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Ausgabe:

1901 Nr. 11

Spalte:

303-304

Autor/Hrsg.:

Redlich, Paul

Titel/Untertitel:

Cardinal Albrecht von Brandenburg und das Neue Stift zu Halle. 1520-1541 1901

Rezensent:

Tschackert, Paul

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3°3

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. II.

304

Der Lefer wird gewifs in den Wunfeh des Ver-
faffers einftimmen: ,Möge denn das Gedächtnis Martin
Butzers fernerhin eifriger und treuer von der dankbaren
Nachwelt gepflegt werden, als bisher. Unter mancherlei
Ruhmestiteln hat er das Recht, in ihr fortzuleben: als
ein treuer Zeuge des Evangeliums der Reformation, als
ein ehrenhafter Charakter, der um feiner Ueberzeugung
willen Schweres erduldet hat, . . als ein eifriger Politiker
und Kirchenpolitiker, der im Dienft des Proteftantismus
zum Nutzen und Frommen der deutfehen Nation die
ganze Kraft feines Leibes und unermüdlich beweglichen
Geiftes verzehrt hat, endlich als ein praktifcher Kirchenmann
, deffen grofse Gabe zur Erbauung der chriftlichen
Gemeinde durch Lehre, Gottesdienft, Seelforge und
Zucht noch lange nicht genug gewürdigt und für die
Bedürfniffe unferer Zeit ausgebeutet find . . .'

Dafs der Verf. in überaus zahlreichen Citaten B.
felbft reden läfst und am Schluffe als Beilagen: Die
Vorrede des Synoptikercommentars von 1527— Die Vorrede
zu der Ausgabe von 1530 — Ueber die Taufe —
Ueber das Abendmahl — Zu Joh. 6, 51—63, (S. 375 —
463) veröffentlicht, darüber wird fleh billiger Weife niemand
aufhalten; man wird ihm vielmehr dafür Dank
wiffen, zumal einige der in Frage kommenden Butze-
rifchen Schriften nicht jedermann leicht zugänglich find
und auch eine Gefammtausgabe feiner Werke noch
nicht zu Stande gekommen ift. Ein anderes reichhaltiges
Material hätte die Correfpondenz B.'s, abfehriftlich
im Thefaurus Baumianus der Landes- und Univerfi-
tätsbibliothek von Strafsburg, geboten.

Durch die feinen Analyfen der einzelnen Schriften
B.'s und durch die Gefammtüberblicke und Ausblicke
innerhalb des Rahmens und der Gefchichte der pro-
tefiantifchen Theologie wird das Buch Lang's den Lefer
von der erften bis zur letzten Seite feffeln und reichlich
belehren.

Strafsburg i. E. A. Erichfon.

Obiges Referat ift das Letzte, was der Verf. für den Druck gefchrieben
hat. Er ift inzwifchen am 12. April heimgegangen. Auch die Theologifche
Literaturzeitung wird ihm, dem hervorragenden Kenner der Elfäffifchen
Kirchengefchichte und verdienten Mitarbeiter am Corpus Reformatorum,
ein dankbares Andenken bewahren. Die Red.

Redlich, Dr. Paul, Cardinal Albrecht von Brandenburg und
das Neue Stift zu Halle. 1520—1541. Eine kirchen-
und kunftgefchiehtliche Studie. Mainz, F. Kirchheim,
1900. (XII, 361 u. 263 S. gr. 8.)

M. 12.— ; geb. M. 15.—

Nach der Mittheilung des Verf. im Vorworte hat
Prof. Lamprecht ihn auf das Thema .Cardinal Albrecht
als Mäcen' verwiefen. Archivalifche Forfchungen, die
der Verf. in der Richtung auf diefes Thema hin anftellte,
führten ihn zunächft auf die Beziehungen Albrechts zu
dem Collegiatftifte in Halle, und fo befchlofs er unter
Zurückfiellung jenes allgemeinen Themas, vorläufig nur
Albrechts Verhältnifs zu diefem Stifte ins Auge zu faffen,
dabei aber deffen gefammte Gefchichte zu behandeln
und auch auf deffen Verfaffung und Verwaltung näher einzugehen
. Die archivalifchen Forfchungen, die er mit grofsem
Fleifse und in fyftematifcher Weife anftellte, ergaben
uberrafchend reiche Refultate; fo ift ihm das Material
zu diefer .kirchen- und kunftgefchichtlichen Studie' erwachten
. Er darf für diefe Arbeit in den Kreifen der
Reformationshiftoriker auf Intereffe rechnen; denn in
der Gefchichte der Reformation fpielt das Hallenfer Stift
und fein .Heiligthum' keine unbedeutende Rolle. Das
Buch enthält 359 Seiten Darfteilung und 245 Seiten Beilagen
, dazu ein forgfältiges Regifter.

