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Ausgabe:

1900 Nr. 4

Spalte:

120-122

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 1900

Rezensent:

Wendt, Hans Hinrich

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119 Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 4. 120

erklären (ich zum gröfsten Theile aus der gemeinfamen
Quelle, das Wenige, das fich hier nicht findet, erklärt
(ich aus der Zeitftimmung. Dafs Luther die kleine Triaden-
fammiung, die ihm wohl 1519 fchon zugekommen iftJ),
nicht ausdrücklich erwähnt, kann nicht auffallen, und
die verfchiedene Anordnung des Stoffes bei Beiden begreift
fich völlig, wenn die deutfchen Triaden ohne
fachliche Ordnung lofe aneinandergereiht waren.

Die forgfältige Studie von Freund fei der Beachtung
feitens der Reformationshiftoriker empfohlen.

Tübingen. W. Köhler.

wüfleten (verfallenen) Kirchen recht gut paffen (S. 13), : Stoffes bei ihm eine andere ift als bei Hutten. Wird nun
möchte aber doch .fchendliche Kirchen' für urfprüng- I für Hutten und Luther eine gemeinfame Quelle als
licher halten als lectio difficilior und weil es einen wich- Grundlage angenommen, fo erklärt fich Alles. Die Paral-
tigen reformatorifch-polemifchen Gedanken ausdrücke. 1 lelen zwifchen Luther und Hutten (f. diefelben a. a. O.
Aber ift denn ,fchendlich' wirklich lectio difficilior und ■ S. 307 ff. und bei Werckshagen: Luther und Hutten S. 46 ff.)
hat F. nicht im weiteren Verlauf feiner Darlegung (S. 21 f.)
gerade die polemifchen Zufpitzungen als fecundär er-
wiefen? Zudem pafst ,fchendliche' nicht!? — Doch
mag's hier zunächft bei einem: non liquet bleiben, im
zweiten Falle, der dann auch den erften entfeheidet, hat F.
ficher fehlgegriffen. W lieft: Drey feindt kleglich über
rhom, das der Florentzer fecke die Chriftenheit regiren,...
etc. . . . S: Drey ... feckt . . . Gewifs wird man mit F.
auf den erften Anblick ,fecke' im Sinne der medicäifchen
Geldfäcke für urfprünglich halten, ,feckt' zumal angefichts
des Plurals: ,regiren' für einen Druckfehler, den Hutten
durch die Ueberfetzung factio dominetur (Singular!) herübergenommen
bez. durch Setzung des Singulars richtig
geftellt habe. Allein factio Florentinorum ift offenbar
terminus technicus gewefen, den Hutten nicht erft durch
Ueberfetzung des Druckfehlers bildete. Crotus Rubeanus
— alfo, wie F. annimmt, der Autor der deutfchen
Triaden! — redet auch von der Factio Florentina in
feinem Briefe an Luther vom 16. Oct. 1519 (Enders II
207,120) und verfteht darunter Leo X und feine Sipp-
fchaft. Das war eine Mehrheit, daher der Plural weiter
nichts Auffälliges hat; in den Zufammenhang pafst ,feckt',
da von der Papftwirthfchaft die Rede ift, auch beffer als
,fecke'. Ein Druckfehler liegt alfo nicht vor, vielmehr
hat W den S nicht verftanden und deshalb das ihm
deutliche: fecke gefetzt. Die philologifchen Bedenken
find nicht ftichhaltig; durch Hutten (S. 14) ift der Gebrauch
von: fect = Partei genügend belegt; die Belege von
Lexer (mhd. Wörterb. II 843), die F. anführt, können

Beiträge zur Förderung christlicher Theologie. Herausgegeben
von Proff. DD. A. Schlatter und H. Cremer. 3 Jahrgang
1899. 2. Heft. Gütersloh, C. Bertelsmann, 1899.
(gr. 8.) ' M. 1.80

Inhalt: Crem er, Prof. Lic. Ernft, Über die chriftliche Vollkommenheit
. — B ornhäufer, Divifionspfr. Lic. K., Das Recht des
Bekenntnifses zur Auferftehung des Fleifches. (107 S.)

1. Nach E. Cremer bedeutet an der Stelle Mt. 19, 21
die Nachfolge Chrifti, in welche hier die Vollkommenheit
gefetzt wird, nicht die Nachahmung feines fittlichen Vorbildes
, fondern — andere Möglichkeiten werden nicht
erwogen — das Verhalten, deffen es bedarf, um die Gabe
in Empfang zu nehmen, die Jefus für die Menfchen hat;
d. h. die Vollkommenheit ,befteht in der Bewahrung und
Bewährung des Glaubens an Chriftus' (S. n —14"). Auch
auch herangezogen werden, denn die von F. gemachte j Paulus und der Verf. des Hebräerbriefes verftehen unter

Unterfcheidung von: fecte im religiöfen — nur diefes I der Vollkommenheit die Löfung der Glaubensaufgabe

foll nach F. fich belegen laffen — und politifchen
Sinne ift nicht angängig in vorliegendem Falle, die Grenzen
find fliefsend.

