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Ausgabe:

1900 Nr. 26

Spalte:

716-717

Autor/Hrsg.:

Bürkner, Richard

Titel/Untertitel:

Karl von Hase, ein deutscher Professor 1900

Rezensent:

Bruckner, Albert

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 26.

716

Geradezu unbegreiflich ift, was Bloefch über den
confequenteften Feind der Huguenotten, den Kardinal
von Lothringen 1,440 fchreibt. Seine Zufammenkunft mit
Herzog Chriftoph von Württemberg und fein Benehmen
gegen Brenz in Zabern ift ein frevles Trugfpiel, das
fpäter den enttäufchten Herzog tief empörte. Wenn der
Kardinal 1563 bei der Rückkehr vom Conzil in Trient
in Bafel den Gottesdienft im Münfter befucht und eine
Fredigt Sulzer's hört, fo folgt daraus keineswegs, was
Bloelch daraus entnimmt: ,So nahe war man fich trotz
Allem damals noch'. Auch ein Joh. Faber hatte
Predigten Sams im Münfter zu Ulm gehört. (Keim,
Reformation der Reichsftadt Ulm. S. 127.) Ueber das
Colloquium zu Mömpelgard giebt Bloefch recht dürftige,
theilweife falfche und an zwei Stellen vertheilte Notizen
S. 257 und 441. Erhard Schnepf war damals längft todt.
Unter dem für das Colloq dum vorgefchlagenen wurttem-
bergifchen Theologen kann nur Erhard's Sohn, Dietrich
Schnepf, Profeffor in Tubingen, gemeint fein. Theil-
genommen haben am Gefpräch von württembergifcher
Seite die Theologen Jakob Andrea und fein Schwager,
der Hofprediger Luc. Oliander, und die Staatsmänner
Hans Wolfg. von Amweil und Dr. Friedr. Schütz. Der
Gegenftand der Verhandlung ift von Bloefch allzu dürftig
behandelt, das Ergebnifs aber völlig S. 257 mifs-
verftändlich angegeben, denn es ift keineswegs zu einer
Einigung über die Bekenntnifsdifferenzen gekommen,
im Gegentheil hat, wie A. Schweizer R.-E. io',«i ganz
richtig fagt, ,das Colloquium eine praktifche Frucht
nicht gebracht, es fei denn die, dafs die Spannung zwi-
fchen beiden Confeffionen noch gröfser geworden ift'.
Aber man hat die Differenzen klargeftellt. Ebenfo findS.441
die Angaben über die Gefandtfchaft des Herzogs Ludwig
von Württemberg zu berichtigen, die er im Zufammen-
hange mit der Veröffentlichung der Acten des Collo-
quiums nach Bern fchickte. Sie fallt nicht in das Jahr
15.S7, fondern 1588, wie auch die Kirchenkaftenrechnungen
beweifen. An ihrer Spitze ftanden Jak. Andrea und der
oben genannte H. W. von Amweil. Bloefch hat nicht
bemerkt, dafs Dr. Schmidlin kein Anderer als Andrea
ift. Der Zweck der Gefandtfchaft war zunächft keineswegs
, eine kirchliche Union anzubieten und anzubahnen,
fondern, wie Schweizer am a. O. zeigte, Genugthuung
für den Schimpf der von Abraham Musculus behaupteten
Verfalfchung der Acten des Colloquiums zu fordern.
Bern liefs fich aber auf beides nicht ein, auch nachdem
Sam. Huber im Spätherbft noch ein Mal nach Bern ge-
fchickt worden war. Zu den kleineren Verfehen gehört
die Angabe S. 442, dafs Duräus Prediger in Elbing in
Friesland gewefen fei. Denn Elbing ift die bekannte
Stadt in Weftpreufsen.

Derartige Dinge können bei einem Werke, das einen
fo grofsen Stoff zu bewältigen hat, nicht überrafchen.
Die Brauchbarkeit des reichhaltigen und auch mit feiner
befonnenen Ruhe wohlthuenden Buches wird noch durch
ein gutes Regifter erhöht.

Nabern. G. Boffert.

Hase, Karl von, Handbuch der protestantischen Polemik
gegen die Römisch-Katholische Kirche. Siebente Auflage
. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1900. (XL, 579 S.
gr. 8.) M. 5.-

Schon feit bald 40 Jahren haben fich die proteftan ■
tifchen Theologen aus dem reichen Schatze der Hafe'-
fchen Polemik ihre Kenntnifse der römifchen Kirche
geholt oder doch wefentlich bereichert, und noch heute
giebt es, da Delitzfch's ,Lehrfyftem der römifchen Kirche'
durch den frühen Tod feines Verfaffers leider unvollendet
geblieben ift und Kattenbufch's Confefiionskunde der
mittelalterlichen Kirche noch immer auf fich warten läfst,
m. W. kein Werk, das in fo klarer und gründlicher

