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Ausgabe:

1901 Nr. 13

Spalte:

365-366

Autor/Hrsg.:

Drews, Paul

Titel/Untertitel:

Christus unser Leben. Predigten. Zweiter Band 1901

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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365

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 13.

366

Drews, Prof. D. Paul, Christus unser Leben. Predigten.
Zweiter Band. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht,
1901. (IV, 196 S. gr. 8.) M. 2.60; geb. M. 3.20

Dem erften Bande feiner Predigten :,Chriftus unfer Leben'
vom Jahre 1894 (vgl. Th. Lit.-Ztg. 1894, Sp. 475 f.) hat der
Verfaffer nach heben Jahren einen zweiten Band unter dem-
felben Titel folgen laffen. Der erfte Band erfchien, als der
Verfaffer das feitherige Pfarramt mit einer Profeffur in Jena
vertaufchte, der zweite, als der Verfaffer von Jena nach
Giefsen überfiedelte. Beide Bände find Abfchiedsgaben
und Antrittsgaben zugleich. Die Charakteriftik, die ich
vom erflen Bande zu geben verfuchte, ift auch auf den
zweiten anwendbar. Vor Allem ift der Titel für den
Inhalt bezeichnend; in jeder Predigt wird er gerechtfertigt.
Die Sprache ift ungemein frifch, natürlich, frei von aller
Kanzelphrafe und allem fteifen Kanzelton, ohne doch
der Kanzel unangemeffen zu fein. Ein aggreffiver Zug
gegen Sünde, Irrthum und falfche Frömmigkeit ift vor-
herrfchend; mit reichlicher Individualifirung werden verderbliche
Zeitftrömungen, alte und neue, das religiöfe und
fittliche Leben vernachläffigende, fchwächende, vergiftende
Beftrebungen und Anfchauungen beim rechten Namen genannt
und in ihrer Verkehrtheit und Tragweite aufgewiefen,
um ihnen gegenüber Chriftus als den Weg, die Wahrheit
und das Leben zu verkünden. Alle widerchriftliche Lehre
zu widerlegen, ift die Kanzel nicht der Ort; der Prediger
mufs hch in den meiften Fällen mit ernfter Zurückweifung
begnügen. Ob es jedoch wohlgethan ift, auch naheliegende,
eine Beantwortung dringend heifchende Fragen vor der
Gemeinde aufzuwerfen, um fie einfach abzuweifen, dürfte
fraglich fein; fo gefchieht es in Nr. 9 über Luc. 2333—43
mit den Fragen, ob die erfte Kreuzesbitte Jefu erhört
und ob die Begründung diefer Bitte ftichhaltig fei; die
Bitte Jefu empfängt dadurch den Schein, als ob fie zwar
Aeufserung höchfter Liebe, aber in ihrer Faffung doch
nicht allzu genau zu nehmen fei. Blofse Betrachtung
und religiöfe Unterhaltung findet man in den Predigten
nicht, feiten aber auch ein Ausruhen im Anfchauen der
Herrlichkeit des Herrn in der Offenbarung der Gnade
und Wahrheit; der religiöfe und mit befonderer Betonung
der fittliche Zweckgedanke beherrfcht in jeder Predigt
die gefammte Ausführung, und nicht immer ift eine ge-
wiffe Erregtheit und Unruhe überwunden. Als bezeichnendes
Beifpiel fei auf die übrigens treffliche Weihnachtspredigt
über Luc. 2 13. 14 verwiefen; die drei (?) Glieder
des Lobgefanges werden unter dem Gefichtspunkte der
Weihnachtsv erpf licht ung der Gemeinde ans Herz gelegt.

Alle Predigten find ftreng analytifch angelegt; die
finnende Verfenkung in das Textwort und die Freude
an den Textgedanken ift überall eins mit dem Anliegen,
die Hörer zum Verftändnifs zu führen. Der Eindruck
ift dadurch nicht immer abgewehrt, als ftünde der Prediger
der Gemeinde gegenüber mit feiner Vox clamans
in deserto et vocans ad fidem infidel es, und vor der
Abficht, auf die Hörer einzuwirken, wird auf die homi-
letifche Form wohl nicht immer genügendes Gewicht
gelegt. Oefter begnügt fich der Prediger mit der Par-
tition: ,Erklärung und Anwendung' (fo Nr. 5. 6. 7), ver-
fchweigt die ganze Propofition oder die Partition (fo
Nr. 9. 10. 17. 21), vermeidet naheliegende Bildung der
Propofition; ftatt in der 16. Predigt das Thema: .Sorget
nicht' zu partitiren: 1. Inhalt, 2. Schwierigkeit, 3. Erfüllbarkeit
der Forderung, zieht der Verfaffer die Frage vor:
,Was meint der Herr damit? Mit welchem Recht kann
er fo Unnatürliches von uns fordern? Wie kann ich
diefen Riefenglauben gewinnen, nicht zu forgen?' Auch
unlogifche Partitionen kommen vor; in Nr. 4: der chrift-
hche Troft 1. g,ebt Kraft, 2. ift Wahrheit, und in Nr. 13:
Chriftus ift König 1. mitten unter Feinden, 2. über feinem
fein) Volk — würde die umgekehrte Reihenfolge der
Theile logifch richtiger fein. Wir verliehen den Wunfeh
des Verfaffers, von allen technifchen Schablonen fich

