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Ausgabe:

1901 Nr. 9

Spalte:

250

Autor/Hrsg.:

Moeller, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Lehrbuch der Kirchengeschichte. Dritter Band. Reformation und Gegenreformation. 2., überarb. u. verm. Aufl 1901

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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249

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 9.

250

Liegnitz zurück nicht nach Wittenberg ging, um Luther
und Melanchthon perfünlich kennen zu lernen. Man
kann nur lebhaft bedauern, dafs das Verzeichnifs der von
Joh. Bullinger benützten Quellen beweilt, wie fremd ihm
Luther's Schriftauslegungen waren, und man darf daraus
einen Schlufs ziehen, wie fremd fich auch Bibliander in
feinen Lehrvorträgen zu Luther's exegetifchen Schriften
ftellte. Und doch war in Bibliander's Art fo manches,
was ihn zu Luther hätte hinziehen müffen. Er fühlt fich
als ,guter Bürger des deutfchen Reiches' (S. 93, S. 87
u- 112) und hat ein warmes Herz für die deutfche Mutter-
fprache. Seine Anfchauung vom Werth der Sprachen
für die Theologie (vgl. noch die hübfche Aeufserung
über Themiftokles S. 35), berührt fich vielfach mit Luther,
der Bibliander und feinen Verleger Oporin aus der Verlegenheit
rifs, als der Rath von Bafel den von Bibliander
herausgegebenen Koran mit Befchlag belegte und den
Verkauf verbot. Denn Luther war ganz derfelben Meinung
wie Bibliander, dafs eine Veröffentlichung des Korans die
befte Waffe gegen den Islam fei. Noch merkwürdiger
ift, dafs Bibliander 1555 in feiner Schrift ,J)e mysteriis
salutiferae passionis et mortis Jesu Messiac' eine der frühen
Reformationsfchriften Luther's mit abdrucken liefs. Ihn

Moeller, f Prof. Dr. Wilh., Lehrbuch der Kirchengeschichte.

Dritter Band. Reformation und Gegenreformation.
2. überarbeitete und vermehrte Auflage. Neu bearbeitet
von Konsist.-Rat Prof. Dr. Gustav Kawerau.
Freiburg i. B. 1899, (Tübingen,) J. C. B. Mohr. (XV,
460 S. gr. 8.) M. 10.— ; geb. M. 12.50

Die 1894 erfchienene erfte Auf läge diefes vortrefflichen
Buches habe ich in diefer Zeitung 1894 Sp. 490—94 angezeigt
. Dafs fchon nach fünf Jahren eine neue Auflage
nöthig geworden ift, ift ebenfo erfreulich als begreiflich.
Das Buch ift der heften kirchengefchichtlichen Bücher
eines, welche das letzte Menfchenalter uns gebracht hat.
Da die Anlage des Buches diefelbe geblieben ift — nur
in dem Abfchnitt über ,die Jahre der Klärung und der
Scheidung 1524. 25' ift K. mit einer Aenderung der Dis-
pofition auf die Bedenken eingegangen, die ich a. a. O.
Sp- 493 geäufsert hatte —, fo kann diefe Anzeige fich
darauf befchränken, der neuen Auflage nachzurühmen,
dafs die rege Arbeit auf reformationsgefchichtlichem Gebiet
von dem Herrn Verfaffer mit gröfster Genauigkeit
verfolgt ift. Nicht nur die Kirchenhiftoriker, auch die
Profanhiftoriker werden dem Verf. dafür zu aufrichtigem

- . .--------...... .. .n.v i. u^iu . LH. uaiUI /. U lUlHILHLIVLlll

meint er wohl auch, wenn er fich im Vorwort zu leiner Daau.e verpflichtet fein. Dafs trotz der Erweiterung, die
Ausgabe des Esra auf einen ,fehr hochftehenden Doktor manches Detail erfahren hat, der Umfang des Buches
beruft, deffen Schriften er gelefen, und der Rom die purpur- nur um 2Q Seiten gewachfen ift, hat der Verf. durch
bekleidete Buhlerin Babylon nannte (S. iioj, und imKampt | reichlichere Anwendung des Petitdrucks erreicht. Im Titel
gegen J. Weftphal legt der Mann, der e.nft die Goncordie ! ift das unter Benutzung des Nachlaffes von W. Möller'
fo bitter bekämpfte, Werth darauf zu zeigen, dafs die mit Recnt , . ~ djefer Zeitung Sp. 491) weg-

