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Ausgabe:

1901 Nr. 11

Spalte:

284-287

Autor/Hrsg.:

Toy, Crawford H.

Titel/Untertitel:

A critical and exegetical commentary on the Book of Proverbs 1901

Rezensent:

Beer, Georg

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283

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 11.

284

Gleichungen Xa/ioig Syncellus p. 179 Dindorf = Khamuas,
Ovßiuäg'nci ibd. 189 = Wsr-m-r (Ramfes II.), 'Auevaxpig
rov üaaniog Jofephus c. Apion. I 232 = Amenhetep,
Sohn Hepu's hingewiefen).

Die erfte Erzählung, erhalten in einem anfangs ver-
ftümmelten, vielleicht dem 1. vorchriftl. Jahrh. angehörenden
Papyrus des Mufeum von Gizeh (früher Bulak), ift
fchon mehrfach publicirt und überfetzt. Sie handelt von
dem durch Gott Thoth felbft gefchriebenem Zauberbuch,
das, in öfacher Kifte verfchloffen, auf einer fchlangenbe-
deckten Infel im See von Koptos von einer riefigen Schlange
gehütet wird. Dem Königsfohn Nenepherkaptah aber
gelingt es, die Schlange zu töten und das Buch zu erlangen
. Dafür trifft der Zorn des Gottes erft feinen Sohn
Merab, dann fein Weib, Ahure, zuletzt ihn felbft. Aus
Nenepherkaptah's Grab will Setne Khamuas das Buch
entwenden, trotz der Drohungen des Toten, gegen den er
3 Partien im Brettfpiel verliert, jedesmal tiefer ins Grab
einfinkend, bis er fich magifch wappnet und fo das Ziel
erreicht. Aber auch ihn verfolgt der Fluch: er erblickt
ein fchönes Weib, verzehrt fich in leidenfchaftlichem Begehren
nach ihr, wird immer hingehalten und als er fie
zu umfangen glaubt, ift es ein teuflifches Phantom. Den
Gabelftock in der Hand, ein Kohlenbecken auf dem Haupt,
mufs er zu Nenepherkaptah's Grabe gehen, diefem genug
zu thun.

Intereffanter für uns ift die zweite Erzählung, die hier
zum erftenmal geboten wird nach einem 1895 zu Affuan
erworbenen Papyrus des British-Mufeum (Nr. DCIV),
welcher auf der Rectofeite Landregifter aus dem 7. Jahr
des Claudius 46/47 enthält, und auf dem Verfo noch im
1. Jahrhundert befchrieben fein dürfte. Die Ehe Setne
Khamuas' mit feiner Schwerter Mehwefekht war kinderlos
. Im Traum ward der Frau die Weifung, eine beftimmte
Melone zu pflücken und fie fich mit ihrem Gatten zu
teilen. Darauf genas fie eines Sohnes, der einem noch
vor der Geburt dem Vater gewordenen Traum zufolge
Si-Ofiri (Sohn des Ofiris, gelegentlich Titel des Horus)
genannt wird. Das Kind wächft erftaunlich rafch, fo dafs,
als es im 1. Jahr ftand, man hätte fagen follen, es wäre
2 Jahr alt. Zur Schule gefandt, wetteiferte es mit dem
Lehrer; es redete mit den Schriftgelehrten vom Haufe
des Lebens im Tempel des Ptah zu aller Verwunderung.
Eines Tages vernimmt Khamuas lautes Wehklagen: ein
Reicher wird prächtig zu Grabe getragen; dann fieht er,
wie man einen Armen hinausträgt ohne Sang und Klang.
Er meint, wie viel beffer müffe es doch auch im Jenfeits
der Reiche haben. Aber fein Sohn Si-Ofiri wünfcht ihm
das Los des Armen und führt ihn (hier ift eine Lücke,
deren wefentlicher Inhalt fich aber ergänzen läfst) in die
Unterwelt, durch ihre 7 Hallen; in deren 4. fahen fie Leute
Tantalusqualen ausliehen, in der 5. flehen Vornehme, Gewalttätige
flehend, darunter einer, dem der Thorzapfen
ins rechte Auge gedrückt ift; in der 6. flehen die Götter
der Unterwelt, in der 7. hält Ofiris, von Anubis und Thoth
umgeben, das Totengericht. Dicht bei ihm ftand, herrlich
gekleidet, jener Arme, während der Reiche in dem
Manne mit dem Thorzapfen im Auge draufsen in der 5.
Halle erkannt wird. — Als Si-Ofiri 12 Jahr alt war, kam
niemand in Memphis ihm gleich in der Kunft magifche
Schriften zu lefen. Da erfchien eines Tages vor Pharao
ein Aethiope mit einer verfiegelten Schrift: wenn niemand
fie lefen könne, ohne das Siegel zu brechen, fo folle
Aegyptens Demüthigung vor Aethiopien kund werden.
Pharao und fein Sohn Khamuas verzweifeln, aber Si-Ofiri
ift bereit und erzählt als Inhalt jener verfiegelten Schrift
die Gefchichte vom Kampfe zweier Magier aus der Zeit
Thutmofis' III. (1503—1449), des Aegypters Hör, Sohn
Pa-nefhe's, und des Aethiopen Hör, Sohn der Negerin;
fie bieten ihre magifchen Künfte gegen ihre beiderfeitigen
Fürften auf, bis letzterer unterliegt und auf 1500 Jahre aus
Aegypten verbannt wird: die find jetzt um (!), in jenem
Aethiopen fleht er wieder vor Pharao und Si-Ofiri ift kein anderer
als Hör, Paneshe's Sohn, wieder Menfch geworden, um
Aegypten gegen jenen zu fchützen. Der Aethiope wird von
magifchem Feuer verzehrt, während Si-Ofiri entfchwindet.

