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Ausgabe:

1901 Nr. 11

Spalte:

290-291

Autor/Hrsg.:

Schneller, Ludwig

Titel/Untertitel:

Aus meiner Reisetasche 1901

Rezensent:

Furrer, Konrad

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289

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. II.

290

Wie aber auch immer die Entfcheidung der genannten
Frage ausfallen mag, viel wichtiger ift die Be-
ftimmung der Abfaffungszeit und des hiftorifchen Werths,
der dem 2. M im Verhältnifs zum erften Buche diefes
Namens zukommt. BN fcheint mir Alter und Glaubwürdigkeit
des 2. M bedeutend zu überfchätzen. Bekanntlich
hat Luther das I. M dem andern entfchieden
vorgezogen, und dafs z. B. Bleek (a. a. O., S. 699) diefem
Urtheil zuftimmte, wundert mich nicht, fchon darum
nicht, weil BN felber (S. 5) auf die Fülle populären
Aberglaubens im zweiten Buche hinweift, während im
erften das grobe Wunder fehle. Ich kann auch nicht
zugeben, dafs der confeffionelle Gegenfatz (S. 8, vgl.
S. 19) etwas mit der Würdigung der beiden Bücher
durch die proteftantifchen Gelehrten zu fchaffen habe.
Wer durch das Tridentiner Concil und vollends durch
das 1894 in der Encyclica ,Dc studiis Scripturae Sacrad
gefprochene päpftliche Machtwort gebunden ift, der
wird allerdings die .fchlechte Meinung' nicht theilen,
welche fich ,die Theologen und im Anfchlufs an diefe
auch andere Gelehrte' gebildet haben. Anders verfährt
ein Th^Nöldeke (Die altteftamentliche Literatur. Leipzig,
1868, S. 68 f.), der gewifs den wiffenfchaftlichen Standpunkt
allen kirchlichen Ueberlieferungen und Intereffen
gegenüber ftreng wahren wollte, nichtsdeftoweniger aber
das 1. M weitaus das befte unter allen Apocryphen
nannte und keineswegs im 2. M ,die ältere und oft
reinere Quelle' fah, fondern aus den vielen Entftellungen
folgerte, dafs es im Unterfchiede von dem zu Anfang
des letzten vorchriftlichen Jahrhunderts (S. 232) ver-
fafsten 1. M den gefchilderten Ereignifsen felbft fchon
ziemlich fern flehen müffe. Während man (vgl. S. 85,
Anm. 3') mit BN leicht zwifchen 1. M 6, 13 und 2. M 9,
28 einen blofs zufälligen Anklang findet, liegt die Sache
doch wohl anders, was die beiderfeitige Stellung zum
Waffengebrauche am Sabbat (S. 5) betrifft. Willrich
(Judaica, S. 139) meint zu 2 M 15, 5 ,der Epitomator fei
als fanatifcher Pharifäer über jede Abweichung vom
Gefetz empört, wäre fie auch noch fo unvermeidlich;
Koffers erkläre daher die Unterdrückung der Verdienfte
des Mattathias ,richtig dadurch, dafs ihm der Epitomator
grollt, weil er den Rat gegeben, am Sabbath fich mit
den Waffen zu vertheidigen, ftatt correcter Weife ftill zu
fitzen und fich auf Jahve's Hilfe zu verlaffen'. Wie
Grimm mit Recht 2. M 15, 1 ff. für ungefchichtlich erklärt
, fo meine ich (Kautzfeh, Apokr. S. 82), die glückliche
Durchführung des Freiheitskrieges wäre ohne den
unzweifelhaft gefchichtlichen Befchlufs der am Sabbat
auszuübenden Gegenwehr, den der vom Epitomator mit
Stillfchweigen übergangene Mattathias mit den Seinigen
fafste, fchlechterdings unmöglich gewefen, fo dafs 2. M
15,5 in fehr verfteckter, aber doch wohl hinreichend
deutlicher Weife Widerspruch gegen 1. M 2, 41 zu erheben
fcheint. Uebrigens kann der von BN (S. 7) gegen
Kollers ausgefprochene Vorwurf, diefer laffe den Verf.
des 2. M, der fein Werk für einen Auszug aus Jafon von
Kyrene ausgebe, ,alles dem 1. M entnehmen', mich darum
nicht treffen, weil ich nie bezweifelt habe, dafs dem
offenbar gewandten und mit griechicher Literatur nicht
unbekannten Verf. aufser dem erften Buche noch andere
Quellen zu Gebote ftanden.

