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Ausgabe:

1901 Nr. 13

Spalte:

368-371

Autor/Hrsg.:

Busch, Richard

Titel/Untertitel:

Die messianische Weissagung in der Schule 1901

Rezensent:

Fay, Friedrich Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 13.

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wickelung das 2. Hauptftück mit Luthers Erklärung
zu Grunde, fo jedoch, dafs er in die Behandlung des
1. Artikels die Befprechung des 1. Hauptftückes (13—24),
in die des 2. Artikels eine Erörterung der 3 Aemter
Chrifti, und bei der prophetifchen Wirkfamkeit des Herrn
die Befprechung des 3. Hauptftückes (28—38), dann eine
Darlegung der Heilsbedeutung des Leidens und Sterbens
Jefu, der Erlöfung, Verföhnung, Sühne, Höllenfahrt,
Auferftehung und Himmelfahrt Jefu (39—45), in die des
3. Artikels eine Darlegung der Gnadenmittel (Wort
Gottes und Sakramente) einflicht.

Wir halten die Anlage nicht für glücklich. Die
Zertrennung der Erklärung Luthers, die anorganifche
Einfchachtelung des 1. 3. 4. 5- Hauptftückes, auch der
öftere Mangel an didaktifcher Vorbereitung find nicht
wohlgethan und richten Verwirrung an. Der Verfaffer
hat es auf ein fyftematifches Lehrganzes abgefehen; das
eben vermifst er fchmerzlich in Luthers Werk, und ift
auch in anderer Beziehung der Meinung, dafs wir aus
den Kinderfchuhen, den Anfangszeiten der Reformation,
wie fie im Kleinen Katechismus vorliegen, herausge-
wachfen feien. Nun ift gewifs niemand zu hindern, ein
volksthümliches Syftem der Dogmatik und Ethik, etwa
im Anfchlufs an das ,Syftem der chriftlichen Lehre' von
C. J. Nitzfeh zu verfaffen, es in Fragen und Antworten,
vielleicht mit gelegentlicher Benutzung von Luthers Werk,
zu zerlegen, und eine derartige Arbeit hat gewifs für
Viele einen grofsen Nutzen. Allein den Kleinen Katechismus
laffe man in Frieden. B.'s Behandlung und
Beurtheilung des Kl. Katechismus beruht auf einer Verkennung
feines hohen Werthes; er vermifst darin nach
Nitzfeh den einheitlichen fyftematifchen Bau und über-
fieht, dafs diefer angebliche Mangel ein unvergleichlicher
Vorzug ift. Das wenigftens haben wir doch aus den
katechetifchen Arbeiten der letzten Jahrzehnte gelernt,
dafs, wie Gottfchick es fo trefflich nachgewieien hat,
das ganze Chriftenthum in den drei erften Hauptftücken,
jedesmal von einer anderen Seite aus, zur meifterhaften
Darfteilung kommt, und dafs diefe Darftellung ihren
unvergänglichen Werth darin hat, dafs Religion, nicht
Theologie, darin das Wort führt. B. dagegen will den
Lefern eine populäre Theologie geben, und er giebt
feine eigenthümliche Vermittelungstheologie bis hin zu
dem unevangelifchen Satz, dafs wir (S. 201) um des
Glaubens willen (? per fidem propter ChristumX) gerechtfertigt
werden. Es widerftrebt mir um des verehrungsvollen
Andenkens an den entfchlafenen Verfaffer
willen, im Einzelnen meinen Diffenfus von der vorgetragenen
Theologie zu notiren und zu begründen; doch
meine ich nicht verfchweigen zu dürfen, dafs das Ganze
auch in formeller Beziehung nicht den Eindruck forg-
fältiger Abwägung hinterläfst. Zur Illuftration diene
Frage 8, wo aus dem Eingang der zehn Gebote: ,ich
bin der Herr, dein Gott' entwickelt wird, dafs ,ich/ die
Perfönlichkeit Gottes, ,bin' die Wirklichkeit Gottes, ,der
Herr1 die Erhabenheit Gottes und fein Recht zu gebieten
und zu regieren bezeichne, denn Jahve fei: der Ewige =
der unbedingte Herr. S. 27 wird behauptet, dafs erft
Jefus aus einer Unfumme von Einzelheiten das Doppelgebet
der Liebe herausgegriffen und auf hohen Leuchter
geftellt habe, S. 28: dafs erft die Reformirten im 16. Jahrh.
die (römifche) Zählung der Gebote, und zwar mit vollem
Recht, verändert, S. 33: dafs die ,katholifche Kirche' das
Bilderverbot ausgelaffen habe, weil fie demfelben gegenüber
kein gutes Gewiffen gehabt. In beiden Fällen
fchliefsen fich bekanntlich die Reformirten der orientali-
fchen Kirche an; gleichwohl läfst B. Fr. 15 die Begründung
des 2. reformirten Gebotes fort, um fie mit
Luther am Schlufs der Gebote (Fr. 24) nachzuholen mit
der Bemerkung, in der Bibel flehe fie gleich nach dem
erften Gebot. — Doch ich breche ab. Es würde mir
eine grofse Freude gewefen fein, wenn ich mit gutem
Gewiffen dies Buch hätte empfehlen können. Das Ge-

dächtnifs des edlen Verfaffers, dem die evangelifche
Kirche fo viel zu verdanken hat, wird jedoch durch meine
Kritik, wie ich hoffe, nicht beeinträchtigt werden.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Kautzsch, Prof. D. Emil, Bibelwissenschaft und Religionsunterricht
. Sechs Thefen. Halle, E. Strien, 19/00. (67 S. 8.)

