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Ausgabe:

1901 Nr. 9

Spalte:

246-249

Autor/Hrsg.:

Egli, Emil

Titel/Untertitel:

Analecta Reformatoria 1901

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 9.

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des Nie. de Grave aus den Jahren 1520 bez. 1521 (f. S. 78).
Bekannt geworden find ferner die Refolutionen zu den
Theten — fie find bereits 1518 nach Löwen gekommen
und haben noch ehe die Bafeler Sammlung von Luther-
fchriften erfchien, den Anftofs gegeben zum Vorgehen
der dortigen theologifchen Facultät (f. den die Angaben
in der Weim. Ausg. VI S. 170 ergänzenden Brief des
Latomus S. 35). Ueber die Verbreitung von de cäptivitate
babylonica haben wir jetzt aufser der Notiz Dürers (f. oben),
die Hoop-Scheffer (S. 112) allein anführen konnte, noch
ein weiteres Zeugnifs (f. S. 113). De votis monasticis fcheint
auch nach den Niederlanden gedrungen zu fein (f. S. 246).
Weitere Lutherfchriften werden nicht genannt (f. darüber
Hoop-Scheffer S. 361 ff.), hingegen wird ein bis
jetzt unbekannter Druck einer Schrift gegen Luther, des
Urtheils der Parifer Theologen von 1521, erwähnt. Der
Mönch Jan Roeyaert erzählt im April 1522 hoc dal hy de
sentencic, gheghevene te Paris jeghens Luuter te Antwerpen
hadde doen stellen ende prenten van den Lattyne int
Vlaemsche (S. 112). Daran anfchliefsen möchte ich die
zahlreichen Notizen über die .Summa der h. Schrift'. Am
31. Januar 1524 taucht fie erflmalig in Delft auf (Nr. 193),
um dann immer wieder ebenfo oft verboten wie verkauft
zu werden (f. Nr. 195, 205, 224, 234). - Die Urtheile der
Cölner und Löwener Theologen gegen Luther bietet
Fredericq nach dem Originaldruck; da die Weimarer
Ausgabe (Bd. VI S. 170fr.) denfelben nicht benutzen konnte,
notire ich kurz die Abweichungen: S. 175, 14 der W. A.
cum syncera fehlt im Urdrucke, 22 lieft der Urdruck
Lutheri, 23 facie ftatt acte, S. 176, 4 propter ftatt praeter
(oder hat Fr. bez. einer feiner Schüler die Abkürzung
falfch aufgelöft?) 11 succurrunt, S. 177, 5 canones, 10
accidentia, 26 est unter Auslaffung von id est. S. 178 20
fehlt domini vor Leonis. S. 174 19 lieft der Urdruck hoc
ftatt hämo (oder wiederum falfche Auflöfung?) S. 179 20
Lutheruin unter Auslaffung von in lucein, 27 morali ftatt
mortali (Druckfehler bei Fr.?), und Z. 35 fehlt sed-patiatur.
— Ueber die neuen Auffchlüffe, welche Fr.'s Acten-
publication für ,die erften Märtyrer des evangelifchen
Glaubens' bietet, hat O. Clemen in feinen ,Beiträgen zur |
Reformationsgefchichte' S. 40ff. (cf. oben) eingehend gehandelt
. Darnach fleht es endgültig feft, dafs nur zwei
Auguftiner verbrannt wurden; der dritte wurde zwar de-
gradirt (für die Sprachfreunde fei die Verdeutfchung:
Entweihung für degradatio S. 194 notirt!), aber aus nicht
ficher zu beftimmenden Gründen nicht zur Hinrichtung
geführt. Es war Lambertus de Thoren, der erft 1528 ftarb.

Eine eigenthümliche Stellung nimmt Erasmus zu den
niederländifchen Ketzerverfolgungen ein; ängftlich befliffen
von fich das odium haeresis Lutheranae abzuwehren und
lediglich aus perfönlichen Motiven die Inquifitoren tadelnd
haftet fein ganzes Intereffe lediglich an der Bedrohung
der Wiffenfchaft durch die Inquifition —: ,die Welt kann
den Tod Luther's verfchmerzen, den der Wiffenfchaften

niemals'. _ Sehr überrafcht ift man am Schlufse des

holländifchen Berichtes über Jan van Woerden zu lefen:
by my Pecter Stesser alias Lodowijk Heiser. Das
kann doch kaum ein anderer fein als der bekannte Ana-
baptift (f. Hegler R. E.3 VII 325ff-)-1) Aber wie trat er in
Beziehungen zu den Niederländern? Darüber war bisher
nichts bekannt. Und wenn diefeSchwierigkeit fich allenfalls
löfen liefse, darf man Hetzer Kenntnifs der niederländifchen
Sprache zutrauen? Wohl kaum; es müfste alfo angenommen
werden, dafs ein Bericht, den Hetzer im engen
Anfchlufs an die lateinifche Erzählung des Gnapheus
aufgefetzt hatte, etwa handfehriftlich einem Niederländer
in die Hände fiel, der ihn überfetzte. Aber das heifst
eine Hypothefe durch eine neue ftützen. Vielleicht hat
der Verfaffer, um fein Büchlein zugkräftiger zu machen,
das alias L. H. hinzugefetzt — oder es ift ein zweiter
Ludwig Hetzer. Auffallend freilich bleibt das zweimalige

i) Fr. äufcert fich weiter nicht über ilie Frage.

