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Ausgabe:

1901 Nr. 11

Spalte:

300-303

Autor/Hrsg.:

Lang, August

Titel/Untertitel:

Der Evangeliencommentar Martin Butzers und die Grundzüge seiner Theologie 1901

Rezensent:

Erichson, Alfred

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299

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. II.

300

fo zweifelhafte wie die bei II Clem. vorgenommene, und
meinem Gefühl widerftrebt es nach wie vor, die Titel
,Exodus' und,Acta' neben, Weisheit Salomos' und,Römer'
anzuwenden. Doch wird dem Herausgeber hier wohl der
Weg durch höheren Gefchmack mit alldeutfcher Färbung
vorgefchrieben gewefen fein. Im Namenregifler habe ich
aufser ein par abgefprungenen Lefezeichen kaum einen
Defect gefunden: die Zerfägung des Jefaia wird 192, 30
erwähnt, unter 'Haäiaq fehlt diefe Stelle. Ein vollkommenes
Wort- und Sachregifter könnte Niemand liefern, mit dem
von K. gebotenen wird man aber zufrieden fein dürfen.
Begreiflicherweife begegnen hier am häufigften Druckfehler
, die im Texte fo feiten find — der Rede werth
kaum jisgizrs/ivovai 43, 28 und App. zu 143, 4 MPLpöftatt
16 —; z. B. lies bei zvjcoq 293, 28 ft. 193, bei djtööxoXoq
61, 4 ft. 6b, bei utzdv-eOiq 296, 3. 15 it. 296, 25. OefiiXiovv
und ei-agdgov (bei LteXoq) werden wohl keinen Schaden
itiften. Worte wie Qaxoövzelv, avaxojyj), djcoözaöiq, (piXrj-
ÖBlv vermiffe ich aber in diefem Verzeichnis ungern; bei
jcazgidgxnq fehlt 294, 22, bei dxtgaioq der Comparativ 161,
13, bei djcoözoX.oq 31, 28. Bei oxv{hgGOJco<pavrjq befindet
fich ein irreführender Zufatz; die alphabetifche Reihenfolge
ift nicht immer genau gewahrt, exfreovv folgt auf Ixxaleiv.

So verdient die Ausgabe, in der auch eine wohlüberlegte
Interpunktion nach Möglichkeit das Veritändnifs der
nicht immer bequem gebauten Sätze fördert, hohes Lob:
nur ein Fehler haftet ihr an, der einer erkünltelten Unter-
fchätzung der Texteszeugen zweiten Ranges. Das zeigt
fich fogar im Regifter, wo K. die Catenenfragmente nur
gelegentlich, wie aus Gnade, berückfichtigt; aber wenn
— oder foweit — fie echtes Gut des Origenes enthalten,
fleht doch das in ihnen aufbewahrte Sprach- und Begriffsmaterial
an Werth nicht hinter dem in einer zwar
unvollftändigen, aber zu einem Origenes-Corpus gehörigen
Homilie befindlichen zurück? Dem entfprechend druckt
K. von den CatenenFragmenten biofs die noch ab, die
aus fonft verlorenen Homilien ftammen; wo die Catenen
nur Seitenreferenten zu S find, werden zwar erhebliche
Varianten von ihnen im Apparat verzeichnet, aber nirgends
ihre Texte im Zufammenhange geboten. Ein Fragment,
das in die zwifchen hom. 18 und 19 in S klaffende Lücke
hineingehört, wird blofs im Apparat zu 165,1 mit-
getheilt; die gute Gelegenheit für den Lefer, fich über
die Zuverläffigkeit der Catenenüberlieferung ein Urtheil
zu bilden durch Nebeneinanderftellung der Catenenftücke
und der Homilienhandfchrift, bleibt ungenützt. Die Spar-
famkeit, die hier entfchieden zu haben fcheint, — denn an
dem guten Willen des Herausgebers hat es ficher nicht
gefehlt — ift aber noch viel bedauerlicher wirkfam geworden
in der Unterdrückung des Lateiners. Hieronymus
hat um 380 14 Jeremiashomilien des Origenes in feine
JVIutterfprache überfetzt, von denen fich 12 in dem Corpus
des Scorialensis finden; da feine griechifche Vorlage an
die Urfchrift ziemlich nahe heranreicht, ift er unter allen
Umftänden ein fehr wichtiger Zeuge, und fortwährend
arbeitet denn auch der Apparat mit Hieronymus) und
motivirt Emendationen, Streichungen undEinfchübe durch
Berufung auf ihn: aber ihn felber bekommen wir nicht zu
fehen. Die Unzweckmäfsigkeit diefer Enthaltfamkeit hat
K. wohl begriffen, er entfchuldigt fie S. XVIII mit dem
Plan der Kirchenväter-Commiffion, wonach ,die alten Ueber-
fetzungen nur da eintreten follen, wo die griechifchen
Originale fehlen'. Nun denn für hom. 2 und 3 des Hieron. —
Kl. zählt fie jetzt in der Gefammtreihe als 22 und 21 —
fehlen bis auf einige Catenenfragmente die griechifchen
Originale; trotzdem werden uns die lateinifchen Ueber-
fetzungen nicht mitgetheilt! S. 195 verweift man uns wiederholt
auf hom. 21, 2 (lies vielmehr 22, 2, im Apparat auch
,in Jerem. 28, 6—9'ft. 29), aber um diefe hom. 21 (22) des
Origenes zu finden, müffen wir zu Vallarfi oder Migne
pilgern. Ift nun die Fortlaffung diefer 2 nur lateinifch erhaltenen
Homilien aus einer Ausgabe, die doch vor Allem
auf Vollftändigkeit Anfpruch erhebt, fchlechterdings nicht