M. 1.—

Vollmer, Lic. Hans, Vom evangelischen Religionsunterricht

an höheren Schulen. Unter Mitwirkung von Prof. Lic.

Adolf Metz, Prof. Dr. Heinrich Rinn und Dr. Friedrich

Seyring herausgegeben. Tübingen, J. C. B. Mohr, 1900.

(VII, 52 S. gr. 8.) M. i.-

Busch, Sem.-Lehr. Richard, Die messianische Weissagung in

der Schule. Mit Benützung der Kautzfch'fchen Textbibel.

Eine Handreichung für Religionslehrer. Tübingen, J.

C. B. Mohr, 1901. (VII, 87 S. gr. 8.) M. 1.25

I. Die erfte der drei vorliegenden, auf den Religionsunterricht
in der Schule bezüglichen Schriften ift aus
einem Vortrage hervorgegangen, welchen der durch feine
Ueberfetzung des Alten Teftamentes rühmlichft bekannte
Verfaffer am 12.Juni v.J. zu Halle a. S. in der ,Evange-
lifchen Vereinigung für die Provinz Sachfen' gehalten hat.
Die äufsere Form des Vortrages ift ,abgeftreift'. Die
Anordnung des Stoffes ift beibehalten, an Stelle der
Ueberfchrift aber jedem Abfchnitte eine Thefe voraus-
gefchickt, ,deren Begründung der nachfolgende Text gewidmet
ift'. Von diefen fechs Thefen find die drei erften
principieller Art, während die drei anderen die ,praktifche
Nutzanwendung'auf den verfchiedenenStufen desReligionsunterrichtes
geben. Der Gedankengang ift diefer. Zunächft
wird der ,Nothftand' feftgeftellt, den ,die von Tag zu Tag
fich vergröfsernde Kluft zwifchen den wirklichen — nicht
blofs angeblichen — Refultaten der Bibelwiffenfchaft einer-
feitsunddem landläufigen Betrieb des Religionsunterrichts
auf allen Stufen anderfeits begründet' (Th. 1). Diefer
Nothftand, deffen Vorhandenfein in den Erläuterungen
zur erften Thefe fchlagend nachgewiefen wird (S. 4—23),
kann nur dann in der richtigen Weife gehoben werden,
wenn man von dem Gedanken ausgeht, dafs ,die fogenannte
biblifche Kritik niemals Selbftzweck, fondern immer nur
Mittel zum Zweck' ift, das dazu dienen foll, fowohl das
,Verftändnifs des Schriftinhalts im einzelnen', als auch
anderfeits das ,Verftändnifs der Offenbarungsgefchichte im
ganzen' zu fördern (Th. 2). Wie das gemeint ift, wird
klar durch den Hinweis auf die verfchiedenen Schöpfungsberichte
1. Mof. 1 und 2, fofern es fich um das ,Ver-
ftändnifs des Schriftinhalts im einzelnen' handelt, fowie
auch durch Anführung der Doppelerzählung von dem
Bekanntwerden Sauls mit David in 1. Sam. 16, 196". und
l7i 55 (S- 25—27)- Für das ,Verftändnifs der Offenbarungsgefchichte
im ganzen' werden I. Sam. 26, 19 undjef. 1, uff
angeführt, deren Behandlung dazu dienen wird, einerfeits
über Heno- und Monotheismus, anderfeits über die Stellung
der Propheten zum Opfer fich zu verbreiten. Wenn fo
wirkliches Schrift- und Offenbarungsverftändnifs fchon
durch den Religionsunterricht geweckt wird, fo find auch
für die Gemeinde (S. 32—34) ähnliche fegensreiche Früchte
zu erwarten, wie fie Cheyne's Jeremias-, Smiths Jefaja-
predigten und gewifs auchKittel's Jefajapredigten gezeitigt
haben. Aus feiner eigenen Erfahrung fpricht der Verf.
von einem Vortrage über ,das Gefetz Mofes', den er im
ev. Arbeiterverein in Halle gehalten habe. Die fchlichten
Leute merkten wohl, dafs eine ,chriftliche Perfönlichkeit'
zu ihnen fprach, die, wenn fie ihnen die Ergebnifse der
Bibelwiffenfchaft mittheilte, nicht von ,Luft am Zerftören
des überlieferten Glaubens' geleitet wurde. Gerade dies
wird nun in Thefe 3 mit vollftem Rechte hervorgehoben,
! wenn es da heifst: ,Die Gefahr einer Verwirrung der Ge-