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Ausgabe:

1901 Nr. 12

Spalte:

330

Autor/Hrsg.:

Lea, Henri-Charles

Titel/Untertitel:

Histoire de l‘Inquisition au moyen-âge 1901

Rezensent:

Mueller, Karl

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Seite 1

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329

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 12.

330

zuletzt doch den Verfuch, ob nicht auf dem Boden der I
bisherigen Anfchauung ein Ergebnifs zu gewinnen fei.
Er denkt dabei in erfter Linie auch an Südgallien, fpeciell
nach Cafparis Vorgang an Vienna, d. h. die burgundifche
Kirche, die auf 2 Synoden von 517 f. befchloffen hat,
dafs die gottesdienftlichen Ordnungen ihrer beiden
Metropolen, Lugdunum und Vienna, für die ganze Provinz
gelten follten. Von da aus fucht er dann die That-
fache zu erklären, dafs es bei irifchen Theologen zu finden
ift (doch ift die irifche Herkunft Firmins höchft unficher).
Ich kann gerade den letzteren Verfuch nicht fehr glücklich
finden. K. felbft legt auch keinen allzugrofsen Werth
darauf und weift auch auf die umgekehrte Möglichkeit,
dafs es in der irifchen Kirche entftanden und von da
aufs Feftland gekommen wäre. Kurz man tappt noch
fehr im Dunkeln.

Wie bei T. im Ganzen, fo wird dann auch bei jedem
feiner Zufätze die Gefchichte feiner Verbreitung unter-
fucht. Da ift denn bei einer ganzen Anzahl von ihnen
feftzuftellen, dafs überall, wo fie aufserhalb von T. er-
fcheinen, ganz genau derfelbe Wortlaut, diefelbe Wort-
ftellung erfcheint und darum ein gemeinfamer Ausgangspunkt
für fie anzunehmen ift. Immer wieder tritt alfo
die Frage auf, wo der zu fuchen fei. Mehrfach begegnet
alsQuelle die Explanatio fymboli des Nicetas und damit der
Einflufs des Cyrill von Jerufalem, alfo der örtlichen Kirche.
Aber Nicetas hat nicht alle Zufätze, und auch durch ihn
wird man in der Frage nach der Heimat von T. nicht
weiter gefördert. Denn über feine eigene Heimat befteht
auch noch keine Einhelligkeit.

Vollends unficher bleibt der Weg, auf dem T. zu
feiner ökumenifchen Verbreitung gekommen ift. Man
wird immer wieder an die kirchlich uniformirende Thätig-
keit Karls des Grofsen denken müffen. Aber alle Anhaltspunkte
find zu fchwach. Im 9. Jh. ift es in Rom
bei der Taufe nachzuweifen, aber nur neben C.

Gröfsere Sicherheit ift zu gewinnen bei der Erklärung
der einzelnen Zufätze in T. Keiner von ihnen
bringt im Verhältnifs zu R. fachlich etwas neues; alle
haben nur zu verdeutlichen. Anlafs zu weitläufigen Erörterungen
geben aber vor allem ,catholicam', ,sanctonem
communionem1, (Antheil an den sancta der Euchariftie?
oder Gemeinfchaft mit allen Heiligen im Himmel und
auf Erden, Engeln, Märtyrern, Chriften?). Vor allem
aber führt der descensus zu einer ausgezeichneten Erörterung
über die Gefchichte der altkirchlichen Vor-
ftellungen von Chrifti Werk im Hades wie vom Gefchick
und Aufenthaltsort der Chriften zwifchen ihrem Tod und
der Wiederkunft Chrifti. Freilich mufs diefes Capitel in
feinen Zufammenhängen in die Welt der Geifter hinein
noch eine viel eingehendere Behandlung bekommen. K.
giebt nur eine Abfchlagszahlung.

Hier breche ich ab. Das unbefriedigende Ergebnifs,
mit dem das Buch gerade an dem Punkt fchliefst, der
urfprünglich das einzige Ziel des Verf. gewefen ift, ift
bedauerlich, aber nicht K.'s Schuld. Ermüdung habe
ich auch am Schlufs nicht bemerkt: fondern nur wie im
ganzen Buch die durch und durch kritifche Sorgfalt
fowie die Thatfache, dafs hier einfach die Materialien
vorläufig vertagen. Vielleicht wird es da auch noch
einmal beffer. Die Gefchichte der Forfchung in den
letzten Jahrzehnten läfst erwarten, dafs wir auch hier
immer mehr zu ficheren Texten, reicheren Materialien
und damit zu einer breiteren und fefteren Grundlage
kommen werden. Die Forfchung wird auf diefem Gebiet
nicht fo bald zum Stillftand kommen. Dafür wird
auch das Werk K.'s forgen, das ihr mit feiner allfeitigen
Behandlung der Probleme einen ausgezeichneten Anftofs
zu fernerer Entwickelung gegeben hat.

