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Ausgabe:

1901 Nr. 12

Spalte:

323-329

Autor/Hrsg.:

Kattenbusch, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Das apostolische Symbol 1901

Rezensent:

Mueller, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 12.

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das ruhig abwägende Urtheil, der Sinn für Wirklichkeit
und gefchichtliche Hergänge das Wort, und es fleht
zu hoffen, dafs unfere ftudirende Jugend für diefe Mächte
immer noch einiges Verftändnifs bewahrt haben wird,
fo fehr ihr mancherorts auch bald die aufdringlichen
Kraftproben der Traditionsadvocaten, bald die vertufchende
Rhetorik der Pectoraltheologen zu imponiren pflegen.

Der Druck ift correct. Nicht wenige Fehler, welche
die früheren Auflagen aufweifen, find getilgt. Einige find
flehen geblieben, wie S. 61 und 67 1. Cor. 1,1 ftatt 1,2
oder S. 140 die grofse Versziffer 1 Tim. 1,8. Ganz ausnahmsweise
fleht S.305 ftatt des früher richtigen Citats 4,45
jetzt 4,14.

Strafsburg i/E. H. Holtzmann.

Kattenbusch, Prof. D. Ferdinand, Das apostolische Symbol.

Seine Entftehung, fein gefchichtlicher Sinn, feine ur-
fprüngliche Stellung im Kultus und in der Theologie
der Kirche. Ein Beitrag zur Symbolik und Dogmen-
gefchichte. Zweiter Band. Verbreitung und Bedeutung
des Tauffymbols. In zwei Hälften. Leipzig,
J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung 1897 u. 1900. (1061
und VIII S. 8.) M. 34.—

Der erfte Band diefes Werkes ift in der ThLZ.
1894 Nr. 23 von Harnack befprochen worden. Wenn
ich jetzt auf Wunfeh der Redaction den zweiten einführe,
fo bin ich nicht in der Lage, eine Kritik zu geben, die
die Arbeit an der Gefchichte der Symbole förderte. Ich
habe auf diefem Gebiet keine Studien gemacht. Vieles
ift mir natürlich zweifelhaft geblieben; manches halte ich
nicht für richtig. Aber wo der Raum fo befchränkt ift,
hat ein Werk von diefem Gehalt das Recht auf eine
Anzeige, die den Lefern vor allem lagt, was auf den
tooo eng bedruckten grofsen Seiten an Arbeit niedergelegt
ift. Und um der Kürze willen wird es dabei nicht
immer möglich fein, die neuen Ergebnifse von denen
früherer Forfchungen zu unterfcheiden.

Der erfte Band hatte das ganze Material der Symbole
fo gut es ging, nach Provinzen geordnet, und fein Ziel
gefunden in dem neuen Ergebnifs, dafs das altrömifche
Symbol (R) auch in Rom entftanden fei und die ganze
Entwicklung des Symbols im Often wie im Weften auf
R zurückgehe. Hier fetzt nun der zweite Band ein: feine
Aufgabe war theilweife viel fchwieriger und führte in
ein viel weiteres Feld. Faft 20 Jahre hat der Verf. an
dem ganzen Werk gearbeitet: es gehörte eine in unterer
Zeit feltene Geduld und Sammlung dazu, fo lang in der
Stille zu bleiben und unermüdlich in einer Richtung
fortzuarbeiten, während die Forfchung auf allen Seiten
fortfehritt und immer neue Materialien und Ergebnifse eintrafen
. Ein Kunftwerk ift dabei freilich nicht entftanden.
Abgefehen von manchen Eigenthümlichkeiten der Sprache,
von der Breite und Umftändlichkeit der Ausführungen
und Erörterungen zeigen fich namentlich immer wieder
die Spuren davon, dafs lange Jahre und immer neue
Arbeit zwifchen der urfprünglichen und der letzten
Niederfchrift gelegen haben. Aber wer felbft mit der
Form feiner Arbeiten zu kämpfen hat, wird fich fagen,
dafs der abermalige Umgufs eines folchen Werkes eine
Menge Zeit und Kraft erfordert hätte und nachher durch
neue Beiträge anderer doch wieder neue Aenderungeu
nothwendig geworden wären. Der Entfchlufs, den eine
einheitliche Darftellung auf diefem Gebiet erforderte,
zwang auch dazu, einmal den Punkt darunter zu fetzen
und fich felbft und den Lefern manches zuzumuthen,
was bei kleineren Arbeiten nicht hätte fein dürfen. Ein
ausgezeichnetes mehrfaches Regifter von nicht weniger
als 75, meift doppelfpaltigen Seiten, hilft übrigens über
jene Schwierigkeiten hinweg, gliedert das Material nach
allen Seiten und macht es vortrefflich nutzbar. Das Buch

ift zugleich ein Beleg für den alten Satz, dafs gerade
die eingehendfte und umfaffendfte Arbeit befcheiden
mache. Ich kenne wenig Werke, die fo fehr die Relativität
ihrer Ergebnifse betonen: zumal die Abfchnitteüber
die Gefchichte von R. in der älteften Zeit wie über
Alter und Herkunft des Textus reeeptus (T) find voll
davon. Zuverfichtlicher ift K. bei feinen Unterfuchungen

