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Ausgabe:

1901 Nr. 15

Spalte:

421-423

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Carl

Titel/Untertitel:

Fragmente einer Schrift des Märtyrerbischofs Petrus von Alexandrien 1901

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 15.

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Auf Apollodor, der von Clemens mehrmals citirt
wird, will der Verf. S. 58 f. den ganzen Abfchnitt über
Homer und fonftige Angaben aus der griechifchen Litte-
raturgefchichte (Str. I 21,117. 131) zurückführen. Das ift
wahrfcheinlich richtig, aber mit der Einfchränkung, dafs
Clemens daneben auch andere Autoren, wie z. B. den
Dionyf., eingefehen hat, vgl. p. 107,7 Dind. In § 139
(Einnahme Trojas) findet der Verf. vorfichtigerweife nur
,Refie apollodorifcher Gelehrfamkeit' (S. 59). Da Clemens
p. 88, 4. u Dind. den Apollodor für Ereignifse vor Trojas
Fall citirt, während Apollodor feine Chronik erft mit
diefem Ereignifs begonnen hat, fo nimmt Chrift mit Recht
die Benutzung eines in der Kaiferzeit erweiterten Apollodor
an (S. 60).

Den Einflufs des Kaftor und Thal los will der Verf.
S. 61—66 an drei Stellen des Clemens, wo affyrifche Syn-
chroniftik vorliegt, nachweifen: 1) Strom. I 21 p. 379
(85, 10 Dind.), doch ift hier die Erwähnung des Ktefias
auffällig; 2) p. 380 (85, ie), wo drei Sikyonifche Könige
erwähnt werden, aber nicht vor den argivifchen, wie bei
Kaftor, fondern neben Phoroneus; 3) p. 381. 382 (An-
fät/.e nach Jahren fchon in der älteften Zeit), freilich
citirt hier Clemens (88,4) den Apollodor (vgl. darüber oben).
Die Vermuthung Chrifts, dafs die bis zum Kaifer Claudius
herabgehende Berechnung (p. 113, 12 Dind.) von Thallos
herrühre (S. 65) ift wahrfcheinlich, wenn diefer identifch
mit dem Freigelaffenen des Tiberius ift (Wachsmuth,
Einl. S. 147, Schürer IIP S. 369); die andere Vermuthung,
dafs bei Clemens p. 111,7 Dind. &QaOvXXoq aus OäXXoq
verderbt fei (S. 65), ift nicht einleuchtend, da wir keinen
Grund haben, dem Thrafyllos den ,Humbug mytho-
logifcher Zahlenangaben' (S. 65) nicht zuzutrauen. Der
Abfchnitt p. 111,5—25 Dind., den Chrift auf Thallos zurückführen
will (S. 66), ift wohl indirect aus Kaftor ge-
floffen, den Thrafyllos benutzt hat.

In dem letzten Abfchnitt ,Grundlagen der vor-
hiftorifchen Zeitangaben'(S. 66—71) werden die ver-
fchiedenen Anfätze der Zeit des Mofes zufammengeftellt
und die Gründe für die Differenzen aufgefucht. Zum
Schlufs (S. 71 f.) fafst Chrift die gewonnenen Refultate
zufammen.

Die Unterfuchungen Chrifts verdienen Beachtung,
denn üe enthalten manche neue Gefichtspuncte, gute Beobachtungen
und treffende Bemerkungen. Der Verfaffer
ift aber mehrfach in den Fehler verfallen, Conjecturen
und Combinationen als gefichert anzufehen, die es ihrer
Natur nach nicht fein können. Daher werden feine Unterfuchungen
mehr durch den Widerfpruch, den fie hervorrufen
, zu weiterer Forfchung anregen, als durch fichere
Refultate diefe und jene Frage abfchliefsen. — Die Cor-
rectur hätte forgfältiger fein müffen; S. 24 find die Fehler
befonders zahlreich, aber auch fonft ift der Lefer öfters
genöthigt, Zahlen und griechifche Worte in den Citaten
richtig zu ftellen.

Jena. Paul Koetfchau.

Schmidt, Carl, Plotin's Stellung zum Gnosticismus und kirchlichen
Christentum.

— Fragmente einer Schrift des Märtyrerbischofs Petrus von
Alexandrien.

Stähl in, Otto, Zur handschriftlichen Ueberli eferung des
Clemens Alexandrinus.

(In: Texte und Unterfuchungen zur Gefchichte der
altchriftlichen Literatur. Herausgegeben von O. v. Gebhardt
und A. Harnack. Neue Folge. Fünfter Band,
Heft 4, der ganzen Reihe XX4.) Leipzig, J. C. Hin-
richs'sche Buchh., 1901. (X, 90, 50 u. 8 S. gr. 8.)

