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Ausgabe:

1901 Nr. 11

Spalte:

297-300

Autor/Hrsg.:

Klostermann, Erich (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Origenes Werke. III. Bd.: Jeremiahomilien; Klageliederkommentar, Erklärung der Samuel- und Königsbücher 1901

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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297 Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. II. 298

der Geift Gottes,--wohl aber aus der Lebens- I macht, auch andere Gelehrte wie Blafs, Diels, Koetfchau,

fülle Jefu, des Menfchgewordenen und Auferftandenen'.
Friedberg i. Heff. D. Weiffenbach.

Origenes Werke. Dritter Band. Jeremiahomilien; Klageliederkommentar
, Erklärung der Samuel- und Königsbücher
. Herausgegeben im Auftrage der Kirchenväter-
Commiffion der Königlich Preufsifchen Akademie der
Wiffenfchaften von Dr. Erich Kloftermann. (Die
griechifchen chriftlichen Schriftfteller der erften drei
Jahrhunderte. Band 6.) Leipzig, J. C. Hinrichs'fche
Buchh.. 1901. (LH, 351 S. gr. 8.)

M. 12. 50; geb. M. 15.—

Die beiden erflen Bände der neuen grofsen Origenes-
Ausgabe enthielten aufser dem Tractat ,vom Martyrium'
die ftolze Verteidigung des Chriftenthums durch Origenes
in den 8 Büchern gegen Celfus und die köftliche Abhandlung
über das Gebet. Der dritte, kürzlich erfchienene
Band enthält nur geringe Ueberbleibsel eines verlorenen
Reichthums, von 45 Jeremiashomilien, die Orig. veröffentlicht
zu haben fcheint, blofs 20 leidlich vollftändig, von
den übrigen die aus der Philokalie und aus mittelalterlichen
Catenen zufammengefuchten Trümmer, ebenfolche
Trümmer von dem gewifs fehr umfangreichen Commentar
des alexandrinifchen Meifters zu den Klageliedern, eine
Homilie über die Gefchichte von der Hexe zu Endor I Sam.
28, und ein par Catenenfragmente aus einer Erklärung
(Homilien oder Scholien?) der Samuelis- und Königsbücher.
Für den Kirchenhiftoriker ift der neuefte Band trotzdem
mindeftens fo intereffant und werthvoll wie die erflen;

denn abgefehen von merkwürdigen Beiträgen zur Gefchichte j der Schrift allerdings Exod. 3, 2 ein Engel, aber gefprochen

von Wilamowitz, Lietzmann, Riedel haben ihm eine Fülle
von Emendationen vorgefchlagen: die Zurückhaltung, die
er dem Angebot gegenüber beobachtet hat, verdient alles
Lob. In der Regel ändert er den überlieferten Text nur,
wo die Corruptel aufser Zweifel fteht; die halbwegs wahr-
fcheinlichen Conjecturen, zuweilen auch unwahrfcheinliche,
bleiben im Apparat flehen, übrigens enthalten auch die
Nachträge und Berichtigungen S. 348—351 noch einige
fehr anfprechende Vermuthungen in diefer Richtung, z. B.
Koetfchaus Ergänzung zu 290, 30, wobei allerdings das
überlieferte vvv zu ftreichen fein würde. Als ein Beifpiel
vorzüglicher Textemendation, die Kl. vorgenommen hat,
nenne ichS. 284, 2 denEinfchub von xmv ovv xyg loxogiag
xivd [ihv XQTjöifia, der, in feinem Wortlaut durch den Zu-
fammenhang nahezu gefichert, den Context erft verftänd-
lich macht; 196, 2. 7 wird ebenfo einStück aus der Philokalie
durch Blafs' und Koetfchaus anfcheinend geringfügige
Zufätze zurechtgerückt. Grundfätzlich bezeichnet Kl.
corrupte Stellen im Text durch f; 151, 29 aber ift das
dXXag doch fchlechthin unerträglich wie auch 284, 10 das
dvayxa'ia (oder dvayxaimg) dlrj&eia, ebenfo 137, 15 und
202, 22. Hier wird ftatt xrjg dodöecog xr/v elQ^vijV nicht
rrjv opaöiv xrjg Elorjvng fondern xrjg opdöecog x?jg elQqvrjQ
parallel dem voraufgehenden xmv t£o(ioXoyovutvcov xä>
&£<p und dem folgenden xov vlov xrjg oegtäc als Deutung
des textlichen xvxXovvxcov xrv 'IepovGaXrju einzufetzen
fein; undS. 137, 15 würde ich den Fehler nicht in olxovourj-
Gavxsg fuchen, das durch das correspondirende «/) vot'j-
Oavxsg gehalten wird, fondern in e&Xslv; dafür ift i§8lXav
zu lefen. Das dritte elxev 135, 14 zwifchen ovxmg und
ort kann nicht echt fein; follte nicht durch Umftellung ort
rixzev geholfen werden? Erfchienen ift nach den Worten

der Auslegung, des Dogmas und der Ethik, z. B. S. 160. hat 3, 6 nicht ein Engel fondern: Ich der Gott Abrahams
179fr. 184fr 301 f. über das Recht ,ökonomifch' die Un- u. f.w.— 152, 29 würde ich r/vixa löidax&i] in Iva diöax&>]

