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Ausgabe:

1901

Spalte:

233-237

Autor/Hrsg.:

Jensen, P.

Titel/Untertitel:

Assyrisch-babylonische Mythen und Epen 1901

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Göttingen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 18 Mark.

NE- 9. 27- APril *9oi. 26. Jahrgang.

J e n f e n, Affyrifch-babylonifche Mythen und Epen,
I. Hälfte [Keilinfchriftliche Bibliothek VI, 1]
(Budde).

Chajes, Beiträge zur nordfemitifchen Onoma-

tologie (Neflle).
Drummond, The relation of the apostolic

teaching to the teaching of Christ (Clemen).

Stewart, Thirteen Homilies of St. Augustin
on St. John XIV (Jülicher).

Fredericq, Corpus documentorum inquisitionis
haereticae pravitatis Neerlandicae, Vierde Deel:
1514—1525 (Köhler).

Egli, Analecta Reformatoria II (Bossert).

M o e 11 e r, Lehrbuch der Kirchengefchichte, 3. Bd.,
2. Aufl. bearb. von Kawerau (Loofs).

Scheler, Die transscendentale und die psy-
chologifche Methode (Ritfehl).

Diehl, Die Bedeutung der beiden Definitorial-
ordnungen von 1628 und 1743 für die Ge-
fchichte desDarmflädterDetinitoriums (Köhler).

Jensen, P., Assyrisch-babylonische Mythen und Epen. 1. Hälfte, j Diefelben unfehätzbaren Eigenfchaften fpiegeln fich

(KeilinfchriftlicheBibliothek. Herausgegeben vonEberh
Schräder. VI. Band. Mythologifche, religiöfe und verwandte
Texte. 1. Teil.) Berlin, Reuther & Reichard,
1900. (XXII, 320 S. gr. 8.) M. 13.—

Der Theil, deffen erfte Hälfte (S. 1— 301 die Texte
S. 302—320 der Anfang des Commentars) hier vor uns

in der Ueberfetzung. ,Was meine Ueberfetzungen angeht',
fagt der Verf. felbft S. XIX, ,fo ift es mein ganzes Benreben
gewefen, möglichft, und wenn es fein mufste, bis zur
Gefchmacklofigkeit wörtlich zu überfetzen. Wie oft fich
gerade in affyriologifchen Werken felbft der Berten unter
einer flotten — oder bombaftifchen — Ueberfetzung ein
„Ich weifs nicht, was foll es bedeuten" verbirgt, davon

liegt, enthält mit einem Worte diejenigen religiöfen Texte, 1 !iefse fich manche Stunde reden'. In der That wird

die in epifcher Form verlaufen. Der zweite Theil foll
eine Auswahl aus den Hymnen, Zaubertexten, Ritualtexten
u. f. w. bringen, ferner aus den Omentexten, Aftrologifch-
Aftronomifchem und Sonftigem, wie Sprüchwörtern, das
in den anderen Bänden keine Stelle finden konnte. Man
dürfte danach wohl erwarten, dafs der Gefammttitel des
VI. Bandes zuletzt fchlichtweg lauten wird ,Religöfe
Texte', etwa mit dem Zufatze, ,und Nachträge' oder dergleichen
. Was uns diesmal geboten wird, ift keine Auswahl
, fondern alles, was an Mythologifch-Epifchem bisher
aufgefunden ift. Wo kleine Bruchftücke übergangen
find, werden befondere Gründe dafür angegeben (vgl.
z. B. S. IOO f. Anm. 2), zwei wichtigere Nachträge dagegen
find noch in die Vorbemerkungen (S. XVII f.)
eingefügt. Wir müffen folche Vollftändigkeit mit Freude
begrüfsen, weil diefe Abtheilung gerade für uns befon-
ders grofse Bedeutung hat. Ein Ueberblick des Gebotenen
wird deshalb reichlich lohnen; von einer Kritik
könnte felbft dann keine Rede fein, wenn der Bericht-
erftatter der in dem Buche geleifteten philologifchen
Arbeit als Fachmann gegenüberftände, weil, wie der
Verfaffer S. XI ausdrücklich betont, dazu erft der Ab-
fchlufs des Commentars abzuwarten wäre. Wie die
Dinge liegen, find wir jedenfalls die tertii gaudaites,
die aus allem Streit, der im Lager der Affyriologen tobt
und als unfehädliches Wetterleuchten auch durch die
Vorbemerkungen diefes Bandes zuckt, nur den Vortheil
immer weiterer Klärung des affyrifchen Himmels ziehen
können. Aber der damit ftillfchweigend ausgedrückte
Vorbehalt braucht in diefem Falle keineswegs geprefst
zu werden; denn einer fichreren Führung als der P. Jenfen's
könnten wir uns fchwerlich anvertrauen.

