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Ausgabe:

1901 Nr. 7

Spalte:

197-198

Autor/Hrsg.:

Dufourcq, Albertus

Titel/Untertitel:

De Manichaeismo apud Latinos quinto sextoque saeculo atque de latinis apocryphis libris 1901

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Seite 1

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197

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 7.

198

die H. Schrift und der chriftliche Gottesdienft die Grundlage
der myuifchen Ausdeutung bilden. Der Beweis
diefer literarifchen Abhängigkeit ift: erfchöpfend und für
immer geführt. Zuweilen allerdings in ermüdender Breite;
kaum ein Leier wird ihn vollftändig verfolgen. Verf.
bietet aber noch mehr. Um fein Refultat gegen den
Einwand ficherzuftellen, die Uebereinftimmung erkläre
lieh aus der beiderfeitigen Verarbeitung neuplatonifchen
Gemeingutes, verfolgt er die wichtigeren der in Betracht
kommenden Begriffe durch die ganze neuplatonifche Literatur
hindurch, dabei Plato zum Ausgangspunkt nehmend,
auch Philo berückfichtigend, weil beide wohl als Hauptquelle
der Pfeudodionyfifchen Philofophie ausgegeben
worden find. Dabei ergiebt lieh, dafs viele Ausführungen
des Pf.-Dion. fich nur bei Proklus finden und auch neu-
platonifches Gemeingut meift in fpeeififeh Proklifcher
Formulirung dargeboten wird. So wächft die Arbeit
über den Rahmen einer literarhiflorifchen Studie hinaus
und bietet wichtige Beiträge zur Entwickelungsgefchichte
einzelner Vorftellungen, die in der neuplatonifchen wie
altchrifllichen Myftik von grundlegender Bedeutung find.
Die qucllenmäfsigen Nachweifungen über Enthufiasmus
und Ekftafe, über myllifche Einigung und Vergottung
find für den Theologen befonders werthvoll.

Irreführend find Titel und Eintheilung. Verf. theilt
den Stoff in zwei Hälften, die er überfchreibt: ,Pf.-D. u.
der Neuplatonismus', ,Pf.-D. u. das Myfterienwefen'. Von
dem einleitenden Paragraphen abgefehen ift jedoch in
diefem zweiten Haupttheile genau ebenfo Händig von
Proklus und dem Neuplatonismus die Rede wie im
erften. Es pafst allein die Ueberfchrift: Pf.-D. u. die
neuplatonifche Myftik, oder vielmehr, da der Titel des
erften Haupttheiles das ganze Werk in fich fchliefst, hätte
die Eintheilung in die vorliegenden zwei Haupttheile
als unlogifch einfach wegzufallen. Verf. fagt ganz richtig:
,Seine (des Pf.-D.) Beziehungen zum Myfterienwefen find
durch die neuplatonifche Literatur und fpeciell durch
Proklus vermittelt' (S. 259 vgl. 97). Die Sache liegt doch fo:
Eine Reihe von myfhfchen Vorlt eilungen, Ausdrücken u.f. w.,
die dem Myfterienwefen eigenthümlich find, haben von
Plato an in fteigendem Mafse die Vorftellungswelt und
Sprache der Philcfophen beeinflufst, zumal die des Neuplatonismus
, und fpeciell des Proklus, durchwirkt und
durchtränkt. Diefe Gedankenwelt reproducirt Pf.-D. in
ihrer Gefchloffenheit, ohne auf die einzelnen Beftandtheile
zurückzugehen, aus der fie geworden. Will man unter
diefen Umftänden von ,Beziehungen zum Myfterienwefen'
fprechen, fo läfst fich der Ausdruck ja rechtfertigen,
bleibt aber mifsverftändlich; man kann dann mit dem-
felben Rechte von .Beziehungen' des Autors etwa zum
antiken Orakelwefen reden (vgl. § 6). — Wenn die Berufung
der Neuplatoniker auf Orakel und fonftige alte
Autoritäten als ein erfolgreicher ,Coup' hingeftellt wird,
ausgeführt in der Abficht, das Heidenthum dem Chriften-
thum gegenüber coneurrenzfähig zu machen, es nach
chriftlichem Mufter zu reftauriren (S. 40, 43 f., 110), fo
dürfte folche Auffaffung nicht auf der Höhe gefchicht-
licher Erkenntnifs ftehen. Auch die Erklärung der
Schriftftellerei des Pf.-Dion. aus der Abficht, dem gefährlichen
Neuplatonismus .Concurrenz zu machen' und
die heidnifche Philofophie mit ihren eignen Waffen zu
bekämpfen (S. 257), fcheint mir fehr fraglich. Wer in
feiner Gedankenwelt fo lebt und webt wie unfer Autor,
für den ift fie mehr als eine Kampfrüftung, die er willentlich
hätte an- und ausziehen können.

Lingolsheim b. Strafsburg i. E. G. Anrieh.

