Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1901

Spalte:

413-415

Autor/Hrsg.:

Hollmann, Georg

Titel/Untertitel:

Die Bedeutung des Todes Jesu 1901

Rezensent:

Jülicher, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

413

Theologifche Literaturzeitung. 190t. Nr. 15.

414

lichkeiten bieten, mag ja Lohr nicht anerkennen. Immerhin j fuchung über das, was uns unfere evangelifchen Quellen
hätte er dem Laien von den hier vorliegenden Schwierig- als die Auffaffung Jefu von der Bedeutung feines Todes
keiten etwas andeuten müffen. Er aber läfst noch getroft . erkennen oder doch errathen laffen, war längft erwünfcht;

Gen. 14 als Reflex der grofsen elamitifchen Machtent
faltung um 2300 aufmarfchiren!

Dementfprechend ift das, was uns als Abrahams
höhere Gotteserkenntnifs vorgelegt wird (S. 17). Ein
rechtes Bild vom Fortfehritt auf Mofes hin ergiebt fleh
da nicht recht. Bei Mofes wird behauptet, dafs der
Aufenthalt in Aegypten von Niemand mehr in Zweifel
gezogen wird. Das ift falfch (vgl. Winckler, Gefchichte
Israels L), wie es auch falfch ift, dafs Rüben im Segen

der Hallenfer Privatdocent Hollmann hat fleh mit der
vorliegenden Arbeit als auch fo fchwierigen Aufgaben
gewachfen erwiefen. Die mit wenigen Ausnahmen gut
gefchriebene Abhandlung ift gefchickt disponirt; nach
einer kurzen Einleitung behandelt Theil I (S. 4—50i die
Vorfragen, 1) ob wir überhaupt noch Jefu Meinung in jener
Frage feftftellen können, 2) ob Jefus feinen gewaltfamen
Tod im Voraus als nothwendig erkannt hat, und 3) ob
er dann feinem Tode eine befondere Bedeutung beimeffen

Mofes nicht mehr erwähnt wird S. 51 vgl. Dt. 33, 6). mufste. Nachdem der Verf. alle 3 Fragen bejaht hat,
Auf Mofes foll der Dekalog in feiner Urgeftalt zurück- , tritt er in die Hauptunterfuchung S. 51 —158 (der Schlufs

gehen. Die Vertreter diefer Auffaffung find den Beweis
dafür bisher fchuldig geblieben. Wir haben gar kein
Recht, andere Gefetze in Maffe Mofes abzuerkennen und
nun einfach vor dem Dekalog Halt zu machen, ihn nach
Abfcheidung unbequemer Zufätze für Mofes zu retten.
Auch hier ift es doch im letzten Grunde ein, wenn auch
unbewufstes, Zurückweichen vor der allgemein herrfchenr
den populären Anfchauung; als ob der Dekalog irgend

158 — 160 fafst die Ergebnifse noch einmal knapp zu-
fammen) ein; auch fie zerfällt in 3 Capitel: 1) Bedeutung
der .Schrift' (namentlich von Jef. 52, in—53.12) für den
Inhalt des Todesgedankens Jefu, 2) der 7.t>Tpoi>-Spruch
Mc 10, 45 = Mt 20, 28 — feltfamerweife werden dem
Lefer die Stellen der Evangelien nur nebenbei genannt —,
3) das Abendmahl. H. glaubt erwiefen zu haben, dafs
Jefus, der von Jef. 53 fo gut wie unberührt erfcheint,

etwas an Bedeutung gewönne oder verlöre, wenn er ■ feinen Tod nicht unter dem Gefichtspuncte der Sühne
Mofes abgefprochen, einer anderen Zeit und Perfönlich- für die Sünden Anderer betrachtet, dafs aber die Xvxqov-
keit zugefchrieben wird. Lohr meint zwar (S. 34), dafs Stelle wie feine Abendmahlsworte die Richtung, in der
es keinen anderen Zeitpunkt in der ganzen israelitifchen er die Bedeutung feines Todes fand, deutlich erkennen
Gefchichte gab, in dem ein Gedanke von fo fchöpferifcher laffen. Jefus weifs, flafs fein Sterben kein Unglück ift,
Kraft wie der ,Ich bin Jahve dein Gott; du follft nicht fondern Heil bringt, indem Viele, die für das Gottesreich
andere Götter haben neben mir', hätte ausgefprochen zu gewinnen ihm durch fein Lebenswerk nicht gelungen
werden können als hier am Sinaj. Aber die Forfcher j war, nun durch feinen Tod zur Bufse, der Vorbedingung
felbft wiffen — und fie füllten nicht die Meinung vom , für alle Seligkeit, veranlafst werden: auf welche Weife,
Gegentheil bei dem Nichtfachmann erwecken —, dafs bezw. nach welcher Theorie, bleibt von feiner Reflexion

wir die Gefchichte Israels nicht fo genau kennen, nie
kennen werden, dafs man fo etwas behaupten dürfte.
Aufserdem, wer fagt denn, dafs der Gedanke hier zuerft
ausgefprochen ift; dafs nicht vielmehr der Dekalog eine
Zufammenfaffung prophetifcher Gedanken ift? Wenn auf
Grund von Ex. 3, 14 (S. 30 Anm.) gefagt wird, für Israel
war Jahve der Seiende, fo waren das die anderen Götter
für die anderen Völker auch. Aufserdem follte man eine
folche Etymologie einer Quelle nicht fo glatt als Ge-
fammtmeinung Israels hinftellen.