Die Vorficht und Gewiffenhaftigkeit, mit der Jenfen
verfährt, tritt fchon in der typographifchen Wiedergabe
des Textes wie der Ueberfetzung deutlich zu Tage. Es
gilt ideographifche und Lautfchrift, fichere und unfichere
Ueberfetzung, Vorhandenes und Ergänztes, Text und
v arianten, lautbaren Text und Determinative oder Com-
plemente: alles dies in derfelben einzigen Druckzeile fo zu
bezeichnen, dafs es auf den erften Blick unterfchieden werden
kann. So verwickelt das aufS. XI ff. dargelegte Verfahren
ericheint, fo bald gewöhnt man fich doch an feine Handhabung
, und der Druck fieht, wenn man das Geleiftete in Erwägung
zieht, überrafchend und wohlthuend einfach aus.

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jede Umfchreibung, jede Auflöfung eines tropus oder
eines Bildes, die fich einbürgert, ein fchweres Hindernifs
eines richtigeren Verftändnifses, das doch in ungezählten
Fällen erforderlich fein wird. Als aufmerkfamer Lefer
diefes Buches möchte ich Nachdruck darauf legen, dafs
mich die wörtliche Wiedergabe, fo wunderliches Deutfch
fich manchmal dabei ergiebt, doch nie im Verftändnifs
des Sinnes behindert hat. Andererfeits gewährt fie einen
Einblick in die Vorftellungs- und Empfindungsweife des
fo redenden Volkes, der durch nichts anderes erfetzt
werden kann. Und vollends wird jeder Lefer, der verwandte
Sprachen beherrfcht, fofort auf die Zeichen diefer
Verwandtfchaft aufmerkfam werden, auch, wo fie über
die Grenzen des gemeinfamen Wortfchatzes, der eine
Verfolgung auch im affyrifchen Texte erlauben würde,
hinausgehen. Jenfen's Verfahren dürfte deshalb durchaus
zu billigen und deffen Befolgung auch anderwärts dringend
zu empfehlen fein.

Und nun zu dem Inhalt! Das Verzeichnifs zu Anfang
weift im Ganzen 11 Nummern auf, die nach einer
Art mythologifcher Chronologie einerfeits, der Aehnlich-
keit des Inhalts andererfeits, angeordnet find. Anfang,
Mitte und Ende bilden alte Bekannte, die Schöpfungsmythen
(I), Istar's Höllenfahrt (VI) und das Gilgamis
(Nimrod)-Epos mit der Sintfluthepifode (IX). An das
letztere fchliefst fich aufser einem nach Inhalt und Abzielung
kaum deutbaren Bruchftücke (XI), das ver-
fuchsweife ,Der Kö,nig von Kutha' benannt ift, nur
noch ein Stück (X) ,Ia(?) und Atar-hasls (?)', weil es von
dem Helden der Sintfluth zu erzählen fcheintfvgl. den Beinamen
S. 280 f. 282 f. 290 f.). Im Uebrigen folgt auf die
Schöpfungsmythen ein Bruchftück ,Bel und der LABbu'

(II) , das Bei ebenfo wie dort als Befieger eines Ungeheuers
zeigt, und die ,Mythen von Zü, dem Sturmvogel'

(III) , bei denen es gilt, die geraubten Schickfalstafeln wieder
zu erlangen, wie dort, fie Tiämat bezw. Kingu abzunehmen
. Mit IV, dem ,I(U)ra-Mythus', (I(U)ra ein Doppelgänger
Nergal's), treten wir in den Bereich der Totenwelt
ein; die neben Gewaltigen I(U)ra's erinnern unmittelbar
an die apokalyptifchen Reiter, aber wer diefen Gelang
zu ihres Herrn Ehren fingt, zugänglich macht oder
überliefert, foll von ihnen verfchont bleiben. Genau wie
in unferem alten Volksliede: ,Nun merket auf, ihr Fraun
und Mann, Und wer dies Liedlein fingen kann, Der fing

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