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Ausgabe:

1900

Spalte:

662-665

Autor/Hrsg.:

Weiss, Bernhard

Titel/Untertitel:

Die paulinischen Briefe im berichtigten Text 1900

Rezensent:

Dobschütz, Ernst

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 24.

662

thum gedeutet, den Begriff der Zurechnung (XoyiQeo&ai
tlg) berührt er nicht, die jclöxig als zeXtiozdx?] aQt.xy,
als okvfijiiov (!) ötavoiag toyov (S. 21, 22 c) ftreift er nur.
Mit welcher anfchaulichen Kraft befchreibt dagegen
Paulus an Abrahams Erlebnifs das Wefen des Glaubens;
der Begriff der Zurechnung der Gerechtigkeit ift ihm der
Kernpunkt; die Verheifsungen deutet er auf die geift-
lichen Kinder Abrahams; überhaupt, er fucht keine vjcö-
voia, er nimmt die Worte und Thatfachen fchlicht, wie
fie find, um in ihrem Lichte die Wege Gottes zum Heil
zu verftehen. Denfelben Abftand und die gleiche Unabhängigkeit
zeigen alle parallelen Ausführungen. Die
Xoytxy XarQita des Apoftels führt eben nicht zur ekfta-
tifchen Selbftaufgabe, fondern zur ethifchen Selbftbehaup-
tung (vgl. Rom. 12, 1, 2 mit Phil. S. 20, «f., Rom. 8, 27 mit
Phil. S. 4, 11—5, 4, Rom. 8, 35 c mit Phil. S. 7, 17 f.). Mit
dem enthufiaftifchen Ideal der Vollkommenheit hängt
Philo's platonifcher Dualismus zufammen, den Paulus
nicht kennt; denn Sündenvergebung, Rechtfertigung und
Wandel im Geift verftehen fich nur als religiöfe Erfah

Mcifter des Diatribenftils und der Charakterfchilderung.
Er freut fich darum, y&ojiouat zu entwerfen (S. 19, 3, vgl.
262, h: 0 xaQaxT'JQ • ■ ■ vjtoxvjcovxai), und reiht fich ein
den dXXyyoQixoi (S. 281, 22). Und fo beurtheilt er fich
als Träger einer verbreiteten wiffenfehaftlichen Ueber-
lieferung (II S. 275, 5f.: ßovXy&elg eöxiv oxe xaxa xyv
övvTj&ij xcöv xaxa (piXooc-fplav öoyudxcov yoatpyv eX&etv
xxX.). Cohn (N. Jahrb. f. claff. Alt. 1898 S. 514f.) hat
daher fchwerlich Recht, ihn für den Urfacher der alexan-
drinifchen Religionsphilofophie zu erklären. Philo hat
eben nur ein Mehreres herzugebracht in gröfserem Stile
(vgl. De Abr. § 15. 38. De Plant. Noe § 9. De post. Cain.
£ 1. 2). Daher bezieht er fich auch öfter auf eine exe-
getifche Tradition, mit der er fich auseinanderfetzt
(z. B. S. 64, 1—22, 68, 14 f.).

Der Druck ift, wie in den vorigen Bänden, correct.
Abgefehen von Accentfehlern ift zu verbeffern S. 40 7
v.u.im Apparat aÖQoptivmv in aQÖOfiivcov, S. 70, 15 avyalg,
S. 202 Apparat Z. 2 v. o. ceteri.

Die gleichzeitig erfchienene editio minor bringt den-
rüngenund Lüftungen unter Anerkennung eines ethifchen | felben Text, ein Verzeichnifs wichtigerer Conjecturen
Dualismus. Philo würdigt weder die Sünde noch die j und einige Verbefferungen zur editio major.
Erlöfung im Sinne des Evangeliums; in echt hcllenifcher ; Leipzig. G Heinrici

Weife fchildert er allein den Widerftreit der Sinnlichkeit
und der Vernunft, in dem das (MXXOV yivog Cmyg (S. 1.I,
22) verharrt. Der Vergleich von Rom. j, 13 f. mit Phil.
S. 188. 210, 8 f. (xo dvxlxaXov Irvyxov ay&ag_ 24 m f.
(V>vx>), vove. aio&yöic) 12,1 C *3» *i» (° YVlV(>c V0VV> be 2J
({rem Cnv und tavzcö Cyv), S. 295, 26, 27 (ömua ==öao§).
S. 42/12 f., 46, s, 270, 20 verfetzt in ganz verfchieden
orientirte Vorftellungskreife. Andererfeits finden fich
frappante Berührungen in Einzelheiten, wie L Kor. 3, 10
und Phil. S. 260, is. i» (öorpt) d{>xlTfxxmv - Ijcocxnöoutlv),
I. Kor. 15, 50 und Phil. 16, 4. 5 {aOmuaxoi yctQ cpvöeig
voyxmv noayudxiov sldi xX.rjQovöuoi), I. Tim. 1, 10 u. ö.