Breslau. Karl Müller.

Lea, Henri-Charles, Histoire de IInquisition au moyen-äge.

Ouvrage traduit sur l'exemplaire revu et corrige de
l'auteur par Salomon Reinach. Precede d'une intro-
duction historique de Prof. Paul Fredericq. T. 1. Origines
et procedure de l'inquisition. Paris, Societe nouvelle
de librairie et d'edition, 1900. (XL, 631 S. 8.) Fr. 5.—

Von Leas dreibändigem Werk über die Inquifition
ift die englifche Originalausgabe von Reufch 1888 Nr. 23
angezeigt worden. Jetzt hat Salomon Reinach, Mitglied
der Parifer Academie, den erften Band einer franzöfifchen
Ueberfetzung herausgegeben; Paul Fredericq in Gent,
einer der beften Kenner der Inquifitionsgefchichte, hat
eine vortreffliche hiftoriographifche Einleitung dazu ge-
fchrieben, und der Verfaffer felbft hat das Original dafür
durchgefehen und corrigirt. Das Original war fehr theuer,
die Ueberfetzung ift aufserordentlich billig. Der Druck
ift freilich fehr klein und eng, das Papier nicht erften
Ranges: aber wie viel ift es werth, wenn nun das Werk
jedermann leicht zugänglich ift! Der Vergleich mit dem
Original ift dadurch fehr bequem, dafs feine Seitenzahlen
in fetter Schrift am Rand flehen.

Das Werk Leas felbft brauche ich nicht mehr einzuführen
. Es hat feit feinem Erfcheinen immer mehr seine
Bedeutung erwiefen und immer allgemeinere Bewunderung
gefunden. Aber ich kann nicht umhin, die Worte hier
mitzutheilen, mit denen der greife Verfaffer die Erlaub-
nifs zur Ueberfetzung ertheilt hat: ,Uebersetzen Sie, wie
Sie's verftehen, aber gehen Sie, bitte, nicht von dem
unparteiifchen Ton ab, den ich mir zur Pflicht gemacht
habe. Die Thatfachen müffen für fich felbft fprechen'.
Dafs diefem Gebot entfprochen ift, ift felbftverftändlich.
Aber der Wunfeh felbft ift vor allem bezeichnend für
die bewundernswürdige Ruhe und Sachlichkeit, die Lea
in allen feinen Werken erweift. Möchte die Ueberfetzung
bald zum Ziel kommen!

Breslau. Karl Müller.

von Criegern, Lic. Archidiak. Dr. H. F., Nicolaus Rej
als Polemiker. Leipzig, Fr. Richter, 1900 (V. 96. S.
gr. 8.). M. 2.—

Wauer, cand. theol. Gerh.A., Die Anfänge der Brüderkirche
in England. Ein Capitel vom geiftigen Austaufch
Deutfchlands und Englands. Diff. Leipzig, F. Janfa,
1900. (V. 152 S. gr. 8.). M. 2.50

Nürnberger, Prof.Dr. A.J., Neue Dokumente zur Geschichte
des P. Andreas Faulhaber. Mainz, F. Kirchheim, 1900.
(IV. 46 S. gr. 8.). M. 1.20

Kol de, Prof. D. Th., Edward Irving. Ein biographifcher
Effay. Leipzig, A. Deichert, 1901. (IV. 81 S. gr. 8.).

M. 1.40

Schölly, T., Samuel Gobat, evangelifcher Bifchof in Jerufalem
. Ein Lebensbild. Mit Gobats Bild in Stahl-
ftich. Bafel, Kober, 1900. (III. 193 S. 8.).

M. 1.20; geb. M. 2.—

Die vorftehende Serie von kleinen Schriften zur
neueren Kirchengefchichte bietet vielfeitige neue Auf-
fchlüffe; bei ihrer Befprechung halten wir uns an die
Zeitfolge ihres Inhaltes und gruppiren 1. Criegern,
2. Wauer, 3. Nürnberger, 4. Kolde, 5. Schölly!

Nr. 1 führt uns in die noch fehr wenig bekannte
polnifche Reformationsgefchichte und zwar nach
Krakau, wo Nicolaus Rej, ein polnifcher Junker, in dem
Kreife der reformationsfreundlichen polnischen Edelleute
als evangelifcher Polemiker gegen das Papftthum eine
hervorragende Rolle fpielte. Sehen wir von dem wefent-
lich im Auslande wirkenden Laski ab, fo fehlt bis jetzt