Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1901

Spalte:

18-20

Autor/Hrsg.:

Stieve, Felix

Titel/Untertitel:

Abhandlungen, Vorträge und Reden 1901

Rezensent:

Trefftz, J.

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

17

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. I.

KS

werk' verworfene Deutung von Gen. 3, 15 auf Maria ur-
fprünglich felbft vertreten hat (W. A. VI 514, VII 331).
Bei der Polemik gegen die Gnadenlehre des Thomas von
Aquino (S. 162) ift beffer an Beeinflufsung durch Luther's
Antilatomus, den Mel. weiterhin (S. 210) auch nennt, zu
denken als an den Galaterbriefcommentar, den K. anführt
(cf. W. A. VII io6ff; Luther definirt die gratia als
favor dei und unterfcheidet von ihr die fides als donum;
genau fo in z. T. wörtlicher Anlehnung Mel.).
Vermuthen möchte ich, dafs S. 223 die Beurtheilung der
Fehltritte der Heiligen veranlafst wurde durch die Streitfrage
über die Verbindlichkeit der Gelübde; gelegentlich
ihrer ift es zur Sprache gekommen, wie die Abweichung
der Heiligen, denen man den Befitz der fidcs zugeftehen 1
mufste, vom rechten Wege zu erklären und zu beurtheilen
fei (cf. u. a. W. A. VIII S. 326). Die Löfung war die, welche
Mel. bietet: Nonnunquam sanctis cripit dcns spiritum. Ja,
wenn die Datirung des Briefes Corp. Ref. I Nr. 154 auf
Anfang December 1521, an der K. (S. 47) auch jetzt noch
fefthält, richtig wäre, dann wäre directe Abhängigkeit von
Luther's de votis monasticis möglich, in welcher Schrift
jene Frage eingehend behandelt wurde, (cf. W. A. VIII 603,
617, 622). In dem Urdrucke der loci fleht nämlich die
betr. Stelle am Schlufse des Bogens P; diefer wäre Anfang
December gedruckt (Kolde S. 47), unmittelbar vorher
wird Mel. das Manufcript von de votis monasticis von
Spalatin erhalten haben, (cf. Enders a. a. O. III 252fr.).
Aber diefe ganze Combination fcheitert m. E. an dem
Datum des Briefes C. R. I Nr. 154; die Gründe Boffert's
(Stud. u. Krit. 1897 S. 322 fr.) für das Datum ,kurz nach 20.
November'find m. E. durchfchlagend; damals aber kannte
Mel. de votis monasticis noch nicht. — In Beilage I,
Melanchthon's Baccalaureatsthefen von 1519 ift die Mis-
celle O. Clemens in Stud. u. Krit. 1897 S. 819!. überfehen
worden; Clemen wies dort einen gleichzeitigen Einblattdruck
diefer Thefen nach. In Thefe 13 hat Kawerau das
räthfelhafte sine eicotibus als Ueberfetzung von avtv
dxÖTmv inzwifchen treffend erklärt (Ref. Gefch.2 S. 18);
das sine eicotibus entfpricht dem citra rationem in Thefe
12. — Dankbar wird die Hinzufügung der Seitenzahlen
der Weimarer Ausgabe zu denen der Erlanger in den
Luthercitaten empfunden werden. (S. 197 Änm. 1., 210
Anm. 1., 223 Anm. 2, 229 Anm. 1 ift das Hinzufügen ver
geffen worden, S. 36 Anm. 2 lies in dem Citate aus Strobel:
224). — Ueber den Römerbriefcommentar des Cod.
GotJianus 973 (cf. S. 45 f.) werden wir bald Auffchlufs erhalten
; meine Vermuthung, dafs er zu den Ficker'fchen
Funden gehören würde, hat der Entdecker mir gütigft
beftätigt. Es handelt fich um die Nachfchrift des Textes,
den Luther in der Vorlefung vortrug.

Kolde's Ausgabe der loci ift bereits unentbehrlich
geworden; möchte die im Vorworte ausgefprochene
Hoffnung, dafs das Buch auch in der neuen Geftalt zu
den alten Freunden neue gewinnen möge, reichlich in
Erfüllung gehen!

Giefsen. W. Köhler.

Bernus, Augufte, Theodore de Beze ä Lausanne. Lausanne,
G. Bridel& Co.. 1900. (112 S. 8.)

