Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1900 Nr. 22

Spalte:

614-615

Autor/Hrsg.:

Voigt, Heinrich Gisbert

Titel/Untertitel:

Adalbert von Prag 1900

Rezensent:

Mirbt, Carl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 22.

614

Ich bleibe dabei, dafs H und Xc uns den Weg zur
Reconfbuction des Textes des Pamphilus weifen, und
wende mich wieder zur Befprechung der Arbeit v. d. G.'s.
Ich glaube, dafs v. d. G. nun nicht ganz auf dem rechten
Wege ift, wenn er eine Handfchrift, die auf Grund der
Commentare des Origenes angefertigt fein will, mit der
.Pamphilus'-Gruppe in Verbindung fetzt. Im alten Tefta-
mente ift zwar die Gleichfetzung von Origenes und Pamphilus
berechtigt. Hier haben Eufebius und Pamphilus
in der That die textkritifchen Arbeiten des Origenes
weitergegeben. Im neuen Teftamente liegen die Dinge
anders. Origenes hat keine Recenfion des neuen Tefta-
mentes hergeftellt, er hat fogar fehr verfchiedene Hand-
fchriften des neuen Teftamentes gebraucht, in Alexandria
andere als in Caefarea. Hier konnten die Schüler des
Origenes freier verfahren, und wie mir fcheint hat ihr
Text anders ausgefehen als der des Origenes. Da v. d. G.
nur einzelne Stichproben des Textes bietet, fo ift es
allerdings unmöglich, hier ein abfchliefsendes Urtheil zu
geben. Aber aus den Stichproben ift bereits zu erfehen,
dafs der Text des Athous engfte Verwandtfchaft mit B
und nicht fo fehr mit X + kc zeigt. Verwandtfchaft ift
bis zu einem gewiffen Grade natürlich auch hier vorhanden
, wie die zahlreichen Berührungen mit Sc zeigen.
Bemerkenswerth ift die v. d. G. nachgewiefene enge Verwandtfchaft
des Athous mit 47 und auch den Scholien
diefer Handfchrift. Hoffentlich bekommen wir auch von
dicfer bald eine genaue Collation.

Wieder anders verhält es fich mit dem Texte von
Acta und Kath. Es ift fehr fraglich, ob auch diefer
nach Origenes hergeftellt ift.*) v. d. G. weift hier in der
That eine enge Verwandtfchaft mit der von mir ver-
fuchsweife auf Pamphilus zurückgeführten Minuskelclaffe
nach, namentlich mit den Codices 69. 105.— Mit Origenes
aber fcheint diefe Gruppe wenig zu thun zu haben. Sie
zeigt jenes charakteriftifche Schwanken zwifchen den
Lesarten der älteren (BxAC) und jüngeren (EHLP) Codices
, das wir auch bei Hxc beobachten.

Der Raum erlaubt mir nicht, näher auf die von G.
veröffentlichten und befprochenen Scholien der Arbeit
einzugehen, obwohl gerade fie des intereffanten und neuen
viel bieten. Kennt doch der Verfaffer der Scholien
noch den griechifchen Text des Irenaeus, die Stromateis
des Origenes, die Schrift des Clemens xiqi rov xdöya,
die Schrift des Eufebius gegen Porphyrius, ein von der
Hand des Eufebius gefchriebenes Exemplar des Neuen
Teftamentes oder eines Theiles desfelben u. a., und hat
uns infolgedeffen manches koftbare Fragment bewahrt.
Was man aus dem Athous in Bezug auf die Origenes-
Literatur lernen kann, ift S. 90—99, zufammengeftellt. —
Es wäre fehr zu wünfchen, dafs v. d. G. bald Gelegenheit
finde, eine Collation der von ihm entdeckten Handfchrift
zu veröffentlichen, zu verwerthen und damit feine
ungemein verdienfthche Arbeit abzufchliefsen.

v. d. Goltz theilt mir folgende Berichtigungen, die
eine nochmalige Collation des Codex neben anderen
ergeben hat, mit. S. 81 Schol. N. 160 lies Z. 1: dvtyxXno'iag
rov &tov; S. 3 »eov ft. vlov, Z 6 twc adde a. üvtyxX.
Z.( 7 rijg Xi'tgtmg 0 vovg, Z. 8 rb ßoußelöv ion ßQaßtlov
avtyxhiölag the /xnöafitög iyxXyuari rcöv ctstb Vtpv
tLtnutrövrcov. S. 87 Schol. 197 Z. 3 (post &dvarog) tvvaöe
0£ ov xtlrai OVY tVQioxtro avrov 9-avurog aXXa rayu ■ ■ .
Z. 4 xaraXa/jßavö/ui'ov.

Göttingen. Bouffet.

*) Man darf alfo keineswegs, wie Zahn a. a. O. dies thut, aus
Lesarten des Athous in den Acta auf Origenes fchliefsen.