I Weife uns über das Wefen, die Lehre und die Praxis
der römifchen Kirche orientirt und das zugleich mit folcher
Wärme und lebendiger Anfchaulichkeit gefchrieben ift.
Seit Hafe in der unfreiwilligen Mufe von Hohenasperg
,die Profelyten' gefchrieben hatte, hat er häufig die
Abficht ausgefprochen, den römifchen Katholizismus einmal
in feiner vollen Wirklichkeit darzuftellen, zuerft in
der Form eines Romans, dann in der des polemifchen
Handbuches; aberfeine fonftigen vielen Arbeiten und wohl
auch die Schwierigkeit diefer Aufgabe haben ihn mehr
als drei Jahrzehnte an der Ausführung diefes Lieb-
lingsplanes verhindert; doch diefe Verzögerung ift dem
Werke in hohem Mafse zu Gute gekommen, Denn
felbft bei feiner immenfen Befähigung hätte wohl auch
Hafe die Polemik in früheren Jahren nicht fo fchreiben
können, wie er fie nun gefchrieben hat. Seine gründliche
Kenntnifs der Kirchengefchichte, bcfonders des
I Mittelalters und des neueren Katholizismus und fein gereiftes
dogmatifches Urtheil reichten fich nun die Hand,
um in diefem fpäteften grofsen Werke auch fein reifftes
und geiftesmächtigftes zu schaffen. Er hat diefes Buch
fchon bei feiner erften Ausgabe 1862 als für alle im
gewöhnlichen Sinne Gebildeten beftimmt gedacht und
die gelehrten Anmerkungen als nicht zum Verftändnifs
nothwendig erklärt. Doch wenn auch das Buch feither
fünf Neuauflagen erlebt hat, fo wurde es doch immerhin
feines hohen Preifes wegen noch nicht in dem Mafse
Gemeingut aller Gebildeten, als es dies verdiente und
als es bei der vielfach mangelnden Kenntnifs auf diefem
Gebiete wünfchbar gewefen wäre. So hat fich denn die
Verlagsbuchhandlung dazu entfchloffen, ähnlich wie fie
} dies mit Hafe's Lehrbuch der Kirchengefchichte gethan
hat (vgl. dazu die Anzeige Schubert's in Sp. 465 f. diefes
Jahrganges), den Text ohne die gelehrten Anmerkungen
herauszugeben, und Profeffor Krüger hat fich aufs Neue
der damit verbundenen Mühewaltung unterzogen; fie
1 haben damit, wie mir fcheint, nicht nur zahlreichen Ein-
I zelnen, fondern der ganzen evangclifchen Kirche einen
; werthvollen Dienft geleiftet, da der billige Preis von
[ 5 Mk. es nun allen ihren Vertretern im Amte ermöglicht,
, aus diefem Buche den Katholizismus gründlich kennen
! und gerecht beurtheilen zu lernen. Zugleich ift auch
auf die äufsere Ausftattung und den Druck die nöthige
1 Sorgfalt verwendet, und die beiden Regifter, ein Sach-
und ein Schriftftellenregifter werden felbft verwöhnte
Anfprüche befriedigen. Ganz befonders erfreulich aber
ift die Beigabe fämmtlicher Vorreden der verfchiedenen
Auflagen diefes Buches, weil wir in ihnen feine Gefchichte
fo ziemlich genau verfolgen können, und eines trefflichen
Bildes, das uns den ebenfo geiftreichen als gemüthvollen
Gelehrten in der Mitte der fechziger Jahre darfteilt. So
darf man denn nur wünfehen, dafs Hafe's Polemik auch
in diefer neuen Geftalt als Lefebuch der Gebildeten
feinen Siegeslauf fortfetzen und überall, wohin es kommt,
die Gleichgiltigkeit gegen die grofsen darin behandelten
religiöfen Fragen verdrängen helfe.

Bafel. Lic. A. Bruckner.

Bürkner, Richard, Karl von Hase, ein deutfeher Profeffor.
Mit einem Bildnifs in Heliogravüre und 8 Vignetten.
Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1900. (IV, 181 S. gr. 8.)

M. 3.—; geb. M. 4.-

Neben ihren vielen anderen trefflichen Eigenfchaften
haben Hafe's Werke auch den Vorzug, dafs fie dem
Lefer die Perfönlichkeit des Verfaffers nahe rücken und
ihn diefelbe liebgewinnen laffen, fodafs, werfeine Schriften
lieft, unwillkürlich das Bedürfnifs empfindet, auch mit
dem Manne felbft bekannt zu werden. Diefem Wunfche
kam zwar Hafe felbft fchon bei feinen Lebzeiten in
mannigfachfter Weife entgegen durch eigene Bücher, die
von feinem Leben erzählten und durch zahlreiche per-