studirenden gut und praktifch zufammenfafst, fondern in
erfter Linie der Anregung und Förderung wiffenfchaftlicher
Probleme dienen will, neben dem Bertholet'fchen noch
Raum genug'. Ich bin überzeugt, dafs das von feinem
eigenen Commentar in vollem Maafse gilt. In der Ge-
fchichte der Auslegung des Ezechiel wird er vorausficht-
lich einen deutlichen Markftein bilden.

Halle a. S. Carl Steuernagel.

Weber, Prof. Dr. Valentin, Die Abfassung des Galaterbriefs
vor dem Apostelkonzil. Grundlegende Unterfuchungen
zur Gefchichte des Urchriftenthums und des Lebens
Pauli. Ravensburg, H. Kitz, 1900. (XVI, 406 S.
gr. 8.) M. 5.-

— der h. Paulus vom Apostelübereinkommen (Gal. 2, 1—10)
bis zum Apostelkonzil. (Sonderabdruck aus den ,Bib-
lifchen Studien' hrsgg. von Bardenhewer VI, 1. 2).
Freiburg i. B., Herder 1901. (46 S. 8.).

Unermüdlich ift feit 3 Jahren der Verfaffer der oben
genannten Schriften (ich werde fie der Kürze halber
als I und II unterfcheiden), Profeffor der katholifchen
Theologie in Würzburg, bemüht, dem Galaterbrief zu
einem befferen Verftändnifs als einer Haupturkunde für
die erfte Entwickelungsperiode der eccksia catholica
zu verhelfen. In der Vorrede zu I kann er fchon auf 9,
zum Theil recht ausführliche Zeitfchriftenartikel hinweifen
, die er den Problemen des Galaterbriefes gewidmet
hat; inzwifchen ift noch die in diefer Zeitung S. 76 von
E. Schürer befprochene Monographie über die Adreffaten
des Galaterbriefes hinzugekommen und ein Auffatz in
der theol. prakt Quartalfchrift Linz 1901, S. 28—33:
,die biblifchen Quellen für ein Leben Pauli und der
Grad ihrer gefchichtlichen Glaubwürdigkeit.'

II ift ein mit einigen Anmerkungen verfehener Vortrag,
den Weber auf dem 5. internationalen Congreffe katho-
lifcher Gelehrter in München im Sept. 1900 gehalten
hat; wer fich rafch über die eigenthümlichen Thefen des
Verf. orientiren will, mag diefen Vortrag zur Hand
nehmen; er bietet in klarem Zufammenhang die Reful-
tate einer Arbeit, deren Ernft und Gründlichkeit doch
erft dem Lefer von I voll einleuchten werden. Die
Auseinanderfetzung mit jenem gelehrten Werk ift denn
auch eine Pflicht der wiffenfchaftlichen Theologie und
hat für uns von verfchiedenen Gefichtspunkten aus ein
hohes Intereffe.

W. fchreibt im Ganzen correct und einfach, auch
durchweg in dem für folche Unterfuchungen ange-
meffenen Ton; aufser in Zahlen find Druckfehler feiten,
S. 40 Z. 6 ift die ,bildliche Verehrung' allerdings unver-
ftändlich, und hat dS. 332 n. 2) Nöfgen eine ,Gefch. der