Uebereinftimmung zwifchen Lutheranern und Zw.nghanern , gefallen< Das Buch ift Kawerau's Eigenthum; auch wenn
gröfser und fetter fei, als die Feinde des Evangeliums £S im buchhändlerifchen Intereffe unter dem gefchätzten
wahnen und zugeben. 1552 nennt er Luther den etcmms Namen des verftorbenen W. Möller ausgeht.
theologus. &ha follte es nicht iron.fch gemeint fein wenn Nur ejne fachiiche Bemerkung möge mir gettattet

er 1543. bei der Erregung über die Concordie Luther I fc. obwohl fie njcht erft durch diefe „eue Auflage an-
den tpsissimus Helios nennt? Vgl. S.6S Anm. 2 , t ift Aus Examinator-Erfahrungen weifs ich, wie

I ragifch ift das Ende von Bibliander slhatigkeit. M.t i fchw6er es den Studenten wird, das Wefen der Gegender
Berufung PeterMartyr Vermighs nach Zürich begannen ; reformation zu verttehen, gefchweige denn auseinander-

zufetzen. Dafs es bei der contrareformatorifchen Bewegung
fich nicht nur um Gegenwirkungen gegen den

die Reibungen zwifchen diefem ftrengen Prädeftinatianer
und Bibliander, der gereizt und empfindlich wurde, die
Frifche und Freudigkeit in feinen Vorträgen verlor und
auf feinen Gegner ftichelte, ja nach der Sage ihn fogar

Proteftantismus, fondern auch um eine innere Erneuerung
mit der Waffe forderte, worauf er wegen" .Blödigkeit 1 <jef K?™0»*^ han-
des Hauptes' auffallend rafch vom Rath zur Ruhe o-e- : g!,,' .da l,g dank der Einwirkung veralteter Noth- und
fetzt wurde. Der Einflufs der Weifchen auf die Ge- «llfsbuchlein unfern Studenten nicht leicht ein. Kawerau
fchichte der deutfchen Reformation und der Reforma- g d,fur' ,feunen ,rn 'die Reftauration dt-'s Katholi-
toren, wobei auch Flacius nicht zu vergeffen ift, ift ! ,'smrUS deuthcb zu machen. Aber m. E. bleibt der Begriff
noch ein unbefchriebenes Blatt. der Gegenreformation ein unklarer, wenn von,Gegen-

Egli darf in den verfchiedenften Zweigen der Wiffen- ! {:e.ormatlc,n neben der .Reformation' fchon für die Zeit
fchaft auf Dank rechnen, denn nicht nur die Theologen 1517 geredet wird, und dementfprechend die Zeit der

fondern auch die Philologen, nicht nur die Freunde der '< ei^ntiJcnen .Gegenreformation' unter den Titel geftellt
Miffionsgefchichte, fondern auch die der Sprachphilofophie n '„ mpzrwl^

müffen von Bibliander und feinen fermenta cognitionis ! Zf? 1 u rr" Vterfa^er_' der fchon bei der erften Auflage,
Notiz nehmen. .Herr Tilemann, der fo ausgezeichnete 7 u r V°!h1eIbft weifs' mit meinen ,Dispofitionen'
»*— ->—/• • -."« "iiiclc, , r,ch freundhehft auseinandergefetzt

provinzial und Weihbifchof in Bafel. Vgl. Kolde, Deutfche
Aug. Congregation 166, und feine Predigt über den Anti-
chrift bei Burkhardt-Biedermann, Amerbach S. 366. Nach
Württemberg ift Bibliander auf der Reife nach Liegnitz
nicht gekommen, S. II. Denn diefes Land war damals

dritten Auflage, die das Buch zweifellos und hoffentlich
auch lein Verfaffer erleben wird, zu prüfen, ob die Erwägungen
richtig find, die ich in meinen inzwifchen
reiler gewordenen Dispofitionen (Grundlinien der Kirchen-
geicnichte § 259) angeftellt habe. Finden die dort ge-

öfterreichifch, und der Bundesprofofe Aichelin hängte ! SeDer)en Ausführungen über ,das Verhältnifs der Gegen-
jeden Evangelifchen. der ihm in die Hände fiel Der ^!°rmabon zur katholifchen Reftauration' Kawerau's

herzogliche Sekretär Joh. Kornmeffer oder Frumentanus,
der wohl den Zürichern vom Befuch Herzog Ulrich's her
bekannt war, hatte feinen Herrn nach Heften begleitet,
wo Ulrich feit Weihnachten 1526 bis zur Rückkehr in
fein Land 1534 eine Zuflucht gefunden hatte. Vgl. Stälin,
württb. Gefchichte 4, 334 ff- Die Begegnung Bibliander's
und Kommeffer's dürfte alfo in Kaffel oder einem der
heffifchen Schlöffer, wo Ulrich abwechfelungsweife weilte,
ftattgefunden haben.

Nabern. G. Boffert.

! Ellh_gung, fo zweifle ich nicht, dafs kein Buch in dem
1 Mafse im Stande wäre, fie zur allgemeineren Geltung zu
bringen, wie das feinige, das jeder kennt, der minder
Gefchichte der Reformation und Gegenreformation (ich
befchäftigt.

Halle a- S. Loofs.