Das Collegiatftift wurde von dem Erzbifchofe
Albrecht im Jahre 1520 bei dem heutigen .Dorne' in
Halle ins Leben gerufen; es follte einen Beftand von

59 Personen haben, und die Kirche diefes neuen Inftitutes
ward mit zahlreichen Kunftwerken bereichert. Albrecht
hat fodann diefe feine neuefte Schöpfung fort und fort
zu heben gefucht und fogar eine Univerfität bei ihr errichten
wollen. Der Zweck, der ihm vorfchwebte, läfst
fleh leicht durchfehauen: die damalige Kirche follte als
Inftitution vor aller Welt prunkvoll in den Vordergrund
treten; das war der allgemeine Zweck, wie ihn die Bi-
fchöfe des Mittelalters faft überall mit ihren Collegiat-
ftifts-Gründungen befolgten. Sodann aber follte ein
katholifches Gegenftück gegen Wittenbergs Stiftskirche
und Univerfität gefchaffen werden. Die Gefchichte ging
aber einen anderen Gang. Mit der Elinführung der
Reformation in Halle 1541 hörte die Herrfchaft Albrechts
hier auf, und fein Collegiatftift fand ein unerwartet
fchnelles Ende. Auf das Detail des ftoffreichen Buches
kann hier nicht näher eingegangen werden. Der Verf.
fchreibt, ohne eigentlich auf die Reformation Halles einzugehen
, befleifsigt fich aber fonft objectiver Bericht-
erftattung und bringt vieles Neue aus feinen reichen
archivalifchen Quellen.

Göttingen. Paul Tfchackert.

Hoensbroech, Graf von, Das Papstthum in seiner sozialkulturellen
Wirksamkeit. Erfter Band. Inquifition,
Aberglaube, Teufelsfpuk und Hexenwahn. 2. Aufl.
Leipzig, Breitkopf u. Härtel, 1900. (L, 683 S. gr. 8.)

M. 12.—

Unter allen Schriften, mit denen uns der Verf.
feit zehn Jahren befchenkt hat, verdient die vorliegende
um ihres Gegenftandes willen die gröfste Beachtung;
denn fie ift eine leidenfchaftliche Kriegserklärung gegen
das Papftthum, deffen Anfehen von Grund aus zerftört
werden foll. ,Das Papftthum in feinem Anfpruche, eine
göttliche, von Chriftus, dem Stifter des Chriftenthums,
herrührende Einrichtung zu fein, ausgeftattet mit göttlicher
Irrthumslofigkeit (Unfehlbarkeit) in allen Fragen
des Glaubens und der Sitte, ift die gröfste, die verhäng-
nifsvollfte, die erfolgreichfte Lüge der gefammten Welt-
gefchichte. Und diefe grofse Lüge ift felbft wiederum
umgeben von taufenden von Lügen ihrer Vertheidiger,
und diefe Lüge und diefe Lügen ftreiten für ein Macht-
und Herrfchaftsfyftem, für den Ultramontanismus: da ift
für die Wahrheit nur der Kampf möglich'. Das vorliegende
Werk will alfo polemifch fein, und ift es
auch, vom erften bis zum letzten Blatte. Der Verf. ift
kein Hiftoriker von Fach und will keine Gefchichte des
Papftthums fchreiben. Die ungemein fchwierigen Fragen
aus der Urchriftenheit in Betreff der Entftehung der
römifchen Chriftengemeinde und des römifchen Episkopates
, das Emporwachfen des römifchen Bifchofes
über die anderen katholifchen Bifchöfe bis zur Centrali-
fation der mittelalterlichen abendländifchen Kirche in der
Macht des römifchen Vicarius Dci in terris — alle diefe
Unterfuchungen hat der Verf. mit Abficht beifeite ge-
laffen. Er geht dem Feinde direct zu Leibe. In feiner
Taktik zeigt fich dabei die meifterhafte Schulung, die
der Verf. früher als Jefuit genoffen hat; nur dafs er jetzt
den Spiefs umdreht und ihn gegen den Abgott feines
früheren Ordens wendet. Um das vorliegende Buch
gerecht zu würdigen, mufs man fich daher zuerft an die
Taktik der jefuitifchen Polemik erinnern. Es wäre ein
pfychologifches Wunder, wenn der Verf. diefe Taktik,
die er als Jefuit gelernt und meifterhaft geübt hat, mit
feinem Austritte aus der Societas Jefu fofort abgelegt
haben follte. Wir haben darüber mit ihm nicht zu
rechten; wohl aber ift es nöthig, auf diefes Verhältnifs
aufmerkfam zu machen, um Tendenz und Inhalt des
vorliegenden Werkes richtig zu verliehen. Die Tendenz
desfelben geht dahin, das Papftthum als Inftitution um
feinen moralifchen Credit zu bringen, und der Inhalt