neueften Offenbarung' gefchrieben? An Wiederholungen
fehlt es zwar nicht, überhaupt liebt W. behagliche Breite,
oft füllt er halbe wie ganze Seiten mit wörtlichen Ci-
taten aus anderen Werken, Aberle und Volkmar, Haupt
und Zöckler, Zahn und Ramfay, vielleicht aus Rückficht
auf den Theil feiner Lefer, bei dem er Bekanntfchaft
mit jenen Forfchern nicht vorausfetzt. Aber er verziert
nicht etwa blofs gelegentlich fein Buch mit gelehrten
Flofkeln, fondern er hat die Literatur weit ausgreifend
benutzt; wo er aus dritter Hand fchöpft wie S. 374 n. 5,
fagt er es offen, und ift bemüht, jedem Mitforfcher gerecht
zu werden. Sein Vorfatz, ftreng wiffenfchaftlich
und ohne Vorurtheile zu prüfen und zu entfcheiden,
fteht aufser Frage, nie will er durch fittliche Verdächtigung
, ftatt durch Gründe den Gegner loswerden, ich
finde kaum Anlafs zu der Entfchuldigung auf S. XI, dafs
er hie und da etwas polemifches Salz in die Darftellung
eingeftreut habe. Etwas temperamentvolle Wendungen
wie S. 187 ,der widerliche Streit neuerer Ausleger' wird
Niemand dem Manne verargen, der mit beneidenswerther
Gewifsheit die Frage nach der Glaubwürdigkeit der
Apoftelgefchichte endgültig entfchieden und die Chronologie
der apoftolifchen Zeit ins helle Licht gerückt zu
haben glaubt! Der Kern feiner Conftruction ift die An-
fetzung des Galaterbriefs vor dem Apoftelconcil: Paulus
hat den Brief von Antiochien aus an die 1 oder 2 Jahre
früher von ihm und Barnabas in Südgalatien (d. h. PiTiden
und Lykaonien) geftifteten Galatergemeinden gefchrieben
, ehe die officielle Entfcheidung der Kirche
über die Geltung des Mofegefetzes Act 15,28b gefallen
war; die von Paulus Gal. 2, 1—10 befchriebene Reife
nach Jerufalem ift nicht die von Act. 15 fondern die
Collectenreife von Act. 11,30. 12,25; auch der Disput mit
Petrus ift nur vor dem Apoftelconcil denkbar; er wird,
wie W. nach einigem Schwanken II 306°. als das weitaus
Wahrfcheinlichfte feftftellt, zur Zeit von Act. 14,2^
zwifchen der Heimkehr des Paulus und Barnabas von
der erften Miffionsreife und ihrer Theilnahme an dem
Jerufalemifchen Concil ftattgefunden haben. W. verlieht
nicht blofs wie I 333 über ergötzliche Proben von Harmo-
nifirungskünftelei zu fpotten, er bewährt ein fcharfes
Auge für die Schwächen andrer Apologeten und auch
mancher Kritiker; wo er fich gegen Clemen, gegen
Sieffert, gegen Ramfay, gegen Zahn wendet, mufs ich
ihm fall ausnahmslos zuftimmen, vor allem darin, dafs
Paulus unmöglich, wenn er bei Abfaffung des Galaterbriefs
dreimal feit der Bekehrung in Jerufalem gewefen
war, die 2. oder die 3. Reife dorthin hätte verfchweigen
können, auch darin, dafs wenn vor Gab, noch dazu
unter Mitwirkung des Paulus, das Apofteldecret mit den
Jakobusclaufeln erlaffen worden war, Paulus es in feinem
Brief ehrlicherweife nicht übergehen durfte. Aber
Webers eigne Pofition fcheint mir trotzdem unhaltbar.
Auch fie ift — dem Verf. unbewufst — ein Erzeugnifs
apologetifcher Intereffen, hier folcher mit deutlich römifch-
katholifcher Färbung.

Zwar tritt W. 7 Beweisgänge für feine Datirung
von Gal. vor Act. 15 an, aber fchon deren Reihenfolge
zeigt die Fehlerhaftigkeit der Methode. Zuerft wird mit
14 Argumenten das Zeugnifs der Apoftelgefchichte, ,bei
Annahme ihrer Glaubwürdigkeit' in Anfpruch genommen,
fpäter das Zeugnifs der Hauptbriefe des Paulus aufgerufen
, erft S. 145 wenden wir uns zu dem einzigen in
in diefer Sache abfolut ficheren Zeugen, dem Galater-
briefe, der vierfältig gegen feine Anfetzung nach dem
Concil proteftiren foll, fchliefslich mufs noch die Chronologie
des Lebens Pauli reichliche Beftätigung befchaffen.
Unter recht beachtenswerthe Erwägungen gemifcht
treffen wir da, häufig nachdrücklich verwendet, fo felt-
fame Hypothefen wie die, dafs die Offenbarung Gal. 2,2
mit der II. Cor. 12 erwähnten ekftatifchen Himmelfahrt
identifch fei, oder die Deutung der Schwachheit des
Fleifches Gal. 4,13 auf erlittene Verfolgungen oder wie

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