M. 5.—

Herr Dr. Schmidt hatte bereits 1892 bei Gelegenheit
der verdienftlichen Herausgabe der im Codex Bru-

cianus erhaltenen gnoftifchen Schriften (f. d. Befprechung
von Preufchen in diefer Zeitung 1894 Sp. 183 ff,) die Behauptung
aufgeftellt, dafs Plotin's Schrift ecQoq rötJg
rvcoörixovq, die uns als neuntes Buch der zweiten En-
neade überliefert ift, nicht, wie Neander (Ueber die
welthiftorifche Bedeutung des neunten Buches der zweiten
Enneade des Plotinos, in den Abhandlungen der Berl.
Akad., 1843, 299—316) gemeint hatte, gegen den Gnofti-
cismus im Allgemeinen, fondern gegen eine ganz be-
ftimmte Gruppe von Gnoftikern gerichtet fei. Als diefe
Gruppe glaubte er die von Porphyrios in feiner Vita
Plotini cp. 16 als 01 eiEQl AöeXcptov xal AxvXlvov bezeichneten
römifchen Gnoftiker erweifen zu können. In
der vorliegenden Abhandlung verfucht er, den Beweis
für diefe Behauptung bis in's Einzelne zu erbringen, und
verbindet damit eine Unterfuchung über die Stellung
Plotin's zum Gnofticismus und zum kirchlichen Chriftenthum.
Sicher hat er damit ein fehr fruchtbares und befonders
in der weiteren Perfpective, die uns von Schmidt eröffnet
wird, vielverheifsendes Thema aufgegriffen. Was
uns jetzt vorliegt, foll nämlich nur die vorwiegend literar-
gefchichtliche Grundlage für eine grofsangelegte reli-
gionsgefchichtliche Arbeit fein, die nichts Geringeres als
eine umfaffende vergleichende Darftellung der drei grofsen
Religionsfyfteme des 2. und 3. Jahrhunderts, d. h. des
Gnofticismus, des Neuplatonismus und des kirchlichen
Chriftenthums, bezw. ihres Kampfes bezweckt. Richtig
bemerkt Schmidt, dafs uns fowohl eine umfaffende
Darfteilung der antiken Polemik wie der altchriftlichen
Apologetik fehlt. Soll fie wieder in Angriff genommen
werden, fo darf freilich der Betrachter feinen Standpunct
nicht innerhalb des kirchlichen Chriftenthums nehmen,
die Polemik fozufagen im Lichte der Apologetik fehen,
felbftverftändlich auch nicht umgekehrt, fondern der
richtige Standort kann nur über den Parteien genommen
werden, da man nur fo die drei grofsen, mit einander
ringenden Weltanfchauungen richtig würdigen und ab-
fchätzen kann. Aehnlich, wie ich es vor kurzem (f. diefe
Zeitung 1900, Sp. 642 f.) bezüglich der Literaturgefchichte
der Zukunft ausgeführt habe. Zahlreiche, durch die
Arbeit verftreute Bemerkungen zeigen, dafs Schmidt
das Zeug dazu hat, diefen hohen Standpunct einzunehmen.
Wohlthuend ift auch der wiederholte Hinweis darauf,
dafs es gelten wird, mehr als bisher das Perfönliche und
Menfchliche, das im Kampf um die Weltanfchauung eine
fo grofse Rolle fpielt, zu betonen und demgemäfs auch
in der Darftellung zum Ausdruck zu bringen. Richtig
heifst es bei gelegentlicher Erwähnung der jüngft in der
Zeitfchr. f. Theol. u. Kirche erfchienenen Abhandlung
von Schüler über die Vorftellungen von der Seele bei
Plotin und Origenes, dafs fie ,an lebendiger Anfchauung
gewonnen haben würde, wenn der Verfaffer das perfönliche
Element der (?) beiden grofsen Denker und Zeit-
genoffen ftärker betont hätte1. Wer Dorners Dogmen-
gefchichte kennt, hat ein abfchreckendes Beifpiel dafür,
wie man's nicht machen foll, zur Hand. Umgekehrt mögen
Euckens Lebensanfchauungen der grofsen Denker vorbildlich
fein. Schmidt felbft fieht Menfchen und Dinge
offenbar plaftifch. Vielleicht thut er gelegentlich des
Guten zu viel. So wenn er von Amnionius Sakkas
fchreibt (S. 10): ,In A. trat ihm (nämlich Plotin) ein
originaler Denker, ein untadeliger Charakter und ein
religiöfer Menfch entgegen, dem jede Pedanterie, jeder
Gelehrtendünkel und jedes fophiftifche Gezänk fremd
waren.' Sehr fchön gefagt, aber woher weifs Schmidt
das? Auch in den Ausführungen über Plotin's Leben
und Art ift ein Zuviel zuweilen bemerkbar. Ich will
aber nicht darüber fchelten, denn es ift fehr viel beffer
als dafs Gegentheil. Schade, dafs Schmidt, vielleicht
weil er eine abweichende literargefchichtliche Thefe verfocht
, Neanders vorzügliche Abhandlung, die bei diefem
! Anlafs kennen gelernt zu haben ich befonders dankbar
J empfinde, nicht fo würdigt, wie es m. M. n. angemeffen