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Ausgabe:

1901 Nr. 15

Spalte:

424-426

Autor/Hrsg.:

Erichson, Alfredus

Titel/Untertitel:

Bibliographia Calviniana 1901

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 15.

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gewefen wäre. Uebrigens wird Schmidt mit feiner
Thefe wohl Recht haben. Ich vermag ihr indeffen die
grofse Bedeutung nicht beizulegen, die er ihr zu geben
verfucht. Beachtenswerth in, was über die von jenen
Gnoftikern benutzten Schriftwerke (Apokalypfen) gefagt
wird. Dafs ein Zufammenhang des zweiten koptifch-
gnoflifchen Werkes im Codex Brucianus (f. o.) mit den
Gnoftikern Plotin's befteht, dürfte nunmehr erwiefen
fein. Dankenswerth ift auch die Durchforfchung der übrigen
Schriften Plotin's unter dem Gefichtspuncte etwaiger Bekämpfung
von Gnofticismus oder kirchlichem Chriften-
thum. Ich verweife befonders auf den Abfchnitt über
die Schrift jieqi TtQOvoiag (Enn. 3, 2 u. 3), Leider find
ftiliftifche Unebenheiten nicht ganz feiten. Gleich im
Titel hätte es heifsen müffen: und zum kirchlichen
Chriftenthum.

Von grofsem Intereffe für die Gefchichte der alt-
chriftlichen Literatur, faft noch mehr aber für die
Kirchengefchichte, ift Schmidts an zweiter Stelle genannte
Veröffentlichung. Einer Handfchrift der Parifer
Nationalbibliothek hat Sch. einen fehr werthvollen kopti-
fchen Text entnommen. ,Leider umfafst das betreffende
Stück nur zwei Blätter, die urfprünglich einem Pergamentcodex
c. X—XI. Jahrh. angehörten und der bekannten
Bibliothek des Klofters des Aba Schenoudi bei Sohag
entflammten'. Sch. giebt Text und Ueberfetzung. Wie
er m. E. überzeugend nachweift, haben wir ein Bruch-
ftück aus einem Briefe des 312 Märtyrer gewordenen
Bifchofs Petrus von Alexandrien vor uns, wahrfcheinlich
aus einem Feftbriefe. Unter den Bedenken, die gegen
die Echtheit geltend gemacht werden könnten, hat m. E.
nur das aus der Bezeichnung des Petrus als des .letzten
Märtyrers' herzunehmende wirkliches, aber fchwerlich aus-
fchlaggebendes Gewicht. Darf die Echtheit als gefichert
gelten, fo haben wir eine die kirchlichen Zuftände zu
Anfang des 4. Jh. in mehrfacher Beziehung beleuchtende
Urkunde erhalten. Insbefondere darf auf die Einfchärfung
der Sonntagsheiligung verwiefen werden. Schmidt hat
feiner Ausgabe forgfältige Erläuterungen beigegeben.
Einer gröfseren Abhandlung von Achelis über Petrus
von Alexandrien, die demnächft erfcheinen foll, will er
nicht vorgreifen.

Den Schlufs diefes inhaltreichen Heftes der Texte
und Unterfuchungen bilden einige Bemerkungen von
Stählin zur handfchriftlichen Ueberlieferung des Clemens
von Alexandrien: 1. Cod. Monac. graec. 97 des
Protreptikus des Clemens von Alexandrien, eine Papier-
handfchrift des 15. Jh., ift dem Anfchein nach von
Petrus Victorius, dem erften Herausgeber des Pr., benutzt
worden; da diefe Handfchrift aus dem Cod. Mutin. ab-
gefchrieben, diefer aber aus dem grundlegenden Cod.
Paris. 451 geflohen ift, fo kommt für die Herftellung
des Textes nach wie vor nur der Cod. Paris, in Betracht;
2. die Codd. Par. Suppl. graec. 270, 421, 1000 brauchen
zur Textgeftaltung nicht herangezogen zu werden. Beide
Erkenntnifse find, ihre Richtigkeit vorausgefetzt, für den
Bearbeiter und den Benutzer der künftigen Clemensausgabe
erfreulich.

Giefsen. G. Krüger.