frei zu halten, und es bleibt uns fern, die Berechtigung
diefes Wunfehes einzufchränken, zumal der Meifterfchaft
im Proponiren gegenüber, wie fie gelegentlich zu Tage
tritt; wir haben Nr. 11 über 1. The ff. 411 im Auge:
.Arbeit und Stille 1. ohne Stille keine rechte Arbeit,
2. ohne rechte Arbeit keine Stille'; oder Nr. 12 über
Jac. 15—s: ,die Bitte um Weisheit 1. warum follen wir
um Weisheit bitten? 2. warum follen wir um Weisheit
bitten?' Allein wir halten technifche Sorgfalt für uner-
läfslich; fie dient der Sache und ift für die Wirkung der
Sache unentbehrlich; überdies nehmen die theologifchen
Studirenden an der Vernachläffigung der Form fich ftets
ein unerwünfehtes Beifpiel zur Nachahmung. Vielleicht
hängt es auch mit der energifchen Tendenz, den vorliegenden
Text der Hörerfchaft befonders eindrücklich
werden zu laffen, zufammen, dafs hie und da die Stellung
des behandelten Gegenftandes in dem Ganzen der Heilsverkündigung
verkannt wird; fo wird in Nr. 12 die Weisheit
als der eigentliche Gegenftand alles Bittgebetes, in
Nr. 18 die Treue als die höchfte Tugend gepriefen, und
in Nr. 13 begegnen wir dem Satz, das Feft der Himmelfahrt
Chrifti künde uns die herrliche, grofse Thatfache:
Chriftus ift König; das fei mehr, als was Oftern verkünde
: Chriftus lebt. Ich darf daran erinnern, dafs in
Uebereinftimmung mit dem Neuen Teftament die gefammte
Kirche das Feft der Himmelfahrt Chrifti ftets als
ein Feft zweiter Ordnung angefehen und gefeiert hat.

Mit zwei Perlen homiletifcher Kraft und Kunft wird
die Sammlung eröffnet. Die erfte Predigt handelt über
den Sündenfall 1. Mofe 3 1—6; ,die Gefchichte des Sündenfalles
und die Gefchichte Jefu Chrifti 1. hier Zweifel, dort
Gewifsheit; 2. hier Verblendung, dort Wahrheit; 3. hier
Fluch, dort Segen.' Der zweite behandelt nach Pf. 42 2. 3
,den Dürft nach Gott 1. wann beginnt, 2. wann endet
diefes Dürften'? und legt im 2. Theile dar, wie das Ge-
fättigtfein in der Gemeinfchaft mit Gott fich in unab-
läffigem Dürften nach Gott offenbare. Auf ähnliche
vorzügliche Predigten wie Nr. 11 18. 19. 20. 22 fei nur
hingewiefen, aufser diefen auf Nr. 18 und 21, die vor-
zugsweife als akademifche Predigten, in denen die Aufgaben
und Verfuchungen der Studirenden gefchildert
werden, fich darfteilen. Den Studirenden und dem Corpus
academicum in weiteftem Umfange wird die Predigt-
thätigkeit des verehrten Herrn Collegen auch im benachbarten
Giefsen gelten; ihm und feinen Hörern fei befter
Segenswunfeh entgegengebracht.

Marburg. E. Chr. Achelis,

Beyschlag, D. Willibald, Christenlehre auf Grund des
Kleinen Lutherischen Katechismus. Hülfsbuch zur Er-
theilung des Confirmandenunterrichts und zum Selbft-
unterricht von Erwachfenen. Halle, E. Strien, 19OO.
(VIII, 222 S. 8.) M. 3.50

Es ift das letzte Werk, das der entfchlafene Verfaffer
der Oeffentlichkeit übergab, ein Abfchiedsgrufs
des edlen, genialen, tapferen und treuen Streiters für
das Evangelium und den Proteftantismus, .meinen Schülern
in Pfarramt und Candidatur' gewidmet. Im Vorwort berichtet
der Verfaffer, das Hülfsbuch fei aus feiner bald
40jährigen Leitung des katechetifchen Seminars an der
Univerfität Halle hervorgewachfen; das Bedürfnifs nach
einem derartigen Werke habe fich ihm oft aufgedrängt,
nun biete er es den Religionslehrern, den Confirmanden-
unterricht ertheilenden Pfarrern zu freier Anregung und
nachdenkender Vorbereitung auf den Unterricht an; vielleicht
fei es auch manchem Gemeindegliede zum Selbft-
unterricht dienlich.

Nach einer .Einleitung' von 7 Fragen: Welches
Glaubens bift du? Wodurch bift du ein Chrift? Dann über
Glauben, Taufe, Dreieinigkeit, Wort Gottes und Gefetz
und Evangelium legt der Verfaffer der weiteren Ent-