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Ausgabe:

1900 Nr. 3

Spalte:

79-80

Autor/Hrsg.:

Wiegand, Friedrich

Titel/Untertitel:

Erzbischof Odilbert von Mailand über die Taufe 1900

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Seite 1

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79 Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 3. 80

ehern de trinitate gewidmet. Die erfte ift in Hff. nicht
mehr nachzuweifen. Auch Chifflet fcheint für fie nur
den erften Druck von J. Sichardt benutzt zu haben. Da
in dem dial. adv. Arrianos etc. II, 45 auf eine Schrift
adversus Maribodum bezug genommen und eine Mittheilung
über ihren Inhalt gemacht wird, fo ift von diefer
authentifchen Angabe auszugehen. Und auf diefem Wege
gelangt F. dazu, die Identität der von Vigilius citirten
Schrift mit der ihm zugefchriebenen, in der ed. princ.
einem Idacius Clarus beigelegten Schrift zu beftreiten.
Ebenfo führt eine mit Hülfe der, allerdings in erfter
Linie nur den vielfach ungenauen Angaben der Kataloge
entnommenen handfehriftlichen Ueberlieferung geführte
Unterfuchung der Bücher über die Trinität zu dem Er-
gebnifs, dafs 1. I—VII ein zufammengehöriges Ganze
ausmachen und von VIII—XII zu trennen find. Die verwickelten
Ueberlieferungsverhältnifse können nur auf Grund
einer Durchforfchung des gefammten Hff.-Materiales klargelegt
werden. Dann erft würde es an der Zeit fein,
Hypothefen über den Verf. aufzuftellen. Was Morin
{Rev. bened. 1898, 1 ss.) hierüber beigebracht hat, verdient
Beachtung, zeigt aber von Neuem, wie unficher der Boden
ift, auf dem fich hier der Forfcher zur Zeit noch zu
bewegen gezwungen fieht. Die übrigen, dem Vigilius
beigelegten Schriften thut F. S. 77 f. ganz kurz ab. Er
fieht bei keiner einen genügenden Grund, die Autorfchaft
des Vigilius feftzuhalten.

Die bleibenden Refultate diefer mühfamen Unter-
fuchungen find gering. Auf jeder Seite befchleicht den
Lefer das unerquickliche Gefühl, dafs die Aufgaben die
Kräfte eines Einzelnen weit überfteigen. Solche Fragen,
wie fie in diefen Studien aufgeworfen werden, können
nur fo gelöft werden, dafs eine Organifation fich der Arbeit
annimmt. Nur dann, wenn die Hff. nicht nur re-
giftrirt, fondern recenfirt und in Gruppen getheilt werden,
und wenn fich gefchulte Kräfte finden, die auch das mit
falfcher und irreführender Etikette verfehene aufzufpüren
wiffen, läfst fich eine befriedigende Löfung erwarten.
Der Benedictinerorden wäre zu folcher Arbeit berufen,
wie kein anderer. Vielleicht führt er die Arbeit weiter.
Dann wird auch die Arbeit deffen, der hier zuerft in
dem Geftrüpp einer verwilderten, z. Th. abfichtlich verdunkelten
Ueberlieferung Bahn zu brechen verfucht hat,
ihre Früchte bringen. Der Dank aber foll nicht unaus-
gefprochen bleiben, der jedem Bahnfucher gebührt.

Darmfladt. Erwin Preufchen.

Wiegand, Priv.-Doz. Lic. Dr. Friedrich, Erzbischof Odil-
bert von Mailand über die Taufe. Ein Beitrag zur Ge-
fchichte der Tauf liturgie im Zeitalter Karls des Grofsen.
(Studien zur Gefchichte der Theologie und der Kirche,
hrsg. von N. Bonwetfch und R. Seeberg. 4. Bd.
Heft 1.) Leipzig, Dieterich, 1899. (V, 68 S. gr. 8.) M. 1.50.

Im Jahr 812 erliefs Kaiser Karl der Grofse an die
Bifchöfe des Reiches ein Rundfchreiben, worin er fie
aufforderte, das Taufceremoniell im Sinne und nach Ge-
fchmack der damaligen Theologie zu erörtern und ihre
,Credulitas', d. h. ihre Anfchauung über die Trinität und
dje anderen im Apoftolicum umfehriebenen vvichtigften
Dogmen der Kirche darzulegen. Die Abficht des Kaifers
war nicht fo fehr, eine gröfstmögliche Uebereinftim-
mung der Taufrituales mit Rom zu erzielen, als vielmehr
den chriftlichen Glaubensftand und die theologifche
Bildung der Bifchöfe zu erfahren. Die Frucht war eine
reiche liturgifche Literatur des 9. Jhrh., an der befonders
die fränkifchen Theologen fich betheiligten. Die Antworten
der Bifchöfe fpiegelten die liturgifchen Zuftände
des Reiches und die allerdings der Steigerung fähige und
bedürftige Bildung des hohen Clerus ab. Die durch das
Rundfchreiben veranlafste liturgifche Literatur hat J. P.
Caspari zuerft zufammengeftellt, Wiegand hat fie durch

