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Ausgabe:

1901 Nr. 16

Spalte:

445-450

Autor/Hrsg.:

Wendt, Hans Hinrich

Titel/Untertitel:

Das Johannesevangelium 1901

Rezensent:

Baldensperger, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 16.

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find die 4 Engelnamen mit P alle ohne ' gefchrieben,
während fie im Texte ' haben. Kann I, 4 2lv ogog
richtig fein? In der Concordanz ift JStiva {2iva) accen-
tuirt. Was kann es für einen Zweck haben, Solche un-
finnige Worte wie XIV, 18 opos od. XVIII, 7 ra&sv zu
accentuiren! I, 1 konnte notirt fein, dafs der Aeth. xai
nach exXtxzovq hat. I, 2 wird nach ovgavovg keine
Lücke fein, fondern der ganze Satz etwa zu lefen fein
i)v tycov x?)v ögaöiv xov ayiov xaxa xovg ovgavovg 'idEi£,av
fioi 01 ayreXoi äyioi xal ?]xovoa nag* avxcöv navxa. II, 1
find die Differenzen des Griechen und Aethiopen weder
von Fl. noch von Rd. gebucht. VI, 8 ift km vor dexa
überflüffig. VII, 1 ift anfangs der Text nach Synkellos
(u. dem Aeth.) zu lefen: ovxoi xal ot Xoutol xavxsg.
XXIV. 4 hat'fchon Dillmann Sitz.-Ber. 1892, 1090
richtig avxov cootfgdvd-i] (von Rd. nicht mitgetheilt) Itatt
avxco(v) Tjvq>gay&?) gelefen. Dann wird aber mit Jülich er
kurz vorher oi ovöejzoxe ft. o ovöexoxe zu verb. fein.
Darnach ift auch der Text bei Fl. zu corrigiren. Rd.
hat fich die für einen Philologen, aber nicht für einen
Hiftoriker wichtige Jülicher'fche Anzeige von Lods,
le livre d'Henoch in GGA 1895 I 249 ff. entgehen laffen,
auf die ich bei Kautzfeh S. 233 hingewiefen habe. So
hat fchon Jülicher S. 251 XXI, 5 für (piXoöxiEvöeig:
yüooxovöüg vorgefchlagen, auf das jetzt auch Rd. gekommen
ift. Jül. macht S. 252 aufmerkfam auf XXII, 1
Eioxtgsag u. XXII, 2 eioxoxivoi der Hdf, ,wobei das ei
ein provincieller Vorlaut vor ör' fein könnte — es ift
m. E. derfelbe Vorlaut vor Zifchlaut wie X in yi"iTK,
rrercs. rrtfcSK od. i-i--i, UXol, Ih^J, vgl. auch esclavage,
esprit. Rd. erwähnt nur kurz die Thatfache S. 152 unten,
ohne fie für die Characteriftik des Griechifch der Hdf.
S. 149—51 zu verwerthen. Unfehlbar ift natürlich das
griech. Regifter Rd.'s auch nicht. So fehlen für evloytco
z. B. die Stellen XXV, 7. XXVI, I. XXVII, 1. 3. 4 od.
für xaxagäo&ai XXII, 11 u. XXVII, 1. — Doch nun genug
. Wenn Herrn Rd. diefe Ausheilungen eines Theologen
, die ich noch leicht vermehren könnte, zu fchul-
meifterlich find, fo möge er fich das oben von mir feiner
Arbeit mehrfach gefpendete und verdiente Lob wiederholen
, und nicht glauben, ich wollte nur xaxagäö&ai und
nicht evXoysTv.

Strafsburg i. E. Georg Beer.

Wendt, Prof. D. Hans Hinrich, Das Johannesevangelium.

Eine Unterfuchung feiner Entftehung und feines ge-
fchichtlichen Wertes. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
, 19c». (VI, 239 S. gr. 8.) M. 6.—

Die Frage, ob fich in unferem 4. Evangelium nicht
zwei verfchiedene Ueberlieferungen, eine ältere und eine
jüngere, feftftellen laffen, diefe Frage, die feitCh. H. Weiffe
fchon manchen Forfchern bei ihren Bemühungen um das
johanneifcheProblem eine Zeitlang wenigftens einen glücklichen
Ausweg zu bieten Schien, ift von W. aufs neue,
nachdem er fie fchon vor längeren Jahren in feiner ,Lehre
Jefu' behandelt hatte, jetzt in ausführlicher, auch die weiteren
Confequenzen in Bezug auf den Gefchichtswerth
und die Verfafferfchaft der Quelle berückfichtigenden Weife
erörtert worden. Unfer 4. Evangelium fei eine nach-
apoftolifche Bearbeitung einer apoftolifchenUeberlieferung.
Für die Notwendigkeit, die doppelfeitige Stoffmaffe auseinanderzuhalten
, wird eine detaillirte Begründung gegeben
und die für die Ausfcheidung mafsgebenden Kriterien auf
geftellt. Dann werden die alten Stücke durch das ganze
Evangelium hindurch zufammengelefen und die Quelle, fo
weit fie erhalten ift, reconftruirt. Der hiftorifche Werth
diefer Queilenbeftandtheile wird durch einen Vergleich
ihres Inhaltes mit den fynoptifchen Berichten veranschaulicht
. Endlich wird die Möglichkeit und Wahrfcheinlich-
keit der Abfaffung diefer alten Quelle durch den Apoftel
Johannes behauptet.

