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Ausgabe:

1900 Nr. 5

Spalte:

136-137

Autor/Hrsg.:

Rohr, Ignaz

Titel/Untertitel:

Paulus und die Gemeinde von Korinth 1900

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 5.

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Alexandrinus (S. XLVIII. LV.) und die Ueberfetzungs-
weife der LXX ift ihm unbekannt. Wenn für 1© Min
gefetzt wird {Xrigimv oöövreq, fo meint er, der Ueber-
fetzer habe Min für einen Genitiv gehalten (S. 11). Er
weifs nicht, dafs einem griechifchen Verbum, das als
folches nur die Bedeutung eines hebräifchen Kai hat, oft
auch die Bedeutungen der abgeleiteten Stämme zuge-
muthet werden, und alfo uväouai für IDT und liETM getagt
wird (S. 55). Von dem biblifchen vnouovr) hat er
offenbar nie gehört, er verfteht es im Sinne von Stehenbleiben
uud fucht dahinter ffiElpM, obwohl das im Hebräer
gegenüberftehende Mlpn und ein Blick in die
Concordanz ihm den Weg zeigen mufste (S. 33).

Es fehlt ihm im Griechifchen aber auch an dem
elementarften fprachlichen Wiffen. oveiöl^eiv überfetzt
er mit avoir lionte (S. 44), övnyelö&ai foll der griechifche
Ueberfetzer im Sinne von transporter verftanden haben
(S. 85). Dafs huniüiXnui mit dem Accufativ und dem
Genitiv verbunden wird, ift Levi(unbekannt (S. 127).
Zu 4123 emendirt er {cdöyyvov) ascb öevzsQcöascoq Xöyov
dxovöyq (ftatt dxorjq), was heifsen foll: eines Wortes, das
du hörft (S. 44), und ebenfo zu 4411 äyafrr] avzcöv, was
heifsen foll ,leur bienfaits' (S. 86).

Vom Syrifchen weifs er nicht viel mehr. Er meint,
dafs es da wie im Hebräifchen eine Präpofition 3 gebe
(S. 24), er hält für ein Afel (S. 93) und 8E12 und

8E8U (beides = Nachricht) für verfchiedene Wörter
(S. 113).

Für die Erklärung des Hebräers ftellt Levi die naive
Forderung auf, dafs er überall aus dem ATI Sprachfehatz
verftändlich fein müffe. Allerdings vertritt er
diefen Canon nur gegenüber ihm mifsliebigen Auslegungen
anderer, fich felbft dispenfirt er von ihm. Zu
42 9 hatte ich iptt) nach dygvjtvia in iplB emendirt.
Ich werde belehrt: mot, qui nexiste pas. Inzwifchen
wird Levi durch die neuen Fragmente zu 34 (31)1 anders
belehrt fein. 40 is fleht dem 1MM avzdgxrjq gegenüber
. Ich vermuthete danach, dafs 1MM ebendies bedeute
. Levi bemerkt: prendre IMli pour un partieipe
(sie!), c'est imputer a fauteur une trop grande ignorance.
Aber auch die ATI Sprache ift ihm fehr unvollkommen
bekannt. 11JM BipTE (= an dem Orte, wo fie weilt) be-
anftandet er als hardiesse (S. 53 vgl. S. 41), itTD 818 (=
zur Zeit, da er ruht) nennt er gar eine construetion vi-
cieuse (S. 16). Zu yiaiBM 1E1 MIDTBED (= fchäme dich, ein
Gerede, davon du hörft, weiterzutragen) bemerkt er:
la suppression du relatif est dure, et l'emploi du futur,
au lieu du passe, est conforme a la repugnance de l'auteur
pour ce temps (S. 44). Das Wefen der hebräifchen Infinitiv-
conftruetion kennt er nicht. Zu 421 haben manche nach
dem Griechen emendirt: Küfib EM» 81BM 381 = und
nimm auf Niemand Rückficht, fo dafs du (eben damit)
fündigft. Levi bemerkt dazu: EMDE) 818D ne regit jamais
de verde. Um den Text zu retten, erklärt er EMDE) 8183
mit ,commettre une faute1. Wenn 41 y wie fo oft im AT,
in einem appofitionellen Ausdruck die Präpofition nicht
wiederholt wird, fo nennt er das nouvelle syntaxe. Dagegen
überfetzt er 423 1E1H 11E18H mit xomptes avec ami',
4310 pn lzDJ>i gar mit ,elle aecomplit sa tacke', 43 23
IMEIBMID. mit ,dans ses desseins'. Er beruhigt fich mit der
Bemerkung: il faut sous-entendre la preposition 3 ,dans'.

Sehr unficher ift er auch in der Wortbedeutung.
4119 ergänzte ich M^IEI nb[8 M1D]lS>E = (fchäme dich),
Eid und Vertrag zu brechen. Levi aeeeptirt meine Deutung
{violer), bemerkt aber: MIDIBED est contraire a l'usage
de la langue. Ps. 89 35 kennt er wohl nicht. nttMl überfetzt
er mit ,elle se reläche' (43 10), Ip&il mit ,il gouverna'
(45 14), ipE iDSb mit ,des le matin1 (4710), "ME mit ,ä cause'
(493). Unbedenklich bildet er ein Nomen XiizD im Sinne
von Fund (40 is 19).