Der Herausgeber hat mit vorfichtiger Zurückhaltung
auf chriftliche Parallelen nur hingedeutet; ein Bericht in
der Times vom 11. Januar 1901 S. 28 redet fchon be-
ftimmter. Allerdings erinnern ja die Incarnation, die
Namengebung im Traum, das wunderbare Wachsthum,
der allen Schriftgelehrten überlegene 12jährige fcheinbar
an das Evangelium; die Geburt eines Kindes nach langer
unfruchtbarer Ehe an die Geburtsgefchichte des Johannes
und (apokr.) der Maria. Lefen ohne die Schrift zu
fehen hat feine Parallelen in der chriftlichen Legende
(vgl. Ev. Thom. 15, Ps.-Matth. 29 und meine Chriftusbilder
134. 49**). Die aus Wachs geformten Zauberpferdchen,
die nächtlicherweile von Aethiopien nach Aegypten und
zurück rennen (und das ähnliche Zauberboot) könnte man
mit den aus Lehm gebildeten Vögeln, die Jefus fliegen
läfst (Ev. Thom. 2, Ps.-Matth. 27; arab. 36. 46), die durch
die Luft fliegenden Papyrusboote mit dem Wolkenflug der
Apoftel (Apocal. apocr. p. 99 Tifchendorf), das allmähliche
Einfinken der 1. Gefchichte mit Acta Phil, in Hellade 18 ff.
(p. 102 Tifch.) zufammenftellen. Der magifche Apparat
ift eben überall gleich. Der Kampf der beiden gleichnamigen
Magier erinnert an die Kämpfe des Simon Petrus
gegen Simon Magus. Am merkwürdigften ift die Parallele
zu dem Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus.
Hier fcheint der Herausgeber chriftliche Einflüfse in der
ägyptifchen Erzählung annehmen zu wollen. Das hat
fchon zeitlich Schwierigkeiten: ift der Papyrus noch im 1.
Jahrhundert gefchrieben, fo dürfte die Gefchichte felbft
erheblich älter fein. Thatfächlich handelt es fich auch
hier wie bei den Kindheitsgefchichten nur um Parallelen.
Der Glaube, dafs das Jenfeits nicht nur die Fortfetzung
des diesfeitigen Lebens ift (diefer altägyptifche Gedanke
klingt noch mehrfach durch), fondern durch die Vergeltung
eine directe Umkehrung der irdifchen Verhältnifse herbeigeführt
werden kann, mufs fich einer ernfteren fittlichen
Auffaffung von felbft aufdrängen. Viel intereffanter als
die Analogien find die Differenzen: Jefu Gleichnis bewegt
fich in dem Gedankenkreis jüdifcher Vorftellungen, hier
thun wir Blicke in die ägyptifche Unterwelt, die eine ge-
wiffe Verwandtfchaft mit dem griechifch-orphifchen Hades
(Petrus-Apokalypfe) zeigt. Das Jefuskind der Evangelien
ift menfchlich bei allen Wundern: diefer fich vermittelt!
einer Melone incarnirende, am Schlufse als Schatten ent-
fchwindende Ofiris-Sohn erinnert an das Chriftusphantom
der gnoftifchen Apokryphen. Wie der Doketismus im
Chriftenthum entftehen, wie er als Aphthartodoketismus
fich in Aegypten bis in fpäte Jahrhunderte erhalten konnte,
das lehren uns folche demotifche Parallelen verliehen. Infofern
ift ihre Nachweifung fehr dankenswerth, ebenfo wie
wir die indifchen Analogien dankbar begrüfst haben (vgl.
Jahrg. 1896, Nr. 17, Sp. 442 fgg.). Denn nur wenn wir eine
Fülle ähnlicher Beifpiele überfchauen, werden wir das Eigenartige
der chriftlichen Erzählungen recht zu würdigen wiffen.

Noch eine Frage: der fprichwörtliche Ausdruck,feurige
Kohlen auf das Haupt des Feindes fammeln' Prov. 2522
Rom. 1220 ift immer noch nicht ganz befriedigend erklärt.
Sollte er aus der in der 1. Gefchichte angedeuteten Sitte,
ein Kohlenbecken auf dem Haupte tragend dem Beleidigten
genug zu thun, Licht empfangen?

Jena. von Dobfchütz.

Toy, Prof., Crawford H., A critical and exegetical commen-
tary on the Book of Proverbs. Edinburgh, T. & T.
Clark, 1899. (XXXVI, 554 S. gr. 8.) Geb. M. 12.—

Die Engländer find um die altteftamentliche Hälfte
ihres international critical commentary', von dem der anzuzeigende
Commentar Toy's einen Theil bildet, zu
beneiden. Wir Deutfche befitzen zwar in den Concurrenz-