Wahrheit zu fagen, die wir hier empfangen, lernen wir in
den Jeremiashomilien den Prediger Origenes kennen, diefe
feltfame Mifchung von Studirtem und Extemporirtem, diefe
völlige Freiheit von rhetorifcher Phrafe wie von Kanzelpathos
, die hohen Anfprüche an das Intereffe feiner Hörer,
denen er die Differenzen der Textüberlieferung fo wenig
wie die der bisherigen Auslegungsverfuche vorenthält: der
Ton der Unterhaltung zwifchen Gefinnungsgenoffen, dem
die altkirchliche Predigt ihren Namen verdankt, wird von
Niemandem beffer als von Origenes getroffen. — Indeffen
es ift im Wefentlichen längft bekanntes Material, was uns
hier geboten wird, und der Werth der neuen Ausgabe
kann nur durch Vergleichung mit den früheren bzw. durch
Prüfung der Grundfätze, nach denen der Herausgeber bei
der Textesconftitution verfahren ift, feftgeftellt werden.
Wir freuen uns, ihn fehr hoch einfchätzen zu können: wenn
noch viele Stellen verdorben,Lücken unausgefüllt, Lesarten
unficher geblieben find, fo trifft die Schuld nicht den Editor
E. Kloftermann, fondern die überaus dürftige Ueberliefe-
rung. Für diejeremiashomilien befitzen wir nur eine grie-
chifche Handfchrift, einenScorialensis von ca. 1100, für die
Samuelishomilie nur einen um 100 Jahre älteren Mona-
censis; aber es ift erftaunlich, wie viele Verbefferungen
Kloftermann allein einer neuen und genauen Collation jener
Handfchriften, in zweiter Linie einer ebenfo forgfältigen
Verwertung der Zeugen zweiten Ranges, nämlich der
griechifchen Catenen und der lateinifchen Ueberfetzung
des Hieronymus, verdankt. Dafs der Scorial. nicht, wie man
bisher glaubte, blofs 19 fondern 20 Homilien zu Jeremias
enthält, indem von der achtzehnten der Schlufs und von der
neunzehnten der Anfang ausgefallen find, hat erft Kl. entdeckt
; jene hatte Jerem. 18, I—16, diefe 20, 1—7 zum Text,
die bisher als 19 geführte, in Wirklichkeit zwanzigfte, handelt
über Jerem. 20, 7—12. Die Menge offenbarer Fehler im
Scorial. hat fchon einen alten Abfchreiber — cod. Vatic.
gr. 623 — zu guten und fchlechten Conjecturen veranlafst;
Kl. hat von diefem Recht noch reichlicheren Gebrauch geändern
, 212, 28 fehe ich dagegen keinen Grund, an xrjv
Xcogav avxov zu rütteln. 155, 31 hat m. E. die Lesart von
Scor. sxelvog 6 'lopai'jX entfprechend dem xovxo xo t&vog
Alles für fich; 156, 3 ift opä ftatt dpa in S eine Ver-
fchlechterung. Ift das xaxa vor xd slptj/ievov 196, 11 in
dem einen Philocaliaftück, das in der Parallele 197, 1 fehlt
und Robinfon unbekannt ift, blofs durch ein Verfehen in
den Text gedrungen?

Derartige Verfehen find jedenfalls in diefer Ausgabe
recht feiten. Mit der gröfsten Sorgfalt ift gefchrieben,
gedruckt und corrigirt worden. Mufterhaft knapp und
präcis ift die Einleitung gehalten, wo der Verf. ja freilich
auf feinen Beitrag zu den Texten u. Unterteilungen
(N. F. I 3) verweifen konnte. Er giebt aber keineswegs nur
einen Auszug aus jener Abhandlung. Lapidarifche Kürze
zeichnet den textkritifchen Theil des Apparats aus, dankens-
werth ift, dafs in der oberen Hälfte aufser den Bibelftellen
verwandte Ausfprüche bei Philo, Chyfoftomus, Hieronymus
und aus anderen Origenesfchriften notirt werden. Auf
den Nachweis der Bibelcitate hat K. rühmlichen Fleifs
verwendet; ich vermiffe 136, 1 ein ,Vgl. Gen. 3, 17', 207, 11
ein ,1 Cor. 12, 10', 297, 12 ,Vgl. Jac. 5, 161, 294, 11 ,Vgl.
Joh. 10, 10', — der Hinweis auf I Cor. 2, 10 ift dort unangebracht
—; zu 85, 1 und im Regifter fchreibe Apoc. 15,6 ft.
16, 6. 195, 24 citirt Origenes dasfelbe Wort wie 164, 27; Kl.
nennt dort als Fundort Exod. 34, 20, hier Exod. 23, 15,
richtiger wäre, beidemal beide Stellen zu nennen und auch
zu 164, 25 zu fchreiben Exod. 23, 17 = 34. 23- Im Stellen-
regifter regt fich der Geift des Fortfehritts, indem die
Proverbia von Bd II in Proverbien verdeutfeht, die Acta
Apoftolorum zu Acta vereinfacht werden; I u. II Theflal.
treten hier plötzlich hinter Hebr., und als Beftandtheile
des Neuen Teftaments figuriren z. B. Hebräerevangelium
und II. Clem., während ein Agraphon 94, 6 nicht einmal
bei den kirchlichen Schriftftellern' feine Stätte findet.
Mir fcheint ein Regifter nicht der geeignete Ort zu fein,
um kanonsgefchichtliche Belehrung zu ertheilen noch dazu