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Ausgabe:

1901 Nr. 1

Spalte:

13-15

Autor/Hrsg.:

Wittmann, Michael

Titel/Untertitel:

Die Stellung des hl. Thomas von Aquin zu Avencebrol.(Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters. Band III. Heft III.) 1901

Rezensent:

Guttmann, Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 1.

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im Allgemeinen um Vervvandtfchaft der Symbole, fondern I
um eine fo eigentümlich in den Minutien fich behauptende,
dafs hier ficher ein Problem vorliegt. Den fchwer-
wiegendften Grund für meine Art, dies Problem zu löfen,
finde ich in der Würdigung der Form und des concreten
Inhaltes von R, die ich erft in dem Theile meines zweiten
Bandes ausführlich dargeboten habe, der K. noch nicht
vorlag. Mit meiner Schätzung von R hängt es zufammen,
dafs ich mir die Frage vorlegen mufste, wie und in
welchem Tempo fich das Symbol verbreitet habe. Hier
habe ich nun in befonderem Mafse K.'s Unwillen hervorgerufen
. S. 17 berichtet er feinen Lefern, dafs ,nur Katten-
bufch glaubt in betreff des Orients noch bezweifeln zu
dürfen', dafs er im 4. Jahrhunderte wenigftens zu Ende
allenthalben ein Taufbekenntnifs wie R befeffen habe.
Nun, die Fragen um die es fich da handelt, find zu weit-
fchichtig, um hier auch nur angefchnitten zu werden. Ich
kann jeden Augenblick zugeben, dafs R fich früher verbreitet
habe, als ich bisher beftätigen konnte. Kunze hat
mich zwar vorläufig nicht überzeugt, dafs es wirklich in
Aegypten zur Zeit des Clemens und Origenes fchon ein
Symbol ,wie R' gegeben habe. Ich habe gegen feine
Argumente überall Gegenargumente zur Hand. Aber ich
fchätze feine Argumente gar nicht gering, habe fie mir
ja auch als Einwendungen, die ich mir felbft machte, faft
fämmtlich ernftlich zu Gemüthe geführt. Die letzte
Differenz zwifchen K. und mir ruht hier darin, dafs ich
zwifchen .Symbolen' und ,Taufbekenntnifsen' unterfcheide.
Das berührt den facramentalen Charakter von R und
jedes ,Symbols' im Unterfchiede von den blofsen Tauf-
bekenntnifsen. Hier hat K. aber überhaupt eine Lücke
in feinen Forfchungen hinterlaffen. Vielleicht intereffirt
es ihn zum Schlufse, wenn ich noch mittheile, dafs was
er über die Taufbekenntnifse der Gnoftiker beigebracht
hat, mir neue Gefichtspunkte erfchloffen hat, die mir beftätigen
, dafs ich keineswegs auf dem Holzwege bin,
wenn ich neben den ,Symbolen' auf vielerorts verbreitete
kürzere, blofse Taufbekenntnifse reflectire.

Giefsen. F. Kattenbufch.

Wittmann, Dr. Michael, Die Stellung des hl. Thomas von
Aquin zu Avencebrol (Ibn Gebirol) unterfucht. (Beiträge
zur Gefchichte der Philofophie des Mittelalters.
Herausgegeben von C. Baeumker und G. Freih. von
Hertling. Band III. Heft III.) Münfter, Afchendorff,
1900. (V, 79 S. gr. 8.) M. 2.75.

Seitdem Salomon Münk im Jahre 1846 die über-
rafchende Entdeckung gemacht hat, dafs der in der
chriftlichen Scholaftik des Mittelalters fo vielgenannte
Avicebron oder Avencebrol mit dem bis dahin nur als
neuhebräifchem Dichter bekannten Salomon ibn Gabirol
identifch fei, hat fich die Aufmerkfamkeit der auf dem
Gebiete der mittelalterlichen Philofophie thätigen Forfcher
in immer fteigendem Mafse diefem faft verfchollenen
jüdifchen Denker zugewendet. In neuefter Zeit war es
befonders Clemens Baeumker, der durch feine vortreffliche
Edition des Fons vitae — bekanntlich ift uns das
Avencebrol'fche Werk nur in diefer lateinifchen Ueber-
fetzung vollftändig erhalten — auch weiteren Kreifen
den Zugang zu der Philofophie Avencebrol's erfchloffen
hat. Ein nicht geringeres Verdienft hat Baeumker fich
erworben durch mehrere auf feine Anregung unternommene
und in den von ihm in Gemeinfchaft mit Georg
von Hertling herausgegebenen Beiträgen zur Gefchichte
ae<" Philofophie des Mittelalters veröffentlichte Special-
unterfuchungen, in denen die Beziehungen Avencebrol's
zu jüdifchen und nichtjüdifchen Theologen des Mittelalters
behandelt werden. Auch die vorliegende Schrift,
die (ich mit der Stellung des die katholifche Theologie
auch heute noch und vielleicht mehr als je beherrschenden
Thomas von Aquin zu Avencebrol befchäftigt, ift