Mit feiner Berufung als Profeffor für griechifche
Sprache an die Academie zu Laufanne 1549 fchliefst für
Beza die Jugendzeit und die Periode unftäten Wanderns
ab; während feiner nahezu neunjährigen Wirkfamkeit in
der Waadlandftadt reifte er heran zu dem Manne, der
djieologien erudit, sans grandc originalite, il est vrai, mais
defendant avec habilete et poptdarisant la doctrine de son
maitre Calvin1- (S. 6) zu Calvin etwa diefelbe Stellung
einnahm wie Brenz zu Luther. Hier in Laufanne begann
Beza feine Pfalmenüberfetzung, hier entftand fein Drama !
Sacrifice d'Abraham, feine Satire Passavantius, die Spott- |
fchnft gegen Cochlaeus, die Schutzfchriften für Calvin in
Sachen des Prädeftinationsftreites gegen Bolfec und des J

obrigkeitlichen Rechtes der Ketzerbeftrafung aus Anlafs
der Verbrennung Servets, und von hier aus unternahm er
feine drei Reifen an die deutfehen Fürftenhöfe zu Gunften
der bedrängten Waldenfer, die ihm feiner Unionspolitik
wegen den Zorn der Berner und Züricher eintrugen. —
Alles diefes, und was etwa fonft an perfönlichen Zügen
für den Laufanner Aufenthalt aus Schriften und Briefen
Beza's zu entnehmen war, ift in vorliegender Skizze, einer
erweiterten Vorlefung a la seance d'ouverture des cours
de la Faculte de theologie de l'Fglise libre du canton de
Vaud, Herbft 1899 (auch in der Liberte chretienne Jahrgang
1900 veröffentlicht) zu einem lebensvollen Bilde
zufammengeftellt worden. Ausdrücklich find nur helle
i Farben verwerthet, die oben genannten dogmatifchen
Schriften Beza's werden nur .en passant (S. 59) erwähn?.
Gegenüber den ausführlichen Darftellungen in Baum's
und Heppe's Biographien hat die Darftellung von B. den
Werth einer knappen einheitlichen Zufammenfaffung, ohne
Neues bieten zu wollen. Werthvoll find, da Baum und
Heppe hier nicht durchweg zuverläffig find und Choify
in dem Artikel der R. E. (3II S. 677 ff.) darauf nicht eingehen
konnte, die in den Anmerkungen untergebrachten
bibliographifchen Notizen, (cf. z. B. S.43 die auf O. Douen:
Clement Marot et le psautier huguenot 1878 ruhende Notiz
über den erften Druck der completen Pfalmenüberfetzung
von Marot und Beza; dazu Baum S. 184). Glücklich ift
auch die Vermuthung, dafs der opp. Calv. XIV S. 145
mitgetheilte Brief Calvin's an Salmonius Macrinus gerichtet
fei, nur wäre eine kurze Begründung in einer Anmerkung
erwünfeht gewefen. So fehr mit Recht in dem
Effay an Anmerkungen gefpart wird, hier, wo Neues gebracht
wurde, durfte eine Notiz nicht fehlen. Die Begründung
liegt einmal darin, dafs die Andeutungen jenes
Briefes vortrefflich auf Macrinus paffen, fodann darin, dafs
Beza, wie er felbft fagt (cf. Baum I S. 155), einen Brief
von ihm um jene Zeit erhalten hatte — das wird eben der
Brief gewefen fein, den Calvin in feinem Briefe erwähnt.
Auch die von Baum (S. 354) abweichende Mittheilung,
dafs Beza fich freiwillig anbietet nach eingereichtem Ent-
laffungsgefuch bis Martini noch in Laufanne zu bleiben
(nach Baum wird er gebeten), fähe man gern begründet.
(Der Herr Verf. wies mich auf Anfrage hin gütigft auf
opp. Calv. XVII S. 313, eine Stelle, die in der That für
feine Auffaffung fpricht).

Das anregend gefchriebene Büchlein ift mit drei Porträts
Beza's und einem forgfältigen Namenregifter gefchmückt.

Giefsen. W. Köhler.

Stieve, Felix, Abhandlungen, Vorträge und Reden. Mit dem

Porträt des Verfaffers. Leipzig, Duncker & Humblot,
1900. (XII, 420 S. gr. 8.) M. 8.40; geb. M. 10.40

Als Felix Stieve am 10. Juni 1898 der Wiffenfchaft
für immer entriffen wurde, war er gerade an einem Wendepunkte
in feiner Entwickelung angelangt. Hatte er bisher
fich vorwiegend als Herausgeber und Darfteller auf
dem Gebiete der Gefchichte des 16. und 17. Jahrhunderts
bethätigt, fo wollte er von nun an fich der Bearbeitung
gröfserer Zeiträume, der Löfung weit- und volksgefchicht-
licher Probleme zuwenden. In erfter Linie fchwebte ihm
eine umfaffende Monographie über Wallenftein vor, weiter
gedachte er fich der Culturgefchichte zu widmen, die ihn
fchon längft gefeffelt hatte. Alle diefe Pläne wurden
durch feinen Tod vereitelt, der um fo bedauerlicher wirken
mufste, als fich die Gefchichtswiffenfchaft von dem hingebenden
Eifer und der grofsen Begabung des tüchtigen
Forfchers gewifs noch manche reife Frucht hätte ver-
fprechen dürfen. Mit um fo gröfserer Freude wird daher
■ die vorliegende Sammlung der Abhandlungen, Vorträge
und Reden Stieve's begrüfst werden, die als ein lite-
| rarifches Denkmal für den früh Gefchiedenen angefehen
werden darf. Ihre Entftehung verdankt die Sammlung
I der aufopferungsvollen Thätigkeit der Witwe des Ver-