Hutten'fche: Ic hebtghewaecht, das fich bei einem Deutfchen
beffer erklärt als bei einem Niederländer. Das Neue des
,Hetzer'fchen' Berichtes gegenüber dem des Gnapheus
befteht hauptfächlich in der Einfügung eines Gefpräches
des Jan van Woerden mit feinem Vater. Aber in dem
holländifchen Bericht über diefes Gefpräch ift nicht Alles
in Ordnung. Der Vater tritt zweimal auf, einmal am 13.
Juli, das zweite Mal etwa 8 Tage fpäter. Aber beim
zweiten Male fleht es aus, als käme der Vater zum erften
Male, er fowohl wie der Sohn wiffen von dem früheren
Gefpräche nichts! Das könnte auf handfehriftliche Aufzeichnungen
führen (f. oben); es waren urfprünglich zwei Berichte
über diefelbe Sache, die der Ueberfetzer für zwei ver-
fchiedene Stücke hielt. Das find freilich nur Vermuthungen.

Doch ich breche ab, um zum Schlufse ein von K.
Müller zum zweiten Bande ausgefprochenes desiderium zu
wiederholen, den Wunfch nach gröfserem Drucke und
nach Ziffern, die an den Seiten die Zeilen angeben. Der
kleine Druck hat fich am Herausgeber felbft gerächt;
denn der Druckfehler find relativ viele, (cf. S. 15 Z. 9 v. u.
consilii ftatt concilii, S. 19 Z. 4 v. u. Schoockins Z. 3 v. u.
zieb S. 34 Z. 13 v. u. apostolico und noch viele andere).
S. 19 Z. 14 v. o. ift ftatt Sylvanus zu lefen Saganus
(f. Hoop-Scheffer S. 83) und S. 32Z. 9 V. u. ftattMespergen-
sisi>)') Merspurgensis(denn gemeint iftMerfeburg f.Köftlin:
M. Luther4 I S. 382, nicht Wittenberg (fo Fr. S. 23))
fowie S. 277 Z. 3 v. u. Nausca ftatt Neusera (?) und S. 82
Z. 6 v. o. non ftatt von (?). Endlich ift Nr. 32. 17 kal. Jul.
nicht auf den 17. Juli, fondern auf den 15. Juni zu datiren.

Möchte doch Fr.'s verdienftvolles Werk Anftofs geben
zu einem analogen Werke für Deutfchland! Wer einmal an-
läfslich einer Studie zur Gefchichte der Ketzerverfolgungen
in Deutfchland fich mühfam das Material allenthalben hat
zufammenfuchen müffen, kann nicht ohne Neid von dem
Fr.'fchen Werke fcheiden. Vielleicht wäre es auch für
den Herausgeber fchönfter Lohn feiner mühevollen Arbeit,
wenn fie zu analogen Publicationen Anlafs würde.

Giefsen. W. Köhler.

Egli, Prof. D. Emil, Analecta Reformatoria. II. Biographien:
Bibliander. Ceporin. Johannes Bullinger. Mit
drei Tafeln. Zürich, Zürcher & Furrer, 1901. (V,
172 S. gr. 8.)

Rafch hat Egli dem erften Bande feiner Analecta
Reformatoria, welcher der Perfon Zwingli's und feiner
Wirkfamkeit gewidmet war, den zweiten Theil folgen
laffen, der durch die Fülle des Neuen, das geboten wird,
wie durch die fchöne, forgfältige Verarbeitung ebenfo
angenehm überrafcht, wie der erfte. Er enthält drei
allerdings an Umfang und Bedeutung ungleiche Biographien
von Theodor Bibliander, Zwingiis Nachfolger
als theologifcher Lehrer (S. 1—144), dann deffen Lehrer
Jak. Geporinus, d. h. Wiefendanger, dem erften Lehrer
der biblifchen Sprachen an der neuerrichteten Schule in
Zürich (S. 145—160), und endlich von Joh. Bullinger,
dem älteren Bruder des Reformators Heinrich Bullinger
(S. 161—172). Alle drei Lebensbilder geben ein fehr
deutliches Bild von dem eingehenden und anhaltenden
Schriftftudium, das Zwingli in der Züricher Kirche hervorgerufen
hatte, und das durch die täglichen Vorlefungen,
die Prophezey, unter den Geiftlichen der Stadt und durch
,Nach- und Abfchriften' auch unter den Landpfarrern
genährt und vertieft wurde. Die lateinifche Plandbibel
des einfachen Landpfarrers Joh. Bullinger ift von Dez.
1530 bis zu feinem Tode am 15. Aug. 1570 fünfmai
durchgearbeitet. Sie ift mit Anmerkungen bedeckt, welche
Erklärungen aus Bibelkommentaren und Beiträge aus
alten und neuen Schriftftellern geben. Da find Kommentare
genannt von Hefychius, Primarius, Aretas von

1) Die Fragezeichen find von Fr. gefetzt.