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Ausgabe:

1900 Nr. 23

Spalte:

640-643

Autor/Hrsg.:

Kukula, R.C.

Titel/Untertitel:

Tatians sogenannte Apologie 1900

Rezensent:

Krüger, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 23.

640

Codex die 8. Stelle erhalten. (Was vorhergeht und folgt,
ifL von dem Herausgeber nicht mitgetheilt). In vorflehender
Publication ift das Stück zunächft für fich
allein abgedruckt, fodann ift eine Recenfion des Bryennios'
fchen Textes gegeben und ihm zur Seite ift der lateinifche
Text noch einmal gedruckt.

Die lateinifche Ueberfetzung ift diefelbe, welche im
Mellicensis saec. X. in einem kleinen Bruchftücke vorliegt;
nennenswerthe Varianten zvvifchen den beiden Abfchriften
find überhaupt nicht vorhanden; aber der Monacensis
umfafst die .beiden Wege' vollltändig. Für diefe (— unter
den von Hauler entdeckten Veronefifchen Stücken
fehlen fie —) haben wir jetzt, von Citaten abgefehen,
nicht weniger als 8 Zeugen: das Manufcript des Bryennios
(M), den Barnabasbrief (B), den Lateiner (L), die ägyp-
tifche KO (K), das 7. Buch der Apoltolifchen Conftitu-
tionen (A), das Syntagma doctrinae Athanasianiim (2),
die Fides Nicaena Pseudoathanasiana (N) und die Oratio
Schnudi monachi arabica (Sehn).

Statt den Lateiner zwei Mal abzudrucken und lediglich
mit M zu vergleichen, hätte Schlecht beffer ge-
than, meinem Beifpiele zu folgen (Die Apoftellehre, kleine
Ausgabe, 2. Aufl. 1896, S. 57ff.) und die ,beiden Wege'
nach allen 8 Zeugen zu recenfiren. Bei jenem Verfahren,
welches nur über die Abweichungen des L von M aufklärt
, bekommt der von M gebotene Text ein zu grofses
Gewicht und der Urfprung der Varianten in L bleibt dunkel.

Ich werde im Folgenden an einigen Stellen den
Werth von L aufweifen:

1,1: Mit dem Zufatz an saccido' steht Lallein, aber
die Worte ,lucis et tenebrarum. in bis consüticti sunt
angeli duo, utius aequitatis, alter iniquitatis' werden ähnlich
von B geboten.

1,2: Den Zusatz ,aeternum' bietet L allein.

1,3: {svXoyElxe) ■—2,1 fehlt in L und allen Zeugen
aufser M.

2,7: Die grofse Auslaffung in L kann nur, wie das
,quosdam' und die übrigen Zeugen lehren, durch Ho-
möoteleuton verfchuldet fein.

3,2: Das ,irae' (flatt cpövot) kann urfprünglich fein;
doch hat es die übrigen Zeugen gegen fleh.

3,3: Da ein Grund für abflchtliche Auslaffung diefes
von den anderen Zeugen gebotenen Verfes in L nicht
erfichtlich ift, ift wohl ein Verfehen anzunehmen.

3,4: Hier ift die Vogelfchau vielleicht abfichtlich in
L als nicht mehr zeitgemäfs ausgelaffen; auch die anderen
Zeugen bieten hier, den Bedürfnifsen entfprechend,
mannigfache Abweichungen. Das /viderej nec audire'
findet fleh auch in K.

3,7: Der evangelifche Zufatz, den B fXN) nicht
kennen, findet fich auch in L, aber in der intereffanten
Form: quia mansueti possidebunt sanetam terrani,

3,8: Hier hat L gekürzt; dazu: xovq Xoyovq ovq vel
xovq Xoyovq dxov BÄK, scdvxaq xovq Xoyovq ovq L, xovq
Xoyovq öict navxbq ovq M^NSchn.

3,9: Die Worte: ,nec honorabis te apud homines'
bietet nur L; fie find ein evangelifcher Zufatz. — Bei
Schlecht S. 15 find durch Irrthum die Worte: qiec dabis
animaetuaesuper biam' im Texte ausgefallen. — Die Worte:
lern de xacpEivöcpgmv xaxcl ndvxa (BSchn) fehlen in L (wie
in MAK).

4,1: B xvgiov, cett. {xeov, L domini dei. — Die von
BK gebotenen Worte: dyajtyöEiq (6q xögyv xov 6<pd-aX-
pov öov hat L nicht (wie M cett.). — vvxxbq xal yutgaq
MKBSchn, y/iEQaq xal vvxxöq AL. — y xvgioxyq XaXslxac
M, ,dominica procedunt' L, y jceqI &eov öiöaöxaXia A. —
exeI M abi et' L.

4,2: xafr' rjUEQav BAKM, om. L.

4,3: Nach xqivElq öixaimq fchiebt nur L ein: ,scicus
quod tu iudicaberis', ein evangelifcher Zufatz. — Die
Worte ov Xyrpy jxgöömjcov hXty$,at hsxl Jiagascxmpiaxi hat
der Ueberfetzer nicht verftanden und daher gefchrieben: |
Non depriuics quemeunque in casu suo.