Seine exegetifche Kunft mögen noch folgende Proben
illuftriren. 41 19 überfetzt er das merkwürdige biy.8 MtDtDt)
Dnb 38 {aie honte) devant le seeptre du prince de la

revolte. 4317 MET pilSD"1 (?) il mit des magasins dans
Pabime, 442223 1881 38 MTiD ME1E1 1DMD 111881 b3 MITE
381181 U fit de lui le premier le gage de talliance universelle
. Puls la benediction etc.

Diefe Beifpiele, die fich leicht noch erheblich vermehren
liefsen, mögen zur Characteriftik eines Wiffens
und Könnens dienen, auf Grund deffen Levi andere
Ausleger des Sirach mit überlegener Miene rectificiren
will. Man wundert fich danach aber auch nicht, wenn
er jetzt mit der Lofung ,errare humanum, perseverare
diabolicum' die auch von ihm bis dahin verfochtene Originalität
des Hebräers preisgiebt {Revue des etudes juives
1899. Juli-Sept. S. 1 ff.). Er hat Grund zum Mifstrauen,
nur dafs er den Fehler am unrechten Orte fucht.

Göttingen. R. Smend.

Rohr, Rep. Dr. Ignaz, Paulus und die Gemeinde von Korinth

auf Grund der beiden Korintherbriefe. (Biblifche
Studien, herausgegeben von O. Bardenhewer. 4. Band,
4. Heft.) Freiburg i. B., Herder 1899. (XI, 157 S.
gr. 8.) M. 3.60

Diefe Studie eines jüngeren katholifchen Theologen
bringt zwar fachlich kaum etwas Neues, ift aber ein
achtungswerthes speeimen eruditionis und giebt eine gute
Verarbeitung der neueren Forfchungen. Der Verf. ift
mit der einfehlägigen Literatur wohl vertraut und beweift
bei Verwerthung derfelben im Ganzen ein gefundes
Urtheil.

Die erften vier Abfchnitte (S. 1—70) find mehr dar-
ftellender Art. Sie fchildern 1. die Vorbereitung und
Grundlegung des Chriftenthums in Korinth, 2. die Gemeindeordnung
nach Seite der Verfaffung und des Cultus,
3. die Geiftesgaben, 4. die fittliche Verfaffung der Gemeinde
. In letzterer Hinficht dürfte bemerkenswerth fein,
! dafs der Verf. bei Auslegung von I. Kor. 736—38 nicht
I an das Verhältnifs von Vater und Tochter denkt, fondern
an einen Jüngling und eine Jungfrau, die zufammen woh-
I nen in der Abficht wie Bruder und Schwerter zu leben.
Wenn fich zeigt, dafs der Mann dazu nicht die nöthige
Fettigkeit hat, fo follen fie heirathen (S. 65). Rohr erklärt
alfo ebenfo wie Weizfäcker (Äpoftol. Zeitalter,
2. Aufl., S. 651) und kürzlich Gräfe in feinem Auflatz
über ,Geiftliche Verlöbnifse bei Paulus' (Theol. Arbeiten
aus dem rheinifchen wiffenfchaftlichen Prediger-Verein,
N. F. 3. Heft 1899, S. 57—69), fcheint aber letztere Arbeit
nicht zu kennen. So verlockend die Erklärung in
mancher Hinficht ift, fo fcheint fie mir doch an der Bedeutung
von yaui^ELV (= in die Ehe geben) zu fcheitern.

Im fünften Abfchnitt, welcher für fich allein umfangreicher
ift als die vier erften zufammen (S. 70—157),
überwiegt die Unterfuchung über die Darftellung. Er
j behandelt das korinthifche Parteiwefen und im Zufammen-
hang damit die Beziehungen Pauli zur Gemeinde in der
Zeit zwifchen unferem erften und zweiten Brief. Rohr
fchliefst fich auch hier vielfach an Weizfäcker an. Die
.Zwifchenreife' fetzt er zwifchen unferen erften und zweiten
! Brief (S. 78 ff.) und verlegt in diefe Zeit auch einen verloren
gegangenen Brief (S. 90). Der döixrjöaq II. Kor. 712
ift ein Gemeindeglied, welches den Apoftel perfönlich
j beleidigt hat. Eingehend werden die Hypothefen, welche
I den zweiten Brief in zwei oder drei Briefe zerlegen, ge-
j prüft und abgelehnt (S. 91—103). Ebenfo eingehend ift
die Erwägung der verfchiedenen Hypothefen über das
Parteiwefen, fpeciell die Chriftuspartei (S. 103—149). Seine
J eigene Anficht über letztere fafst Rohr S. 153 f. folgender-
mafsen zufammen: ,Manche mochten fich entfetzen über
die Verheerungen, die das Parteiwefen theils verurfachte,
theils beförderte. Sie wollten weder Pauliner, noch Apol-
lonier, noch Kephaiten fein, fondern bekannten fich

fchlechthin zu Chriftus.......Da aber die Mifsftände

fich ftets mehrten, fo mochte ihnen die Luft vergehen,