Phil. S. 16,9: tyialvovoa l}^^',}-^^^^ -Textkritik der vier Evangelien. (Texte und Unter-

Eichungen zur Gefchichte der altchriftlichen Literatur.
Herausgegeben von Oscar von Gebhardt und Adolf
Harnack. Neue Folge. IV. Band, Heft 2, der ganzen
Reihe XIX, 2.) Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchh.,
1899. (VI, 246 S. gr. 8.) M. 8.—

Die vier Evangelien im berichtigten Text. Mit kurzer
Erläuterung zum Handgebrauch bei der Schriftlektüre.
Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchh., 1900. (X, 604 S.
gr. 8.) M. 12.—

Weiss, D. Bernhard, Das Neue Testament. Textkritifche
Unterfuchungen und Textherfiellungen. II. Theil. Die
paulinifchen Briefe einfchliefslich des Hebräerbriefs.
2 Theile in I Band. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchh.,
1896. (V, 161 u. V, 682 S. gr. 8.) M. 18.—

— Die paulinischen Briefe im berichtigten Text. Mit kurzer
Erläuterung zum Handgebrauch bei der Schriftlektüre
. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchh., 1896. (V,
682 S. gr. 8.) M. 12.50

S- 24, 7, 30, 15 xaQaxaxad-yxij, die rpvöig I. Kor. II,
und Phil. S. 27, u'tl, das xev&etP L Kor. 5, 2, Phil. 269,
isr, yaXa und ßpm/ia I Kor. 3. 2, Hebr. 5, 13, Phil. S. 75,
das Urtheil, über die in xaxaxQyGti Xtyouevoi Irtol S. 253,
H f. und I Kor. 8, tt. Auch das ideale Jerufalem kennt
er, es ift ihm aber als Öoaoig tlp?'/p?]g die Gottesftadt in
der Seele der Weifen (S. 298, 21 f.).

Das gleiche Ergebnifs liefert der Vergleich der
Parallelen Philo's zum Hebr. und Johevg. Die Sprache
des Hebr. fleht Philo am nächften; vgl. S. 50, 3, 4 {jcoXöv 6'
ovxa xov jrtoi ixäoxov X.öyov vxtQ&eriov iloavd-ig) mit
Hebr. 5, n, 6, 1, 3, die rhetorifche Aufzählung der Glau- | *>'•
benshelden Hebr. 11 und Phil. 59, 17 f., Phil. S. 283, 3 {sl- Das grofse, 1891 mit der Apoca'vofe beer

Qr/vyg axQdxov ysvOafttVOt) und Hebr. 6, ,. Unberührt Werk, deffen Vorarbeiten um Jahlieinte *urüc&rieh«
aber fleht neben einander die Ausdeutung des Hohen- ift jetzt mit den Evangelien zum Abfchlufs
pnefters als das Ideal eines Weifen (S. 288, 7f), der h(m
axtjvrj iS'26, 17), und die Typologie des Hebr., während
das auffallende 0 /ityag aQxitQevg (Hebr. 4, 14) fich auch
Phil. 251, r, findet, und die Auffaffung der 6nxr»/it>oLt
(Hebr. j, 20.21.2s) an Phil. S. 207, 2 f. erinnert. Zu Joh.

Der gefeierte Interpret des Neuen Teftamentes hat mit
diefer dreibändigen Textausgabe den Kreis feiner zahlreichen
Arbeiten trefflich abgerundet. Von Herzen beglück-
wünfehen wir ihn zur Vollendung des ftattlichen Werkes.

Eine felbltändige Recenfion des neuteftamentlichen
Textes auf Grund fo langjähriger exegetifcher Arbeit,

---- „ in 2 3 44, *f-i zu iexr-es aut uruna 10 langjannger exegetucner /vrDeit,

M? itl ÜdWFflsßJxw Atoiat). das will etwas befagen in einer Zeit, die zumeift über

Jr? i9'u sLÄ- k , ,, Pine anders eewandte I Abdruck und Vergleich der älteren Ausgaben hinauszu-
Fur Joh. 7, 3h giebtPhil. S. 297, i5f. eine anaers gewe , r_u „:„us„......, a..„u j__*r„»..

Analogie. Den Abftand beider zeigt Joh. I, U und rmi.

to _ .... i_r_ z^^i-fl.^-h^c und

gehen fich nicht getraut. Auch die letzte deutfehe
Leiftung auf diefem Gebiete, Neftle's kleine Handausgabe
, will und kann ja trotz der Ehre, die Weifs ihr
anthut, als felbftändige Textrecenfion gar nicht gelten.
Nun ift es freilich eine textkritifche Ausgabe ganz eigener
Art, die Weifs uns bietet: ihr fehlt — das ift bezeichnend

7-VUdIUgIC. ivcn 2-vuiiaiiu Utiun «•>-■&- J---- - -

60, 17, 61, 15f., wo verneint wird, dafs Göttliches und
Menfchliches fich orgaiftfch verbinden könne. Zu
I Petr. 1, 7. Jak. 1,3 vgl. S. 253, 14 dyayobv tlg TO öoxi-
fUOP, wo W. wohl überflüffig öoxi/itlov conjicirt.

Diefe Analogien, die nur herausgegriffen find, belegen
die Wichtigkeit Philo's zwar nicht als ,Vater des — jeder textkritifche Apparat, dafür ift der Text von
Chriftenthums', aber als Reprhfentant der ethifch - reli- einem knappen Commentar begleitet. Es ift die Exe-
giöfen Anfchauungen des jüdifchen Hellenismus, welcher , gefe, welche hier in der Textkritik die entfeheidende
der Verkündigung des Evangeliums den Boden bereitete, btimme hat. An Stelle des Apparates aber bietet Weifs
nicht zum wenigften dadurch, dafs er das Alte Teftament j — und das hat feine Ausgabe vor allen anderen vor-
als Weisheitsurkunde zur Geltung brachte und in einer i aus — in textkritifchen Einleitungen eine zufammen-
Faffung mit der griechifchen Weisheit verband, die den hängende Begründung feiner Entfcheidungen. In den
Zcitgcnoffen vertraut war. Denn der Alexandriner ift ein erften dreiTheilen (Apocalypfe, Kath. Briefe, Apoftelgefch.)