BN beftreitet, dafs mehr als Ein Schreiben den Anfang
des 2. M bilde, bezeichnet den Einleitungs- oder
Widmungsbrief als das vom Epitomator frei componirte
Proömium oder die Vorrede (S. 11. 15) zur folgenden
Epitome aus Jafon und folgert aus der angenommenen
Echtheit diefes 125/4 v. Chr. gefchriebenen Briefes, dafs
natürlich das Werk Jafons noch früher entftanden fei,
vielleicht (S. 37) zwifchen 161 und 153 v. Chr. Das 1. M
(S. 52) behalte ,neben dem älteren Bruder feinen Werth;
nur kann es die erfte Stelle nicht mehr behaupten, fondern
mufs fich mit der zweiten begnügen'. Gewifs läfst
es BN nicht an einer Anzahl von Gründen fehlen, die

er für feine neue, die bisher übliche Meinung für verkehrt
erklärende Anficht mit Gelehrfamkeit und Scharf-
finn entwickelt; aber ich finde den Beweis für die Ab-
faffung des 2. M durch einen einzigen Schriftfteller und
für den höheren gefchichtlichen Werth des ,älteren Bruders
' ungenügend und mufs es dem Lefer überlaffen, ob
er zu anderer Ueberzeugung gelangt und ebenfalls die
bisherige Kritik für verfehlt erklärt. Jedenfalls fagt BN
(S. 7) mit Recht, dafs man auch demjenigen, was das
2 M allein bietet, nicht ohne weiteres Glauben fchenken
dürfe. Die apologetifche Art feiner Beweisführung zeigt
fich z. B. in dem Beftreben (S. 35. 47), die für die gröfsere
Glaubwürdigkeit des 2. M ungünftige Beweiskraft der
groben Wunder dadurch abzufchwächen, dafs er auf die
Heiden hinweift, die ,nicht minder gottesfürchtig und
gläubig waren als die Juden', und die im 1. M handgreiflich
vorliegenden, befonders deutlich in den übertriebenen
Zahlen fich zeigenden Irrthümer für feine
Thefis ins Feld führt. Sicherlich ift das 1. M aus dem
Hebräifchen überfetzt, obgleich Hengftenberg das bezweifelte
; ich glaube nicht, dafs diefe Frage noch immer
,eine gründliche Unterfuchung verdient' (S. 52, Anm. 1)
und theile ebenfowenig die damit zufammenhangende
Anficht, dafs die altteftamentliche Sprache und Färbung
dem 1. M ,den ehrwürdigen Charakter unbedingter Zu-
verläffigkeit gab'. Gerne dagegen laffe ich mich von
BN (cf. S. 29, Anm. 2) belehren, das 2. M 5, 24; 12, 2
von Befehlshabern der Myfer und Kyprier die Rede ift,
da das Beftehen befonderer Truppenabtheilungen aus
diefen Völkerfchaften unter Antiochus III. und Epiphanes
durch Berichte alter Hiftoriker ficher geftellt ift. Ferner
habe ich aus S. 114 gelernt, dafs 2. M 12, 35 grade wie
kurz vorher in Vers 17, von Tubianern gefprochen wird,
nicht von Leuten des Bakenor, halte mit S. 44. Anm. 1
die früher auch von mir verkannte, gegen die Ueber-
fchätzung des 1. M gerichtete Behauptung Abr. Geiger's
nunmehr für richtig etc. etc.

Kürzer wüfste ich jetzt die richtige Anficht über
unfers Verf.'s Irrthum und Verdienft nicht auszudrücken,
als eben Wellhaufen es in der 4. Ausgabe feiner ifrae-
litifchen und jüdifchen Gefchichte gethan hat. Da lefen
wir S. 246 im Text: ,das 2. M zeigt fich vielfach als un-
zuverläffig, wo man es controliren kann', und ibid. heifst's
in der Anmerkung: ,Niefes Kritik der beiden Makka-
bäerbücher im Hermes hat mich vielfach belehrt, aber
nicht überzeugt, dafs das zweite Buch älter fei als das
erfte und den Vorzug verdiene. Nur das räume ich bereitwillig
ein, dafs auch das erfte Buch nicht frei von
Tendenz ift und namentlich die Kunft des Verfchweigens
übt, dafs es in den Zahlen übertreibt und nicht blos
den Ausdruck, fondern auch die Sachen nach biblifchen
Reminiscenzen ftilifirt. Man darf also in der That nicht
Alles durch die Brille des erften Buches anfehen.
Aber es bleibt trotzdem nichts übrig, als es zu Grunde
zu legen'.

Schliefslich bemerke ich noch, dafs der Druck des
Buches, obwohl es natürlich an Verfehen (z. B. S. I. 9.
25- 47 f. 80) nicht fehlt, in Anbetracht der vielen darin
vorkommenden Ziffern ein fehr forgfältiger heifsen mufs.

Bonn. Adolf Kamphaufen.

Schneller, Ludwig, Aus meiner Reisetasche. Wanderbuchnotizen
aus Paläftina. Leipzig, H. G. Wallmann
in Komm. (264 S. gr. 8.) M. 3.60; geb. M. 4.80

L. Schneller ift der Lyriker unter den Neueren,
die ihre Wanderungen durchs heilige Land befchrieben
haben. Beobachtungen und Eindrücke wandeln fich in
ihm leicht zu Stimmungen um; und was er empfunden,
weifs er in gehobener poetifcher Sprache wiederzugeben.
Er redet von Paläftina wie von feiner Heimath, deren
Sprache ihm von Jugend auf vertraut ift, deren Sitten