Dufourcq, Albertus, De Manichaeismo apud Latinos quinto
sextoque saeculo atque de latinis apoeryphis libris. Thesis.
Paris, A. Fontemoing, 19/00. (112 S. gr. 8.)

Aus dem Titel der Arbeit läfst fich der Inhalt des
Buches kaum erfchliefsen. Der Verfaffer, ein Schüler

Ludwig Duchesne's, handelt zuerft von den Fälfchungen,
die im Zeitalter der Päpfte von Leo dem Grofsen bis auf
Hormisdas (f 523) entftanden. Es find der liier pontifi-
ca/is, den er mit Duchesne um 530 abgefafst fein läfst,
das ältefte römifche Sacramentarium, das in die Zeit des
Papftes Symmachus (f 514) gehört, das Martyrologium
romanum, eine Reihe von Märtyreracten und endlich das
Feriale hieronymianum aus der Zeit Leo's. Alle diefe
Bücher find pfeudonym, das Papftbuch wird dem Damafus,
das Feriale dem Hieronymus, dasSacramentarium vielleicht
Leo dem Grofsen, das Martyrologium und einige Märtyreracten
dem Eufebius zugefchrieben, und auch die damals
verfalsten Sammlungen des Kirchenrechtes von dem
römifchen Mönche Dionyfius Exiguus werden unter das
Patronat der Apoftel geftellt. Dafs diefe Fälfchungen
damals entftanden, erklärt Dufourcq daraus, dafs fie dem
Papftthume dienen follten, das nach dem Falle des weft-
römifchen Kaiferthums einen gewaltigen Auffchwung nahm.
Darauf wendet er fich der apokryphen Schriftftellerei in
dem Zeitalter von Auguftin bis Leo zu. Wenn die oben genannten
Schriften lateinifchen Urfprunges und katholifchen
Inhaltes find, fo find jene Schriften griechifchen Urfprunges
und häretifchen Inhaltes. Und zwar gehen fie auf die Mani-
chäer zurück, die apokryphe Apoftelacten und Evangelien
fchrieben, um möglichft unauffällig ihre ketzerifchen Lehren
zu verbreiten; als nun aber der Manichäismus im fünften
und fechften Jahrhunderte in allen Provinzen des Abendlandes
eine grofse Verbreitung fand, indem fich die
Anhänger der heidnifchen Kulte des Mithras, der Ifis
und Cybele ihm zuwandten, fah fich die katholifche
Kirche zu einer energifchen Bekämpfung diefer Bewegung
genöthigt. Seit Leo wurden nun apokryphe Apoftelacten
und Evangelien verfafst oder manichäifche katholifch
redigirt, um den katholifchen Chriften unfehädlichen Er-
zählungsftoff zu bieten. Hierhin zählt D. unter anderen
die Apokryphen de ortu beatac Marine et infantia Salvators,
die apokryphen Apoftelacten des Andreas, Processus,
Cornelius, desPetrus undPaulus und die Pass/o des Johannes
und Thomas. Es find mehr Behauptungen, die Dufourcq
in feiner kurzen anregenden Abhandlung aufftellt, als Be-
weife für feine Thefen. Jedenfalls fcheint mir das
fchwierige Problem nach der Entftehung der apokryphen
Apoftelacten und Evangelien nicht fo einfach dadurch
gelöft werden zu können, dafs man fie gegen den Manichäismus
gefchrieben fein läfst. Was Dufourcq dafür beigebracht
hat, reicht m. E. nicht aus.

Heidelberg. Grützmacher.

Catalogus codicum hagiographicorum graecorum bibliothecae
Vaticanae ediderunt Hagiographi Bollandiani et Pius
Franchi de' Cavalieri, eiusdem bibliothecae scrip-
tor ad honores. Bruxellis, apud editores, 14 Rue des
Ursulines, 1899. (VI, 324 S. gr. 8.)

Um das gedruckte und handfehriftliche Material zur
griechifchen Hagiographie völlig zugänglich zu machen,
haben die Bollandiften bekanntlich fchon feit längerer
Zeit begonnen, Ueberfichten über das Vorhandene herauszugeben
. 1895 erfchien die höchft werthvolle Biblio-
theca hagiographica gracca, die eine Ueberficht über
die gedruckten Heiligenleben enthält. Dann haben die
raftlofen Gelehrten angefangen, die griechifchen Hand-
fchriften zu katalogifiren, die Hagiographifches enthalten.
Die darauf bezügliche Zufammenftellung der Codices
aus der Parifer Nationalbibliothek erfchien 1896. In
dem vorliegenden Werke find die hagiographifchen Hand-
fchriften der Vaticanifchen Bibliothek aufgeführt.

Anfangs hatten die Bearbeiter die Abficht, nur die
vaticanifchen Handfchriften aufzunehmen, die keinen
anderen Namen haben, alfo die Palatiui, Ottoboniani etc.
wegzulaffen, da deren Kataloge fchon edirt feien. Hernach
hat fchon die Ueberlegung, dafs es doch für die