I über den Grundcharakter von R und den Sinn feiner
Ausfagen. Aber auch hier verliert er niemals die Grenzen
aus dem Auge und verfäumt vor allem nie, aus dem
Material der erften Jahrhunderte die breiteften Grundlagen
zu fchaffen und alle Möglichkeiten abzuwägen.

Ich kann dem Buch natürlich nicht in alle Einzelfragen
folgen, fondern nur eine Idee davon geben, was
es im Ganzen anftrebt, welche Hauptprobleme es verfolgt
. Auf eine Menge von Unterfuchungen für Einzel-

' fragen der Symbolgefchichte, auf die werthvollen Mate-
rialienfammlungen für die Dogmengeschichte, auf die
vielen gelegentlichen Anregungen zu neuen oder älteren
Fragen der Liturgie, des kirchlichen Unterrichts u. a.
kann ich ohne dies nur ganz fummarifch hinweifen.

Ich folge im wefentlichen dem Gang des Buchs, bemerke
aber noch, dafs K. nur die Symbolformen behandelt
, die von R. abilammen, und dafs die übrigen
Taufbekenntnifse und Glaubensregeln nur eben an der
Schwelle erfcheinen, wenn in einer Kirche R. nicht bekannt
ift und gefragt werden mufs, ob etwas anderes an
feiner Stelle geftanden habe oder der Platz leer geblieben
fei. Die Gefchichte des Nicaenum (== N) und feiner

] Tochterbildungen, fowie das fogen. Conftantinopolitanum
(= C) hat K. vom Zweck feines Buches ausgefchloffen.
Darüber hat fchon fein erfter Band der Confeffionskunde
das Nöthige gefagt.

1. a) Die urkundlich fichere Gefchichte von R. im
Abendland beginnt mit Tertullian; vorher ift es fogut
wie gewifs bei Irenäus, mit überwiegender Wahrfchein-
lichkeit bei Juftin nachzuweifen, weiter zurück vertagen
die abendländifchen Schriftfteller völlig. Im Often ift
vor Origenes die Bekanntfchaft mit R. überhaupt nicht
nachzuweifen. Anklänge an einzelne Wendungen find
wohl da, laffen fich aber auch anders erklären. Dafs es
Vorformen von R. gegeben habe, läfst fich überhaupt
nicht erweifen — nur Vorformen einzelner Artikel hat
es gegeben —; dafs aber eine etwaige Vorgefchichte
im Often gelegen habe, ift erft recht nicht zu fagen. Im
Often find in alter Zeit Taufbekenntnifse zum Theil überhaupt
nicht nachzuweifen (Syrien und Paläftina); die, die
man kennt oder erfchliefsen kann, find entweder lediglich
trinitarifch und dann ganz kurz, wie im inneren Klein-
afien bis gegen Ende des arianifchen Streits, oder dog-
matifch-begrifflich wie das des Gregorius Thauma-
turgus, oder aber felbftändige Gebilde, die mit R. nichts
zu thun haben, wie vielleicht fchon zur Zeit Clemens
Alex, in Alexandrien und Aegypten. Sie find allem nach
niemals als Glaubensregeln oder als Unterlage des Taufunterrichts
verwendet worden. Sie heifsen auch nicht
Symbole. Der Name Symbol kommt im Often erft mit
R. auf und bleibt an ihm und feinen Tochterformen
hängen, bis er auf N. und fpäter auf C. allein übergeht.
K. verlangt daher im Intereffe der Klarheit, dafs auch in
der Forfchung der Name Symbol nur von R. und feiner
Descendenz gebraucht werde.

Das negative Ergebnifs für den Weften in der Zeit
vor Irenäus beweift nun freilich, wie K. mehrfach hervorhebt
, an fich noch nichts: bei einer ganzen Anzahl
von Schriftftellern fpäterer Zeit, die R. gehabt haben
müffen, liefse fich aus ihren Werken auch nicht feft-
ftellen, dafs fie ein Symbol wie R. gehabt haben, oder
wie es im einzelnen gelautet habe. K. klagt mehrfach
darüber, wieviel Verwirrung Hahn damit angerichtet habe,
dafs er für einzelne Kirchen oder Theologen fogleich
,runde Formeln' conftruire und ohne Vorbehalt abdrucke,
obwohl fie doch lediglich aus dem fchriftftellerifchen