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Ausgabe:

1900 Nr. 25

Spalte:

682-685

Autor/Hrsg.:

Nösgen, K.F.

Titel/Untertitel:

Symbolik oder konfessionelle Prinzipienlehre 1900

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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<38i Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 25. 682

erfchienenen Biographie des herzoglich Cleve'fchen Leibarztes
Johann Weyer (f 1588), als des erften Bekämpfers
des Hexenwahnes. Das Buch, das den Bonner Prof. der
Medicin C. Binz zum Verf. hat, verdient den Dank auch
der Theologen. B. ift mit grofser Sorgfalt den Spuren
von W.'s Leben und fchriftftellerifcher Thätigkeit nachgegangen
. Er hat feit dem Erfcheinen der I. Auflage weitere
feltene Ausgaben von Werken W.'s aufgefunden; auch
über feine Familie und feinen Einflufs auf die Folgezeit
bietet er Neues. Das Lebensbild ift in einen gröfseren
Rahmen hineingeftellt: Die Wirkfamkeit W.'s erfcheint als
ein Stück in dem grofsen Kampfe gegen die Wahnvor-
ftellungen für Humanität und Aufklärung. Es ift intereffant,
zu fehen, wie weit das 16. Jahrhundert wenigstens in
einzelnen Perfönlichkeiten auch hier gekommen ift und
wie genau vielfach dann die Aufklarung im 17. Jahrhundert
an die Gedanken diefer Vorgänger anfchliefst.

B. giebt erft eine Ueberficht über den Zauberwahn
am Ende des 15. Jahrhunderts und fchildert dann das Auftreten
Agrippa's von Nettesheim gegen den Hexenwahn.
Er ift der Lehrer und Vorgänger W.'s, deffen entfeheidende
Schrift ,Dc praestigiis dannonum'. Ihre Erfolge, die
Gegner und Nachfolger werden befchrieben; dann die
andere Schriften W.'s, die mehr medicinifches Intereffe
bieten. Zuletzt wird feine Stellung zu Politik und Religion
beftimmt, von feiner Familie und feinem Tode erzählt.
Bin Verzeichnifs der Schriften und ein Namenverzeichnifs
fchliefst ab. W. hat den Kampf gegen den Hexenwahn
nicht blofs gelegentlich, fondern als feine Lebensaufgabe
aufgenommen. Er ift in theologifchen Dingen confervativ,
die biblifche Vorstellung vom Teufel ift ihm unantaftbar.
Dafs W. entgegen Janffen's Annahme proteftantifcher
Deberzeugung war, wird mit triftigen Gründen nachge-
wiefen. Vielleicht wäre es möglich, die grundlegenden
Begriffe über die Art und die Grenzen der dämonifchen
Einwirkung bei W. noch fchärfer zu analyfiren. B. giebt
mehr Auszüge. Intereffant find die Verhandlungen W.'s
mit Brenz, der ebenfalls für ein milderes Verfahren gegen
manche Ausbrüche des Hexenwahns eintrat, ohne doch
fo weit zu gehen, wie W. Befonders erwünfeht ift, dafs
B. die ganze Reihe der Nachfolger, die W. gefunden hat,
durchgeht. Wie fleh unter den Gegnern W.'s und feiner
Nachfolgerjefuiten und proteftantifche Theologen und Laien
zufammenfinden, fo unter den Vorkämpfern gegen den
Hexenwahn. Unter ihnen ragen hervor: Der reformirte
Arzt Johann Ewich, der Prof. der Rechte Gödelmann in
Roftock, der englifche Gutsbesitzer Reginald Scot, der
reformirte Heidelberger Prof. H. Witekind; der kath.
Theologe Cornelius Loos, der Trierer Stadtfchultheifs
Dietrich Flade. Dem 17. Jahrhundert gehören an: Der
arminianifch gefinnte reformirte Pfarrer Johann Greve zu
Arnheim, die Jefuiten Paul Laymann, Tanner und Spee;
diefe letzteren greifen aber nicht den Hexenwahn felbft an,
fondern das übliche Procefsverfahren. Erst Balth. Bekker
und Thomafius haben die ganze Vorstellung an der Wurzel
getroffen. Die Studie enthält neben den werthvollen, hier
zum erftenmale fo vollständig zufammengeftellten ge-
fchichtlichen Notizen, die im Kleinen eine Gefchichte des
Kampfes gegen den Hexenwahn vom 16.—18. Jahrhunderte
geben, manches brauchbare Material zu pfychologifchen
Beobachtungen über diefes dunkele Gebiet. Sie ift anziehend
und mit warmherziger Theilnahme gefchrieben,
auch ohne die Uebertreibungen, die fleh in der Behandlung
diefes Themas leicht einstellen. Zur Sache ist jetzt
auch Zöckler's Artikel in der Real Encykl. Vit*, 30fr. zu
vergleichen, in dem B.'s Schrift benützt ist.
Tübingen. A. Hegler.

