Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1900

Spalte:

721-722

Titel/Untertitel:

Holzammer, Die Bildung des Clerus in kirchlichen Seminaren oder an Staatsuniversitäten 1900

Rezensent:

Bruckner, Albert

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

/2I

722

war und eher dazu dienen konnte, das ganze Inftitut
noch mehr in Mifscredit zu bringen, fie in diefer Form
abgelehnt (S. 43) und die obligatorifche Civilehe gewählt
in der offenen oder verfteckten Abficht, die kirchliche
Ehe zu verdrängen (S. 18). Mit der Haltung des
Centrums gelegentlich der Reichstagsverhandlungen ift
Verfafler durchaus nicht einverftanden. Ihm find die
thatfächlich doch recht erheblichen Zugeftändnifse des
Gefetzgebers an die katholifche Kirche fo minimal, dafs
fie kaum nennenswerth erfcheinen (S. 16). Vielmehr
weiche das B.G.B, einer Bcgünftigung der katholifchen
Kirche auf allen Linien mit gröfster Sorgfalt aus (S. 15).
Namentlich fei auch das Inftitut der uneigentlichen
Scheidung (Aufhebung der ehelichen Gemeinfchaft) fo
geftaltet, dafs es wenig Werth habe (S. 244). Verfaffer
kommt zu dem Schlufs, dafs der Katholik fich dem
Eherecht des B.G.B, gegenüber dauernd in mifslicher
Lage befindet (S. 245). Unter diefen Umftänden erfcheint
es faft befremdend, dafs Verfafser den Katholiken geplattet
, als Standesbeamte zu fungiren. Freilich thut er
das nur, um gröfsere Uebel zu vermeiden und macht
auch die Einfchränkung, dafs fie bei folchen Ehen, denen
eine kirchliche Trauung nicht folgen kann, nicht mitwirken
follen (S. 78)

erwarten, in recht hellen und anfprechenden Farben.
Um aber feinem Votum noch mehr Nachdruck zu verschaffen
, ftellt er im erften Theile feiner Schrift, der fog.
Skizze eines hundertjährigen Kampfes, zahlreiche ,unver-
werfliche katholifche Stimmen über Univerfitätsbildung
der katholifchen Theologen' zufammen und auch im
,Rückblick', dem zweiten Theile, lieft man weniger ihn
als ,einen hochftehenden Herrn' und den nunmehrigen
Mainzer Bifchof Dr. Brück. Gut drei Viertel der Schrift
find Citate und grofsentheils lernen wir feine eigenen
Anfchauungen nur aus den als autoritativ bezeichneten
Aeufserungen Anderer kennen, was charakteriftifch ift
für das hohe Maafs, in welchem die äufsere Autorität in
unferer Schwefterkirche felbft die Wiffenfchaft beeinflufst.
Als Ganzes ift diefe durch ihren Inhalt durchaus nicht
bedeutende Schrift doch bedeutfam als ein Symptom
dafür, dafs auch das kleine Maafs von theologifcher
Freiheit, deffen fich die Profefforen der katholifchen
Theologie an den Univerfitäten noch erfreuen, vielen
ftrengen Söhnen der Kirche ein Dorn im Auge ift, den zu
befeitigen fie, fobald irgend möglich, nicht anflehen werden.

Bafel. Lic. A. Bruckner.

Auf diefe allgemein eCharakterifirung desStandpunktes, . Christoterpe, neue. Ein Jahrbach, begründet von Rudolf

den der Herr Verfaffer einnimmt, mufs ich mich be-
fchränken. Obwohl mir im Uebrigen bei einer Reihe
einzelner Punkte Bedenken aufgeftiegen find, fo mufs
ich doch ein Eingehen auf Einzelheiten als zu weit
führend unterlaffen, kann davon auch um fo eher abKögel
, Emil Frommel und Wilhelm Baur. Herausgegeben
von Max Vorberg. (XXII. Jahrgang.) Halle,
C. E. Müller, 1901. (VI, 450 S. 8.) M. 4.—; geb. M. 5.—
Eingeleitet wird das Jahrbuch von einem Auffatze

fehen, als das Buch, welches faft noch über den ftreng von Wendlandt über Jacob und Efau. Selbftverftänd

römifchen Standpunkt hinausgeht und fich auch den be-
rechtigften Forderungen des Staates gegenüber ablehnend
verhält, in proteftantifchen Kreifen, für die es auch gar
nicht befeimmt ift, wohl fchwerlich Eingang finden wird.

F [Kiel. Frantz.