(S. iSff.). ,Darum entfpricht der Begriff der chriftlichen
xeXtiöxrjq durchaus dem xexiXeßxai des Gekreuzigten'
(S. 18). Der Glaube an die Vergebung der Sünden, der

So dürfte alfo der Strafsburger Druck der Urdruck fein, j nach urchriftlicher Anfchauung die chriftliche Vollkom-
und die von F. (S. 17) gegebene Stammtafel der Drucke j menheit ausmacht, bethätigt fich freilich, wie befonders
ift umzuändern. Allein ift mit Ablehnung des von F. Johannes und Jakobus zeigen, indem fittlichen Verhalten
felbft als ftärkftes angefehenen Argumentes feine ganze | der Liebe. Infofern gehört auch diefe mit zur chriftlichen
Thefe von der Priorität der deutfchen Triadenfammlung j Vollkommenheit (S. 21 ff.). Aber ,durch diefes fittliche
vor Huttens Vadiscus hinfällig? Ich glaube, nein. Die Verhalten wird die dem Menfchen anhaftende Sündhaftig-
fehr forgfältige Vergleichung der deutfchen Triaden keit nicht aufgehoben; eine fittliche Vollkommenheit
mit den Sprüchen des Vadiscus (S. 19 ff.) erwefit m. E. kennt das N. T. nicht' (S. 31 f.). Das im N. T. hier und
überzeugend Huttens Abhängigkeit von den Triaden; ; da ausgedrückte Bewufstfein der Vollkommenheit ift das
er hat erweitert, verfchärft, mitunter auch combinirt. j Bewufstfein, in Chrifto das vollkommene Heil zu befitzen.

Etwa 1518, fpäteflens Anfang 1519 müffen die deutfchen
Triaden verfafst fein; denn im Auguft diefes Jahres war
Hutten fchon weit vorgefchritten in feiner Arbeit (S. 28).
Die Autorfchaft des Crotus ift recht wohl möglich, aber
nicht gegen jeden Zweifel zu beweifen. (Der S. 29 z. B.
dem Crotus zugefchriebene Brief wird von Kalkoff in:
Ztfchr. für die Gefch. des Oberrheins XIII 114 Anm. 5

Der Chriftenftand felbft ift an fich Stand der Vollkommenheit
' (S. 35). ,Der Gedanke, dafs unter der chriftlichen
Vollkommenheit das endliche Ergebnifs des fog.
Heiligungsproceffes zu verftehen fei, hat im N. T. keinen
Anhalt. Nirgends wird die Vollkommenheit des Chriften
als eine werdende oder als das von ihm zu erreichende
Ziel vorgeftellt' (S. 37). ,Die Vollkommenheitspredigt ift

für Phrygio aus Schlettftadt in Anfpruch genommen.) die Glaubenspredigt' (S. 39).

Ganz beiläufig äufsert Freund (S. 15): ,Luther hin- | Der Verf. richtet die Ausführung diefer Gedanken
gegen kannte und verftand unfere Trias in der Form, befonders gegen . die Auffaffung der chriftlichen Voll

wie fie der Wittenberger und Leipziger Druck überliefern;
vgl. feine Schrift an den Adel Weim. Ausg. VI S. 448,25'
(ein fprachlicher Beleg). Die Bedeutung diefes Satzes
hat F. wohl nicht geahnt, er würde fonft den Gedanken
näher verfolgt haben. Denn derfelbe löft die feit
Kampfchulte nicht zur Ruhe gekommene Frage
nach dem Verhältnifs des Huttenfchen Vadiscus

kommenheit bei A. Ritfehl, Scholz und Wernle, aber
auch gegen die Heiligungsbewegung. Es ift merkwürdig,
wie ihn diefer Gegenfatz, der durchgeführt werden foll
und mufs, blind gemacht hat, blind bei der Erklärung
des N. T.'s, blind bei der Leetüre der Augustana. Er
erreicht fein exegetifches Refultat dadurch, dafs er auf's
unbefangenfte neuteftamentliche Stellen fehr verfchiedener

zu Luthers Schrift an den Adel. Gegen Knaake j Art mit einander confundirt und nach einander auslegt.
(Weim. Ausgabe VI S. 381 ff.) hatte ich nachgewiefen ; Obgleich er am Anfange ausfpricht, dafs der Begriff der
(in: Luthers Schrift an den chrifti. Adel etc. S. 304 ff.) Vollkommenheit an fich nur ein formaler Begriff fei (S. 11),
dafs die Huttenfche Schrift Luther fehr wohl bekannt i denkt er doch nicht an die Möglichkeit, dafs derfelbe an
gewefen fein konnte, aber es blieb doch die Schwierig- j verfchiedenen Stellen des N. T.'s in verfchiedener Be-
keit beftehen, dafs Luther in der fraglichen Zeit Huttens--—-

VadisCUS nicht erwähnt, und dafs die Anordnung des | 1) Auch der Grunenbergfche Druck dürfte in das Jahr 1519 fallen.