Weeda, Willem Hendrik, Joseph Butler als Zedekundige
beschouwd en gewaardeerd. Een bijdrage tot de kennis
van de Engelfche ethiek der achttiende eeuw. Proef-

fchrift. Utrecht, A. J. v. Huffei, 1899. (VII, 112 S.
gr. 8.)

Während in England in den letzten Jahren in Folge
von Gladftone's Butlerstudien über die Bedeutung der
apologetifchen Arbeiten B.'s viel verhandelt worden ift
(f. Theol. Jahresber. 16, 347), haben wir über feine Ethik
gleichfalls kurz nacheinander drei Darstellungen erhalten,
von denen übrigens keine die anderen benützt. Die ältefte
ist eine Leipziger Differtation von Dr. Cullen Ayer (Ver-
fuch einer Darstellung der Ethik J. B.'s, 1893); dann folgte
die kurze aber inhaltsreiche Darfteilung Buddenfieg's
in der Real-Encykl. IIP, 600—602; zuletzt W.'s Arbeit,
eine Doctordiffertation in der Utrechter theologifchen
Facultät. W. giebt erft eine Skizze der englifchen Ethik
vor B. und der Philofophie B.'s i. A. und behandelt dann
in 4 Capiteln feine Ethik im Einzelnen: Die Lehre von
den Affecten, vom Gewiffen, von der Charakterbildung, dem
Verhältnifs zwifchen Religion und Sittlichkeit. Die Analyfe
von B.'s Gedanken und Begriffen, auf die hier nicht im
Einzelnen eingegangen werden kann, ift, fo viel ich fehe,
forgfältig. Werthvoll ist, dafs die concreten Beziehungen
zur vorausgehenden englifchen Ethik möglichft deutlich
nachgewiefen werden. An einzelnen Stellen find mit den
hiftorifchen principielle Erörterungen verbunden, wobei
eine gute Bekanntfchaft des Verf.'s mit der neueren
ethifchen Literatur in England, Holland und Deutfchland
zu Tage tritt. Auf die deiftifchen Gedanken in B.'s Syltem
ift mit Recht hingewiefen. Ein Schlufsabfchnitt (teilt das Er-
gebnifs heraus. Mit Recht wird, obwohl B. entgegengefetzte
Gedanken aufnahm, ohne fie in einer höheren Einheit
zu verbinden, gegen Leslie Stephen die relative Einheitlichkeit
feiner Denkweife betont. Auch Jodl's Be-
ftimmung wird verworfen, B.'s Ethik bilde einen Ueber-
gang von der intuitiven Ethik zur theologifchen Utilitäts-
moral. In der Lehre vom Supremat des Gewiffens und
von der Verbindung von Religion und Sittlichkeit erfcheint
B. vielmehr als ein entfehiedener Gegner des theologifchen
Utilitarismus. Seine Bedeutung liegt darin, dals bei
ihm der hedoniftifche Gefichtspunkt, der bei Shaftes-
bury und Hutchefon die Oberhand hat, einer höheren
Auffaffung des Sittlichen weicht. Bei ihm ift das
Ziel der Sittlichkeit nicht die gröfst-mögliche Wohlfahrt
einer möglichft grofsen Zahl von Menfchen, fondern die
Verwirklichung intuitiv erkannter Ideale, Gerechtigkeit,
Wahrheit, Liebe; nicht das Glück, fondern die Vollkommenheit
des Individuums. Die pfychologifche Methode ift bei
ihm noch unvollftändig entwickelt und bedarf der Ergänzung
durch die hiftorifche, wodurch dann auch die
Bedeutung der chriftlichen Religion beffer zur Geltung
kommt, als bei B. Ihre Erfolge verdankte fie bei ihm der
Verbindung mit der teleologifchen Auffaffung. Aufser
Price kann kein englifcher Moralift des 18. Jahrhunderts
mit fo viel Recht ein Vorläufer Kant's genannt werden,
wie B. Auf directe Zufammenhänge zwifchen ihm und
Kant habe ich in meiner Schrift über die Pfychologie in
Kant's Ethik (S. 237 f., 243) hingewiefen.

Tübingen. A. Hegler.

Nösgen, Prof. D. K. F., Symbolik oder konfessionelle Prinzipienlehre
. Gütersloh, C. Bertelsmann, 1897. (XVI,
516 S. gr. 8.) M. 8.50

Ich habe diefem Buche, wie auch anderen gegenüber
, die die Redaction diefer Zeitfchrift mir zur Recen-
fion übergeben hat, ein Schuldgefühl, welches ich peinlich
empfinde. Das Buch trägt die Jahreszahl 1897 und
hat ungefähr drei Jahre bei mir gelegen. Ich habe ein
Mal angefangen es zu lefen, bin aber nicht zu Ende gekommen
. Meine eigene literarifche Arbeit laftete fo
ftark auf mir in diefen Jahren, dafs ich es nicht möglich
zu machen wufste, über gröfsere Bücher in fachgemäfser
Weife zu referiren. Ich hatte anhaltend fehr umfafsende

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