Voigt, Prof. Lic. H. G., Adalbert von Prag. Ein Beitrag
zur Gefchichte der Kirche und des Mönchthums im
zehnten Jahrhundert. Mit zwei Original-Heliogravüren,
einer Photolithographie und einer Karte. Berlin, Verlag
der Akademifchen Buchhandlung (W. Faber & Co.),
1898. (VI, 369 S. gr. 8.) M. 6.—

In der umfangreichen Literatur, die das Adalbertjubiläum
im Jahre 1897 hervorgerufen hat — ein zu-
fammenfaffendes kritifches Referat über 45 Publicationen
giebt R. F. Kaindl in den Mittheilungen des Inftituts für
öfterr. Gefchichte Band 19, S. 535 ff, 20, S. 641 ff. — be
hauptet das vorliegende Buch eine hervorragende Rolle.
Dafs ihm eindringende Studien zu Grunde liegen, zeigt
ein Blick auf das in den Anmerkungen (die leider am
Ende des Buches [S. 219—341] ihren Platz gefunden
haben und durch kein Regifter erfchloffen werden) auf-
gefpeicherte gelehrte Material. Die Erklärung der Abbildungen
findet fich Anm. 752, ebendort wird auch eine
lehrreiche Ueberficht über Adalbert's Leben und die ihn
betreffenden Daten geboten. Ueber die Echtheit der
Adalbert zugefchriebenen Schriftftücke — im Anhang
S. 343—369 find fie in dankenswerther Weife zufammen
abgedruckt — ift die Unterfuchung noch nicht abge-
fchloffen; der Verfaffer fixirt feine Stellung dazu in der
erften Anmerkung (S. 219—238), die zugleich über das
gefammte Quellenmaterial und die einfchlägige Literatur
orientirt. Unter den Quellen für das Leben des Heiligen
fleht die vita des Johannes Canaparius (j 1004), dem
Mönch und fpäteren Abte des St. Alexiusklofters in Rom,
wo Adalbeit 989 Zuflucht fand, als die ältefte und zwar
noch in deffen Todesjahr 997 verfafste obenan. Bruno
von Querfurt, der Autor der zweiten Lebensbefchreibung,
hat demfelben Klofter angehört und fpäter (1009) ebenfalls
den Märtyrertod in Preufsen erlitten. Seine in zwei,
von Voigt als gleichwerthig bezeichneten, Recenfionen
vorliegende Vita flammt aus dem Jahre 1004, hat bereits
die des Canaparius benutzt, befitzt aber durch eigenartige
Nachrichten neben diefer felbftändigen Werth. Wefentlich
geringer fchätzt der Verfaffer die Passio S. Adalberti
martiris, deren Entftehungszeit er in die Jahre 1006 bis
1025 verlegt. Andere Forfcher urtheilen über fie erheblich
anders und gegen die von Voigt hier entwickelte
Auffaffung hat inzwifchen A. Kolberg (Zeitfchr. f. d. Gefch.
u. Alterthumskunde Ermlands N. F. 12, 267 ff.), die hi-
ftorifche Bedeutung der Passio vertheidigt.

Aus dem Berichte über die Jugend Adalbert's, dem
eine orientirende Ueberficht ,Aus Böhmens Vorgefchichte'
und ,Die Anfänge der chriftlichen Kirche in Böhmen'
(cap. 1, 2) vorangefchickt ift, heben wir die Thatfache
feiner zweimaligen Firmelung (S. 20) hervor. Dafs der
böhmifche P'ürftenfohn in Magdeburg feine Erziehung
genoffen hat, ift für fein ganzes weiteres Leben beftirn-
mend geworden. Denn die neun hier zugebrachten Jahre
(972—981) haben ihm nicht nur eine beträchtliche Bildung
zugeführt, fondern vor Allem das Verftändnifs für deut-
fches Wefen und deutfches Kirchenthum erfchloffen und
ftarke asketifche Anregungen vermittelt (S. 26). Seit er
Bifchof von Prag geworden war (982), fleht er geradezu unter
demEinflufse diefer asketifchen Richtung und hat aus ihrem
Gedankenkreis heraus feine Entfcheidungen getroffen. Die
Anerkennung diefer Grundftimmung genügt aber m. E.
noch nicht, der Schilderung feiner Amtsführung durch
Canaparius, die jedes individuellen Zuges entbehrt und
den Typus des Idealbifchofs vorführt, den Charakter
eines hiftorifchen Berichtes zuzufprechen, wie der Verf.
es thut (S. 38). Ich erwähne diefes Urtheil, weil es die
Tendenz zur Unterfchätzung der concreten Verhältnifse
verräth, unter der die Behandlung eines der wichtigflen
Punkte in dem Leben Adalbert's, der Aufgabe feines
Bisthums, wie mir fcheint, gelitten hat. Allerdings wird
hier neben den Schwierigkeiten, die fich der Handhabung
der kirchlichen Disciplin in den Weg (teilten (S. 48), auch