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Ausgabe:

1901 Nr. 16

Spalte:

457-458

Autor/Hrsg.:

Schrader, Otto

Titel/Untertitel:

Die Lehre von der Apokatastasis 1901

Rezensent:

Lobstein, Paul

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457

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 16.

458

Stellung hat er Gelegenheit, durch Reifen in Deutfchland,
Holland, England, Frankreich, Italien und Oeflreich-Ungarn
feine Bildung zu erweitern. 1728 macht ihn Chriffian
Ernft von Sachfen-Saalfeld. ein Enkel Ernfts des Frommen
von Gotha, zu feinem Privatfecretär, fpäter mit dem
Titel Hofrath, doch ift er mehr geiftlicher Berather, als
Rechtsbeiftand des Fürften gewefen. Nach dem Tode
Chriftian Ernfts erhält er eine ähnliche Stellung bei dem
Grafen von Stolberg-Wernigerode, hier freilich nur unter
dem Namen eines lebenslänglichen Gaftes des Grafen.
Doch wäre es verfehlt, wozu wir nach unferen heutigen
Anfchauungen verfucht find, Walbaums Stellung in Wernigerode
fo anzufehen, als ob er dort eine Art Gnadenbrot
empfangen hätte. Sein Verhältnifs zum Grafen hatte
für ihn nichts Entwürdigendes, es illuftrirt vielmehr nur
die enge Gemeinfchaft, zu der die gleiche religiöfe Ueber-
zeugung den Fürften und den Gelehrten verband.

Ueberhaupt war das Schlofs in Wernigerode ein
Mittelpunct pietiftifcher Frömmigkeit, und fo verknüpften
es auch zahlreiche Beziehungen mit den pietiftifchen
Kreifen in Holftein, Schleswig und Dänemark. Durch
Walbaum kam in diefe aber noch ein warmes perfönliches
Moment, da fein Jugendfreund, der Freiherr von Söhlenthal
, als Verwalter <der Graffchaft Ranzau nach Holftein
geführt worden war. So hat Walbaum dreimal (1741,
1744 und 1752) die Elbherzogthümer felbft aufgefucht und
gewährt uns in feinem Tagebuche intcreffante Einblicke
m das Leben der damaligen fchleswig-holfteinifchen Pie-
tiften.

Die Beziehungen Walbaums zu Schleswig-Holftein
hat Jacobs in den Mittelpunct feiner Abhandlung geftellt,
aus den betreffenden Partien des Tagebuchs giebt er
auch interelTante Auszüge. Doch hat fein Auffatz, wenn
er auch als localkirchengefchichtliche Publication erfchie-
nen ift, mehr denn localgefchichtliches Intereffe.

Efchershaufen (Erfchw.). Ferdinand Cohrs.

Schräder, Otto, Die Lehre von der Apokatastasis oder der
endlichen Befeligung Aller. Ein dogmatifcher Ver-
fuch zu ihrer Vertheidigung. Inaugural-Diss. Berlin,
Th. Fröhlich, 1901. (VIII, 157 S. gr. 8.) M. 2.40

Diefe der theologifchen Fakultät zu Jena vorgelegte
Inauguraldiffertation ift ein alle Achtung und Anerkennung
verdienendes spccimcn cruditionis. Die in der
Schrift behandelte Frage hat den Vf. ,fchon feit dem
Anfang feines theologifchen Studiums lebhaft bewegt'
Die Abhandlung zerfallt in zwei Theile, einen biblifch-
theologifchen (17—54) und einen dogmatifchen (55—150).
Dem neuteftamenthchen Theil fchickt der Vf. eine Erörterung
über die allerdings nicht ganz ohne Willkür
aus der gefammten zeitgenöffifchen Literatur herausgegriffene
Henochapokalypse und 4. Esra, für welche die
Ewigkeit der HöllenftralenfeftftehendeLehre ift, voraus(i7).
In dem erften Theile verfucht Sehr, den Nachweis einer Ent-
wickelung der Gedanken der Apokataflafis von den erften Anfängen
und Ahnungen bis zur vollen klaren Ausbildung (37.
53 — 54). Dafs diefe organifche Entfaltung wirklich dar-
gethan und an der Hand der Quellen belegt worden fei,
iäfst fich nicht behaupten. Zwar ftellt der Vf. die Apoka-
lypfe, in welcher die Apokaft. ausgefchloffen ift (26),
als terminus a quo an den Anfang, um die paulinifche
Lehrweife als die Krone der Entwickelung zu preifen
(40); finden fich doch bei ihm die dicta probantia für die
allgemeine Befeligung in reicherem Maafse vorhanden
(Rom. ii,32; Kor. 15,21—2s; Rom. 8,19-22; Coloff. 1,15—20;
nachpaulinifch Eph. 1,10; I. Tim. 2,4—6; 4,10). Allein
diefe Enwickelung wird durch Stellen durchkreuzt,
die für den Vf. offenbar nachpaulinifch find, aber ent-
fchieden die Ewigkeit der Höllenftrafen vertreten, fo der
Judasbrief (23), der 2. Petrusbrief (35), autor ad Hcbracos
(36—37); im 4. Evangelium finden wir Anfätze zur Wieder-