Mancherlei wäre noch zu erinnern, fo z, B. die
Meinung, dafs Gen. 49, 3 f. Num. 6. 16 (Kämpfe Rubens)
fleh auf Kämpfe in Kadefch beziehen foll (S. 39), oder
dafs der ,Bluthund' Jehu (S. 90) ein hervorragender Herrfcher
genannt wird, oder dafs Juda unter Ahaz recht
glückliche Tage verlebte (S. 115, als ob der fortdauernde
Tribut an Affur es dazu hätte kommen laffen können).
Es fei hiermit genug. Nur auf eins möchte ich noch
hinweifen. Verwunderlich ift es mir in höchftem Grade,
dafs Lohr bei der Sanheriberzählung die verfchiedenen (3)
fleh einander ausfchliefsenden Erzählungen des alten Tefta-
mentes (2. Reg. 18, 13 ff.) noch wieder mit einander zu
verfchmelzen fucht. (S. 117 f.). Das geht wirklich nicht
an, ebenfowenig wie es wohl angehen wird, gegenüber

ausgefchloffen.

Die Art, wie H. die Sachen anfafst, fein Urtheil im
Grofsen wie im Einzelnen und feine Beweismethode zeigen
in angenehmer Verbindung gute Schulung, Tact und
Selbftändigkeit. Bisweilen tritt er zu fleher auf; fo viel
wie er annimmt, z. B. S. 29, 132h, dürfte nicht ,feftftehen'
und im Ton der Polemik vergreift er fleh S. 113 gegenüber
Holtzmann, S. 132 n. 2 gegenüber Wellhaufen;
29 n. 5 konnte ein Wahrheitsmoment in einem Ausfpruch
Kähler's auch von H.'s Standpunct aus zarter herausgefühlt
werden. Aber im Allgemeinen wird man von feinen
Auseinanderfetzungen mit anderen Forfchern, Kühl und
Seeberg, Haupt und Holften, Blafs und Spitta befriedigt
fein; gegen den Verdacht einer Ja-Nein-Theologie ift er
gefchützt. In I 1 ift mir fein Proteft gegen einen übertriebenen
Skepticismus in Leben-Jefu-Fragen fympathifch:
auch I 2 verficht er eindrucksvoll die Thefe, dafs Jefus
von feinem Untergang nicht überrafcht worden ift, und
die weitere Forderung in I 3, dafs Jefus fleh diefes Ende
irgendwie mit feinem Beruf, feiner einzigartigen Stellung
vermittelt haben müffe, wird man fchwerlich ablehnen
können. Nur fo .abenteuerlich' wie H. S. 49 findet, ift
der Zweifel an dem Meffiasgedanken als constituirendem
Factor im Bewufstfein Jefu doch wohl nicht, und fo leb-

der in diefem Punkten beachtenswerthen Ausführung von haft ich die Zurückweifung Wünfche'fcher Conftructionen
Winckler in feiner Gefchichte Israels II an dem herkömm- über den leidenden Meffias der jüdifchen Theologie billige,
liehen Bilde von der grofsen Ausdehnung des davidifchen kann ich die Sache doch noch nicht für erledigt halten.
Reiches feilzuhalten, wie es Lohr S. 74 thut. Doch ver- j Ich würde hier eine vorflehtige Unterfcheidung zwifchen
muthe ich, dafs Winckler, als die Vorträge Lohrs heraus- Leiden und Sterben vornehmen; der Gottesfohn, der das
kamen, noch nicht gedruckt vorlag. Leiden, das Verzichten als zum Beruf der Gotteskinder

Druck und Ausftattung find lobenswerth. Von Druck- gehörig erkannt hatte, fand den Fortfehritt zu dem Ge-
fehlern ift mir nurS.99 Regierung ftattNegierung aufgefallen.

Bonn. Meinhold.

Hollmann, Priv.-Doz. Lic. Dr. Georg, Die Bedeutung des

Todes Jesu nach feinen eigenen Ausfagen auf Grund
der fynoptifchen Evangelien. Tübingen und Leipzig,
J. C. B. Mohr, 1901. (VII, 160 S. gr. 8.) M. 3-5°
Eine um alle dogmatifchen Vorausfetzungen und
Confequenzen unbekümmerte rein hiftorifche Unter- ! I, 24 den Verf. auch vor feiner m. E. ganz unhaltbaren

danken des Sterbenmüffens nicht zu fchwer: Stellen wie
Lc 14,26ff. durften in diefer laut S. 3 auf breitefte Bafls
geftellten Unterfuchung nicht unbefprochen bleiben. Die
Fehler feiner Vorgänger haben H. veranlafst, von der
paulinifchen Theologie keine Notiz zu nehmen, aber die
Paulusftellen, in denen die jcadi'jjiaxa oder die d-Xiipsig
des Meffias genannt werden, dürfen wir in einer Unterfuchung
über das jüdifche Meffiasbild der Zeit Jefu nicht
ignoriren; vielleicht hätte intimes Nachdenken über Col.