In einer etwas umftändlichen Weife wird die directe
Unterfuchung der differirenden Bestandteile des Johannesevangeliums
, auf welche es ankommt, vorbereitet durch
einen Vergleich diefes Evangeliums mit den Synoptikern,
durch welchen der Grad feiner Glaubwürdigkeit erkannt
werden foll. Allein das Refultat ift hier in der Hauptfache
ein negatives, da fich in den meiften Puncten Schwere
Bedenken gegen die Berichterstattung des vierten ergeben.
Befonders die Angaben über das Zeugnifs des Täufers
für Jefus, die meffianifchen Kundgebungen Jefu felber und
die Art feiner Wunderverrichtungen find mit der apofto-
lifchen Abfaffung unverträglich. Auch die fpecielle lite-
rarifche Vergleichung giebt keinen feften Mafsftab. Zwar
foll es evident fein, ,dafs wirklich der 4. Evangelift unfere
3 fynoptifchen Evangelien gekannt und verwerthet hat',
aber er kannte fie ,nur von früherem Lefen oder Vorlefen
her', und bei feiner Darfteilung fchoben fich ihm ,Reminis-
cenzen an die verfchiedenen fynoptifchen Darftellungen
durcheinander'. Ueberhaupt aber liegt die ganze Art der
joh. Gefchichtsdarftellung und der Benützung der Synoptiker
in der Richtung der fpäteren fecundären nach-
apoftolifchen Betrachtung, die auch fchon in den älteren
Evangelien mancherorts zur Geltung kommt.

Nichts defto weniger enthält das 4. Evangelium noch
anderen,urfprünglichenStoff,befonders in denRedeftücken,
welcher aus den Aufzeichnungen eines Ohrenzeugen flammen
dürfte, wie denn auch die neuere wiffenfehaftliche
Theologie die Neigung verräth, ,den Apoftel Johannes in
irgend eine Beziehung zu dem feinen Namen tragenden Evangelium
zu bringen, oder doch das Beftehen eines johannei-
fchen Gedankenkreifes längft vor Abfaffung des betreffenden
Evangeliums anzunehmen. Doppelter Art find die
Anzeichen, welche nach W. im 4.Evangelium felbft für das
Benütztfein einer fchriftlichen Quelle fprechen: Differenzen
zwifchen der Anfchauung des Evangeliften und den in
den Reden niedergelegten Gedanken, und Störungen der ur-
fprünglichen Beziehungen und Zufammenhänge der Rede-
ftücke durch den geschichtlichen Context. Ein Hauptkriterium
der divergirenden Strömungen foll darin liegen,
dafs für den Evangeliften der Ton auf die Wunderwirk-
famkeit, auf die orjjiEla Jefu fällt, während in den Rede-
ftücken die Igya, das find die Verkündigungswerke und
die helfenden Liebesthaten, gefeiert werden. Diefen Eindruck
der Zwiefpältigkeit fucht W. zu verstärken durch
die Zufammenftellung vieler (z. Th. fchon von anderen gemachten
) Beobachtungen von Verschiebungen und Störungen
im Text des 4. Evangeliums, fo die Ablöfung des
Stückes 715h von c. 5, die Unordnungen in den Abfchieds-
reden, in dem Abfchnitt 1312—20. In c. 5 und 6 follen die
Erzählungsftücke mit den nachfolgenden Reden Schlecht
harmoniren, da bei der Heilung des Kranken von Bethesda
einestheils nur das Tragen der Bahre, anderntheils in der
Rede Jefu nur das Gefundmachen des Kranken als eine
am Sabbat verbotene Arbeit angefehen werde. In c. 6 aber

j find die völlige Ignorirung des vorangehenden Speifungs-
wunders am Eingang des Redeftückes (Vers30), die Wiederaufnahme
in c. 627 f. von der Vorftellung des sgyd^eö&ai
in c. s und auch der Umftand, dafs in der Rede
c. 6 die Hörer, die nach dem jetzigen Zufammenhang
Galiläer fein müfsten, als Juden bezeichnet werden, Anzeichen
dafür, dafs die Rede vom Lebensbrot in der ur-

i fprünglichen Quelle direct mit dem Redeftück in c.5 verbun-

t den war. Die Loslöfung eines Stückes wie 7i5ff. oder auch
812 f. von 737S oder der Verfe I2mS von I236a. erkläre fich
am heften dadurch, dafs der Evangelift feine Quelle nur
gedächtnifsmäfsig reproducire und dafs er eine Frage der

| Juden oder fonft eine Bemerkung, die in der Quelle nur als
Zwischenbemerkung gemeint war, als den Anfang eines

I neuen Redeftückes anfah. Allerdings ift es dann zu verwundern
, dafs ein Gedächtnifs, das felbft fo ganz unbedeutende
Sätze wie sbisv ovv xäXiv der Quelle fefthielt, auf den
Zufammenhang des ganzen Stückes 715f. und der anderen
gröfseren Partien fich nicht beffer befinnen follte.