herftellungslehre io,ig (39—40). Die Conftruction, die
übrigens nicht nothwendigerweife chronologifch gemeint
fein kann, wird vor allem durch das fynoptifche Zeugnifs
Jefu unficher gemacht, da dasfelbe Aussagen in fich fchliefst,
die eher gegen den Univerfalismus der Seligkeit als für
denfelben fprechen. Darum mufs der Apologet feine
exegetifchen Ausführungen mit der etwas allgemeinen
Erklärung abfchliefsen: ,Wenn wir nicht bei den Worten
verweilen, fondern auf die zu Grunde liegenden religiöfen
Ideen und Empfindungen zurückgehen, fo werden wir
innerlich über den Gegenfatz des Dualismus hinausgehoben
' (30). Steht es fo mit dem exegetifchen
Thatbeftand, bekennt der Vf. felbft, dafs die Bibelftellen,
welche die Ewigkeit der Verdammnifs lehren, die überwiegende
Mehrheit bilden (58), fo begreift es fich, dafs
der Schwerpunkt der ganzen Unterfuchung im dogmatifchen
Theil liegt. Denn fchliefslich kommt es auf die
Frage an: .welche Anfchauung ift der reine Ausdruck
des chriftlichen Bewufstfeinsr' (58). Ueberdies ,entfpricht
der weit fortgefchrittenen Geiftesrichtung unfrer Zeit der
Gedanke einer endlichen allgemeinen Erlöfung aller
Menfchen gar wohl'. (II). Zur Beantwortung der dogmatifchen
Frage erörtert der Vf. die Probleme der Prä-
deftination (66—88), des Böfen (88—116) und der menfeh-
lichen Freiheit (117—125). Die Unterfuchung ift zwar
etwas breit, aber mit Sorgfalt und Umficht gefuhrt, und
nicht ohne Gefchick bewegt fie fich in zielbewufstem
Fortfehritt zu dem durch das Herzensbedürfnifs des Vf.
bereits poftulirten Ergebnifs hin. Wollten wir auf Detailfragen
näher eingehen, fo müfsten wir z. B. die Behauptung
, dafs der Prädeftinationsglaube das fittliche Streben
vollkommen aufhebt (73), energifch zurückweifen. Diefe
landläufige Einwendung entfpringt aus einem oberflächlichen
Verftändnifs der betreffenden Lehre und findet in der
Gefchichte der durch den Gedanken Calvin's beherrfchten
Kirchen und Staaten ihre unbedingte Widerlegung. Zu
flüchtig ift der gegenwärtig in vielen Kreifen vertretene
Conditionalismus behandelt, welchen Sehr, faft nur in
der durch Rothe characterifirten Modification (131 f.)
kennt oder berückfichtigt. Auch hätte der Vf. wohl
energifcher betonen dürfen, dafs das ewige Leben derer,
die in Chriftus find, allein Gegenftand unmittelbarer
Glaubensgewifsheit, daher auch Beftandtheil der Glaubenslehre
fein kann. Den Gedanken einer definitiven Selblt-
ausfchliefsung vom Heil hat er, m. E., durch die von
ihm vorgebrachten Gründe nicht abgethan; aber ein
kategorifches Dogma läfst fich nur über das kv Xnioxm
elvai formuliren. Wenn wir alles weitere Fragen und For-
fchen in das Vertrauen auf die Weisheit und Liebe Gottes
zurückbilden und auflöfen, fo werden wir in diefem Gefühle
mit dem Vf. zufammentreffen, auch da wo wir
in der dogmatifchen Beftimmung des Einzelnen ihm
nicht unbedingt zu folgen im Stande find.

Strafsburg i. E. p. Lobftein.

Hoensbroech, Graf Paul von, Der Ultramontanismus. Sein
Wefen und feine Bekämpfung. Ein kirchenpolitifches
Handbuch. 2. vermehrte und verbefferte Auflage.
Berlin, H. Walther, 1898. (XXVIII, 471 S. 8.)

M. 6.—; geb. M. 7.—

Als Ref. die erfte Auflage der obigen Schrift auf-
fchlug, fiel fein Blick auf S. 225, n. 38 — eine Ausführung
über Mafsnahmen zur Bekämpfung des Ultramontanismus,
welche wörtlich auch in der zweiten Auflage zu lefen
fleht: ,An den Hochfchulen müffen Vorlefungen über den
Ultramontanismus gehalten, es mufs ein Katheder für
Ultramontanismus errichtet werden'. Dafs eine folche Forderung
Ausficht auf Erfüllung habe, wird der Verf. an-
gefichts der ihm fo gut bekannten Lage der Dinge im
deutfehen Vaterlande wohl felber nicht glauben. Aber
dem darin liegenden Gedanken, dafs etwas, ja dafs vieles