in den genannten Beiträgen erfchienen und trägt in der
methodifchen Sorgfalt und Gewiffenhaftigkeit der For-
fchung das Kennzeichen der Baeumker'fchen Schule an
fich. Wefentlich Neues freilich erfahren wir aus Witt-
mann's Schrift nicht, weder aus dem allgemeinen Theil,
der fich in einer über den Zweck einer Orientirung hinausgehenden
und den Rahmen diefer Unterfuchung doch
wohl überfchreitenden Ausdehnung mit dem Syftem
Avencebrol's (S. 6—15) und den Beziehungen der Scholaftik
zur arabifchen Philofophie überhaupt (S. 15—33)
befchäftigt, noch aus dem Theil, der fpeciell der Stellung
des Thomas von Aquin zu Avencebrol gewidmet ift
(S. 33—78). — In dem allgemeinen Theil, wo er auch
von den Quellen des Avencebrol'fchen Syftems handelt,
behauptet W., dafs für die Lehre vom Willen die neu-
platonifchen Schriften, die von den Arabern und auch
von unferem jüdifchen Philofophen benutzt wurden, als
Vorlage gedient hätten. Er beruft fich hierfür, ohne auf
fpätere Unterfuchungen Rückficht zu nehmen, auf Münk,
Melanges S. 242. 256. An der erften Stelle ift von den
pfeudoempedokleifchen Schriften die Rede, in denen aber,
nach den jüngft von D. Kaufmann veröffentlichten Fragmenten
zu urtheilen, ein Anhalt für Avencebrol's Lehre
vom Willen nicht geboten war. Wenn nach Schahraftäni
(Haarbrücker's Ueberfetzung II S. 91) Pfeudoempedokles
ausdrücklich beftreitet, dafs die Dinge durch einen prä-
exiftirenden Willen gefchaffen feien und Wiffen und
Wille als mit Gott identifch bezeichnet werden, fo
könnte man darin weit eher ein Zeugnifs gegen die Annahme
erblicken, dafs die Avencebrol'fche Willenslehre
mit Pfeudoempedokles im Zufammenhange ftehe. Die
zweite Stelle bezieht fich auf die fogenannte Theologie
des Ariftoteles. Was in den von Münk angeführten
Stellen aus der lat. Ueberfetzung der Theologie an Avencebrol
's Lehre vom Willen anklingt, ift jedoch, wie eine
Vergleichung mit dem inzwifchen veröffentlichten arabifchen
Texte unzweifelhaft ergiebt, als eine tendenziöfe
Zuthat des lateinifchen Ueberfetzers anzufehen. Eben-
fowenig trifft die fich auf Haneberg berufende Behauptung
zu, dafs in der Encyclopädie der lauteren Brüder
der Wille eine ganz ähnliche Stellung wie im Fons
vitae einnehme. — Die Ausführungen in dem auf das
eigentliche Thema bezüglichen Theile beftätigen nur
die fchon bisher genügend erkannte und auch in ihren
einzelnen Zügen nachgewiefene Thatfache, dafs Thomas
von Aquin der Lehre des Avencebrol gegenüber eine
nach jeder Richtung hin ablehnende Stellung einnimmt.
Die quellenmäfsigen Belege dafür hat Referent bereits in
der im Jahre 1891 erfchienenen Schrift: ,Das Verhältnifs
des Thomas von Aquino zum Judenthum und zur jüdifchen
Litteratur' gegeben. Herr W. behauptet allerdings,
Referent habe nur die Schrift: .De substantiis separatio
in den Bereich feiner Unterfuchung gezogen und lediglich
in der Frage über die Materialität auch der geifti-
gen Subftanzen das Gebiet gefunden, auf dem Thomas
zu Avencebrol in Beziehung tritt. Dagegen mufs ich
mich aber mit aller Entfchiedenheit verwahren. Ich habe
mich in meinen Studien auf die Schrift De substantiis sc-
, paratis fchon aus dem Grunde nicht befchränken können,
J weil ich ja das Verhältnifs des Thomas nicht nur zu
; Avencebrol, fondern zur ganzen jüdifchen Literatur und
insbefondere auch zu Maimonides zum Gegenftand
meiner Unterfuchung gemacht habe. Wenn ich daher
fchon mit Rückficht auf mein weiteres Thema, für das
in der Schrift De substantiis separatis keinerlei Ausbeute
zu finden war, mich gezwungen fah, die fämmtlichen
Schriften des Thomas zu durchmuftern, wovon der Lefer
fich auf jeder Seite überzeugen kann, fo werde ich doch
wohl nicht verfehlt haben, das fich mir bei diefer Gelegenheit
darbietende Material auch für Avencebrol zu
verwerthen. Ich habe meiner Darfteilung die Ausführungen
in der Schrift De substantiis separatis zu Grunde
gelegt, weil in ihr, wie auch W. anerkennt (S. 40), die Lehre