zu entfchuldigen, fo ift doch auch die von der Commiffion
beliebte Anwendung ihres in anderen Fällen ja berechtigten
,Planes' auf die übrigen 12 ein fehr bedauerlicher Mifs-
griff. Der bisher vorliegende Text der Hieronymus-Verfion
ift fchlecht, Kl. hat durch handfchriftlicheStudien ihn vielfach
und wefentlich verbeffern können, f. z. B. zu 55, 22
132 22 f. 140 f., vgl. auch XIX (aus der Vorrede) et simplicita-
tem sermonis ft. a simplicitate und laudari ft. laudare. Eine
vollkommene Reftitution des Hieron.-Textes würde wahr-
fcheinlich noch monatelange Arbeit gekoftet haben. In-
zwifchen hat die Wiener Kirchenväter-Commiffion, fcheint
mir, die Arbeit an der neuen Hieron.-Ausgabe begonnen
und will ihr Material nicht herausgeben; aber ich möchte
nicht glauben, dafs es zwifchen zwei fo hohen Körper-
fchaften nicht zu einem friedlichen Ausgleich der Intereffen
kommen konnte, wenn die Sache einen folchen dringend
erheifcht. Der Origenes-Text bedarf den des Hieronymus,
wie Hier, den Orig.: beide Werke mufsten gemeinfam neu
recenfirt werden. Aber felbft eine mangelhafte Recenfion
des Hieron. neben dem fo arg verftümmelten Orig.-Text
wäre beffer gewefen als gar keine. Die vereinzelten Angaben
in Kl.'s Apparat über H. bieten keinen Erfatz, den
Werth des H., den ich übrigens niedriger als Kl. einfehätze,
kann man nur ermeffen, wenn man feinen Zufammenhang
vor fich hat. So würde ich gleich 1, 5 nicht daran denken
mit Blafs und Lietzmann, weil ,H. Semper^ bietet, dei hinter
Xsyei einzufchieben, denn H. bietet dort auch noch Andres
de suo, und wenn einem i, 7 dgxsl unter Berufung auf H:
sufficiunt offerirt wird, fo fehlt der Vermerk, dafs bei H.
wiederum kein Aequivalent für oXiya fich findet. Durch
die nicht unrichtige Angabe zu 56, 7 ,H: Spiritus sanetus est1
wird der Lefer verführt mit Kl. den Text herzuftellen
xal to xvevua zb dyiov (zb jtvsvfia zb dyiov). Wer den
ganzen H.-Text anfieht, wird mindeftens das erfte to
jcvEVfia fkeptifcher betrachten: ich vermuthe, Orig. hat
gefagt xal rb dyiov — to nvev^ia entfprechend to ev&hq b
j Xgiöxoq. Zuiätze wie Kl. 56, 23 25 — dort mit dem unhaltbaren
tipd-aöe für praecesserit — fie dem Hieron. zu
Liebe übernommen hat, wird man ablehnen, wenn man
die Ueberfetzungsmanier des H. ins Auge fafst, der bald
frei verkürzt (fo nach Kl. felber im App. zu 89, 18), bald
aber auch durch breite Paraphrafe den Gedankengang
klarer zu machen fucht.

In Folge diefes Fehlers ift trotz Aufbietung der bellen
Kräfte nur ein Torfo einer allen Anfprüchen genügenden
Ausgabe der Jeremiashomilien gefchaffen worden: in merkwürdigem
Gegenfatz zu dem bei dem Danielcommentar
Hippolyts eingefchlagenen fachgemäfsen und verftändigen
Verfahren hat man es hier bei der Hälfte des Materials
bewenden laffen, und wer fich an der kritifchen Bearbeitung
diefer werthvollen Texte, die bei den ungünftigen Ueber-
lieferungsverhältnifsen auch Kl. nicht für immer hat ab-
fchliefsen können, betheiligen will, mufs nach wie vor zu
De la Rue und Vallarfi greifen.

Marburg. Ad. Jülicher.

Lang, Dompred. Priv.-Doz. Lic. A., Der Evangeliencom-
mentar Martin Butzers und die Grundzüge seiner Theologie
, (Studien zur Gefchichte der Theologie und
der Kirche, hrsg. von N. Bonwetfch und R. Seeberg,
Zweiter Band, Heft 2.) Leipzig, Dieterich (X, 471 S.
gr. 8.) M. 10.—

Einzelne Punkte aus Butzer's Theologie find hie
und da in dogmengefchichtlichen Werken, namentlich
in denen von Dorn er und Seeberg zur Sprache gekommen
; einen trefflichen, merkwürdiger Weife aber
unbeachtet gebliebenen Gefammtüberblick über diefelbe
bot fchon Hafsencamp in feiner ,Heffifchen Kirchen-
gefchichte' 1864 Bd. II, S. 368—427: es fehlte jedoch eine
ausführliche Darftellung der theologifchen Anfchauungen
des Strafsburger Theologen. Der auf dem Gebiete