I ^ 4, Gf.: *Eäv tyyq öid yyiQwv öov, ömösiq Xvxgmöiy
auagximv öov. Ov öiöxdötiq öovvai ovöh öiöovq yoyyv-
öxsq M, Ata xmv yyigmv öov egyaöy elq Xvxqov ajiagximv
öov. Ov öiöxdöEiq xxX. B, 'Eav tyyq öid xmv XE/gmv
öov, ömöEtq Xvxgmöw [ßoq Elq afpeöiv Neapol.) xmv a/iag-
ximv öov, Ov öiöxdösiq xxX. K, 'Eav syyq öia xmv
ysigmv öov, öoq, Iva egyaöy tlq Xvxgmöcv dpagximv
öov ... Od öiöxaöEiq A, ,Si kabes per manus tuas redemp-
tionem peccatorum, non dubitas dare' L. Mir fcheint
diefe letzte Form die jüngfte zu fein, Schlecht dagegen
corrigirt M nach ihr.

4,8: sv stäöcv B, siavxa MKL, slq jcdvxa A. — cxöeX-
<pm öov AMK, jratribus tuis' L, siXnöiov öov B. — Die
Conjectur ,si enim in immortalibus' {Cod. ,si enim morta-
libus'J ift fehr anfprechend; aber vielleicht ift es doch
zu beachten, dafs Sehn, feine Paraphrafe der Stelle mit
den Worten fchliefst: ,so werden wir mit ihnen Antheil
haben an den bleibenden, ewigen | Gütern]'. — eöxe M al.,
,sumus' LSchn. — L fchreibt: ,quanto magis hinc ini-
tiantes esse debemus1, und fügt hinzu: ,Omnibus enim dominus
dare (lies dari) vult de donis suis'. Diefer Satz
fehlt fonft; aber I, g fchreibt M: ,scäöc yag D-eXei öiöoöDai.
o Jtaxyg ex xmv lötmv yagiöudxo)v, und Sehn, bietet in
feiner Paraphrafe: ,gieb ihm gemäfs deinem Vermögen'.
4,9: öiöd^Eiq BM, öiödqEiq avxovq AL.
4,10: Die Worte /irjjioxe ov py cpoßyvyöovxai xov
ejx ducpoxEgoiq dsöv hat L nicht verftanden und daher
[ut] timeat utrumque, dominum et te', ebenfo hat er
,aXX* kp ovq xb jiVEvpia yxoi/zaöEV nicht verftanden und
,sed in quibus spiritum tnvenit' gefchrieben, wozu die
zweite Hand noch Jiumilem' gefetzt hat.

4,12: stäv ö [ir{ dgsöxbv xm xvgim BM, 0 sav y
ctgsöxbv xvgim stoiyotiq A, ,quod deo non placet, non
facies L.

4,13: Od [iy syxaxaX'myq evxoXaq xvgiov om. L und
fügt contraria' im folgenden Satz hinzu.

4,14: Die Worte hv txxXyoiq e§o/io?.oyyöy xa sca-
gastxmfiaxd öov (M) fehlen in L, hv sxxXyöiq fehlt auch
in B Ottob. A, welches alfo nur von M geboten wird.

Ich breche hier ab (das 5. und ein Theil des
6. Capitels ift in L noch vorhanden). Schlecht's angekündigtes
gröfseres Werk: ,Die Lehre der 12 Apoftel
in der Liturgie der katholifchen Kirche' wird zu einer
weiteren Befprechung Anlafs geben. Wir fehen ihm mit
Spannung entgegen.

Berlin. A. Harnack.

Kukula, R. C, Tatians sogenannte Apologie. Exegetifch-
chronologifche Studie. Leipzig, B. G. Teubner, 1900.
(III, 64 S. Lex. 8.) M. 2.40

In der uns vorliegenden Arbeit hat fich der durch
feine literargefchichtlichen Unterfuchungen zur Auguftin-
ausgabe der Mauriner vortheilhaft bekannte Verfaffer ein
dreifaches Ziel gefleckt: er möchte 1) einen Beitrag zur
Charakteriftik der Rede Tatians und ihrer Stellung in
der Literaturgefchichte geben, 2) fchwierige Stellen erläutern
, 3) Abfaffungszeit und -ort richtiger feftlegen als
es bisher gefchehen ift.

Das Ergebnifs feiner Bemühungen um den erften
Punkt ift, dafs unfere Rede bei einem ganz beftimmten
Anlafs gehalten fei, dafs fie bei einer eventuellen nachträglichen
Redaction, die übrigens ganz unwahrfcheinlich
fei, keine wefentlichen Zufätze erfahren haben könne,
endlich dafs fie trotz des grofsen Stoffes, den fie ihrem
Zwecke gemäfs behandeln mufste, in das vorliegende
enge Gewand geprefst worden fei, um innerhalb einer
befchränkten Frift beendigt werden zu können. Diefen
einleuchtenden Sätzen, die durch eine forgfältige, vielfach
neue Exegefe aller in Betracht kommenden Stellen
bewiefen werden, ftimme ich in allem Wefentlichen zu.

Kukula's Verfuche, fchwierige Stellen zu erläutern,
fordern begreiflicher Weife nicht feiten Widerfpruch