Görigk, Kaplan Emil, Erasmus Manteuffel von Arnhausen,

der letzte katholifche Bifchof von Camin (1521—1544).
Ein Lebens- u. Charakterbild. Braunsberg, E. Bender,
1899. (VII, 41 S. gr. 8.) M. 1.—

Görigk feiert den letzten katholichen Bifchof von
Camin, Erasmus Manteuffel von Arnhaufen, als den letzten
Kämpfer für die alte Kirche in Pommern und als
bedeutenden Kirchenfürften. Ueber diefe Auffaffung wird
man mit ihm rechten dürfen. Nicht als Kämpfer für
die alte Kirche erfcheint uns Erasmus, fondern als Ver-
theidiger feiner weltlichen Hoheitsrechte, die an den Be-

ftand der alten Kirche geknüpft waren; nicht das Idealbild
, fondern das Zerrbild eines geiftlichen Würdenträgers
Hellt er dar. Nicht einen treuen Sohn der römifchen
Kirche lernen wir in ihm kennen, dem das Intereffe der
Kirche an erfter Stelle fleht, fondern einen fchlauen Diplomaten
, der zuerft nach feinem Vortheil fragt. So lange
er mit Hilfe des weltlichen Arms der lutherifchen Neuerung
entgegentreten kann, thut er es ja mit anerkennens-
werthem Eifer; als aber der weltliche Arm verfagt, läfst
er den neuen Glauben dermafsen um fich greifen, dafs
er in den Verdacht gekommen ift, ein verkappter Lutheraner
zu fein.

Gegen diefen Vorwurf nimmt ihn Görigk mit Recht
in Schutz. Wahrfcheinlich hat Erasmus für die grofsen
Fragen, die feine Zeit bewegten, überhaupt kein Ver-
ftändnifs gehabt. Seine Jagdleidenschaft und feine Reve-
nüen — denn dafs Görigk den Erasmus gegen das über-
einftimmende Zeugnifs von vier Forfchern vom Verdacht
der Geldgier durchaus reinigen will, erfcheint mir gewagt
— haben ihn wohl mehr intereffirt.

Dafs Görigk dem Erasmus eine Lebensfkizze gewidmet
hat, ift dankenswerth. Es ift höchft lehrreich, die
Zeit, da das Evangelium in Pommern fiegreich vorwärtsdrang
, auch einmal in katholifcher Beleuchtung zu fehen.
Nur hätte man der Darfteilung mehr Gefchlofienheit gewünscht
. Wiederholt verdunkelt Görigk durch ganz nebenfächliche
Mittheilungen den Gang der Hauptereignifse.
Auch hält er fich nicht frei von Wiederholungen: wenn
er S. 11 fagt, dafs Georg von Pommern dem Volke den
alten Glauben hätte erhalten wollen, fo weifs man das
schon nach den Mittheilungen auf S. 2; S. 16 und 17 berichtet
Görigk über die Verhältnifse nach Georgs Tode
ungefähr dasfelbe. Unklar ift, wer S. 21, Zeile 8 v, u.
unter ,er' zu verliehen ift; doch wohl Erasmus?

Ueber die benutzte Literatur hätte man genauere
Rechenschaft gewünfcht; bei den gedruckten Werken
hätte wenigftens das Jahr angegeben werden follen, in
dem fie erschienen find. Die S.4 Anm. 2 und S. 8 Anm. 1
erwähnten handfchriftlichen Quellen hätten näher cha-
rakterifirt werden follen.

Originell ift, dafs Görigk (S. 10) Luther zum Vorwurf
macht, dafs er in Erasmus' Gegenwart über die ,Oelbifchöfe'
gepredigt habe. Ein Mann fo zarter Rücksichten war
Luther nun freilich nicht; fchwerlich hätte aber auch
im ähnlichen Falle Erasmus auf Luther Rückficht genommen
; das wäre nach Görigks Meinung am Ende
auch wohl nicht nöthig gewefen?

Dafs der Herr Verfaffer fich i. g. einer durchaus ob-
jectiven Darfteilung befleifsigt, foll noch befonders hervorgehoben
werden.

Efchershaufen (Brfchw.). Ferdinand Cohrs.

Erichson, D. Alfredus, Bibliographia Calviniana. Catalogus
chronologicus operum Calvini. Catalogus fyftematicus
operum quae funt de Calvino. Cum indice auctorum
alphabetico. (Ex volumine LIX editionis Brunsvigenfis
operum Calvini [cum additionibus].) Berolini, apud
C. A. Schwetfchke et filium, MCM. (161 S. gr. 8.) M. 3.—

Memoriae Guilelmi Baum, Eduardi Cunitz, Eduardi
Reuss, virorum de Calvino optime meritorum — fo fleht
an der Spitze der Calvinbibliographie zu lefen. Es war
ein Act dankbarer Pietät, dem Andenken der Männer, die
das grofse Werk der Herausgabe der Briefe und Schriften
Calvins im Corpus Refortnaioruin begonnen und weit gefördert
hatten, den Schlufsabfchnitt diefes Werkes, nun da
er in Separatabdruck weiteren Kreifen zugänglich gemacht
wurde, zu widmen. Leider ift diefer Schlufsftein zum
grofsen Werke auch der Schlufsftein der arbeitsreichen
Thätigkeit Erichfons geworden; die Calvinbibliographie
ift das letzte Werk des um die Kirchengefchichte, insbefondere
die Gefchichte der Reformation in Strafsburg