I 4 weitere Schriften ergänzt; im Ganzen liegen 8 Antwortfehreiben
und 4 andere Abhandlungen über die Taufe
vor, darunter 7 Schriften mir, 5 ohne Namen der Ver-
faffer, 9 bereits gedruckt, 3 noch nicht. (Verzeichnifs
bei Wiegand S. 9.) Unter den nichtgedruckten he-

I findet fich der Auffatz des Erzbifchofs Odilbert von

j Mailand, der die eigenthümlichen liturgifchen Traditionen
der Diöcefe des Ambrofius zur Kenntnifs bringt.
Die Schrift war bis dahin unbekannt; zwar Mabillon
lag fie in einer Reichenauer Handfchrift vor, allein er
giebt nur das Rundfchreiben Karl's und den einleitenden
Begleitbrief des Odilbert wieder, von der Schrift
felbft nur Ueberfchriften und Initien der Capitel (Vctera
analecta 1675 I 21 squ., 1685 IV 317 squ). Auch Mar-
tene {De antiqu. eccl. rit. 1736 ^37) fcheint nicht mehr
gekannt zu haben, als Mabillon mittheilt. Wiegand
hat nun einen vollfländigen Codex zu St. Paul im Lavantthal
in Kärnthen aufgefunden, der aus St. Blafien 1807 dort-

1 hin gekommen ift; er vermuthet die Identität mit dem

i Reichenauer des Mabillon; aufser diefem hat er in
M ünchen {Cod. lat. Monac. 14581) eine zweite Handfchrift
entdeckt, die Odilberts Schrift fonderbarer Weife
in der Form von Frage und Antwort giebt (S. 17 f.). Nach
diefen beiden Handfchriften theilt er das Rundfchreiben
Karls, den Begleitbrief Odilberts und feine Schrift über

I die Taufe mit. Wiegand vermifst in dem Auffatze Odilberts
die Darlegung der Credulitas; u. E. ift fie in dem
Begleitbrief enthalten.

In vier Abfchnitten verbreitet fich der Verfaffer über
das Rundfchreiben Karls an die Erzbifchöfe (S. 1 —10),

i Odilbert von Mailand und feine Schrift (11—16), die Co-

j dices und den Text (17—37), Anmerkungen zu dem durch
Odilbert repräfentirten Taufordo des 9. Jahrhunderts (38—
68). Die Schrift Odilberts ift in 22 Capitel eingetheilt; in

i feinen Darlegungen folgt er den literarifchen Anflehten
des Rhaban {De cleric. inst. Praef. Migne P. L. 107 296),
dafs es eine Ehrenfache kirchlicher Schriftfteller fei^
nichts mit eigenen Worten, fondern alles durch Citate
zu geben; eigenes Gut des Odilbert ift nur der Schlufs-
fatz von Cap. VII und der Eingang von Cap. XX. Seine
Citate find der Hl. Schrift entnommen (7 Stellen), fodann
den Briefen und der Schrift De dorn. or. des Cyprian, dem
Johannescommentar des Auguftin, den Moralien Gregors I
den liturgifchen Sammelwerken des Ambrofius und Ifi-
dor, endlich einer Schrift des römifchen Diakons Johannes
aus dem Anfang des 6. Jahrhunderts. Die Nachweife
der Citate flicht Wiegand dem Texte ein; vielleicht
wären fie beffer in Anmerkungen unter dem Text
verwiefen. Auch find die Abweichungen der Schrift-
citate von der Vulgata in Cap. 1, 3, 4, 17, 19, 20 nicht
bemerkt, und Cap. 10 Z. 10 und 12 find die Verszahlen

, unrichtig angegeben. Das Ergebnifs der inftruetiven
Unterfuchungen wird (S. 66) dahin zufammengefafst, dafs
die Mailändifche Kirche zu Anfang des 9. Jhrh. von dem
complicirten Ritus der fieben römifchen Skrutinienmeffen,
obgleich fie die fränkifche Kirche feit dem 7. Jht. kannte,
noch nichts oder nichts mehr weifs; Taufvorbereitung
und Taufhandlung fielen in einen Gottesdienft zufammen,
obgleich die einzelnen Theile durch ihre Benennung daran
erinnern, dafs ehedem Katechumenat, Kompetentenzeit
und Taufe zeitlich weit auseinander lagen. Die näheren
Beftimmungen des Taufordo von Odilbert möge man
bei Wiegand nachlefen; der vierte Abfchnitt feiner gründlichen
und höchft dankenswerthen Schrift giebt zu den
Einzelacten einen trefflichen Commentar.

Marburg. E. Chr. Achelis.