Holzammer, Domcap. Regens D. J. B., Die Bildung des
Clerus in kirchlichen Seminarien oder an Staatsuniversitäten
. (Hiflorifche Skizze eines hundertjährigen
Kampfes in Deutfchland.) Mainz, F. Kirchheim 1900.
(VIII, 87 S. gr. 8.) M. 1.50

Die Sorge um die Zukunft feiner Kirche ift es
offenbar gewefen, die dem alternden katholifchen Pro-
feffor am bifchöflichen Seminar in Mainz die Feder zur
Abfaffung diefes Schriftchens in die Hand gedrückt hat.
Er fieht nämlich in dem Urtheil vieler Katholiken, dafs
die Univerfitätsbildung für den heutigen Clerus ein Vortheil
, wo nicht gar ein eigentliches Bedürfnifs fei, und

noch mehr in dem Wunfche feiner Verwirklichung, wie er

neuerdings befonders bei den Verhandlungen über die

Errichtung einer katholifch-theologifchen Facultät in

Strafsburg von guten Katholiken laut geworden ift, eine

fchwere Gefahr für die Kirche, da fie auf eine ftreng

kirchliche Bildung und Erziehung ihres Clerus durchaus

angewiefen ift; diefe aber ift feiner Anficht nach nur im

Seminar zu erreichen. Unter den Schäden der Univer-

fität erfcheint ihm bezeichnender Weife der als der

fchlimmfte, dafs auch die Profefforen der Theologie dort

in erfter Linie Staatsbeamte find und deshalb nicht beliebig
vom Bifchof als dem Vertreter der kirchlichen

Lehrautorität von ihrem Amte entfernt werden können;

in zweiter Linie fürchtet er die Berührung mit andersgläubigen
Lehrern und Studenten und erft in dritter die

vielen befonders moralifchen Verfuchungen. Dem gegen- Sorgfalt betriebenen Studien über das Heidenthum in der

lieh handelt es fich hier nicht um eine Kritik des biblifchen
Berichtes und feiner Zufammenfetzung, fondern die Ge-
fchichte wird als folche genommen, wie fie ift, und auf
ihre Bedeutung als ein Stück Gottesoffenbarung und auf
ihren Lehrgehalt für chriftliche Glaubenserkenntnifs und
chriftliche Sittlichkeit unterfucht. Der Auffatz bietet
neben dem, was praktifche Auslegung feit Jahrhunderten
für diefes Stück biblifcher Gefchichte geleiftet hat,
manche feine, lehrreiche Beobachtung und räumt endgültig
auf mit der veralteten Anfchauung, die ja wohl
nur noch vereinzelt in Schulftuben gefunden wird, dafs
die Träger der göttlichen Verheifsungen auch Tugend-
mufter gewefen feien. Dr. Hans Becker fchildert unter
dem Titel .Mittelalterliche Heilige für und wider den
Papft' inkurzzufammenfaffender, aber trefflich orientirender
Darfteilung die kirchengefchichtliche Bedeutung der
Bettelorden. Die wiffenfehaftliche Einzelforfchung, die
natürlich dem Verfaffer gute Dienfte gethan hat, hat
gerade neuerdings auf diefem Gebiete Beträchtliches geleiftet
; aber defto weniger ift gefchehen, um das allgemeine
Verftändnifs der ganzen Periode auch in weiteren
Kreifen der chriftlichen Gemeinde zu fördern. Klar
und überzeugend führt der Verfaffer feinen Beweis, dafs
die Bettelorden mit ihrem gewichtigen Eingreifen in die
Leitung der Kirche und in das chriftliche Volksleben eine
unentbehrliche Erfcheinung bildeten, die genau zu dem
Zeitpunkte fich einftellte, wo fie zur Erhaltung des kirchlichen
Beftandes kommen mufste, und dann wieder zurücktrat
, als die neue Kirchengeftalt, die einem Bettelmönch
ihre Entftehung dankte, lebensfähig geworden
war. Dramma sacro nennt fich die letzte Gabe, die Th.
Trede dem Jahrbuch fchenken follte; das Kreuz hinter
feinem Nannen verkündet, dafs er die fleifsig geführte
Feder für immer aus der Hand gelegt hat. Wir haben
immer der Eindruck gehabt, dafs feine mit Eifer und

über verfpricht er fich von der kirchlichen Correktheit
der direkt unter dem Bifchof flehenden Seminarprofefforen
das Befte und malt den Fleifs und die gründliche Ausbildung
, den asketifchen Eifer und den frommen Wandel
der Seminarzöglinge gegenüber dem Grau in Grau der

Kirche Süditaliens doch ein wenig beeinträchtigt fein
mochten von dem ftarken Gefühle der Fremdlingfchaft
des proteftantifchen Nordländers im katholifchen Süden.
Diefer fchroffe Gegenfatz zu dem Denken und Fühlen
des Volkes tritt in dem lehrreichen Auffatze über die

Schilderung des Univerfitätslebens, wie nicht anders zu | heiligen Feftfpiele des ficilianifchen Volkes völlig zurück: