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Ausgabe:

1900 Nr. 20

Spalte:

557-559

Autor/Hrsg.:

Harris, J.

Titel/Untertitel:

The gospel of the twelwe apostles together with the apocalypses of each one of them 1900

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 20.

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höher. Denn die Verfuche, den Kanon der Kirche auf
den Umfang des hebräifchen Kanons einzufchränken,
find immer nur eine Theorie geblieben und nie eigentlich
durchgedrungen. Im Grofsen und Ganzen darf man ge-
troft fagen, dafs die Schriften der griechifchen Bibel,
welche wir ,Apokryphen' nennen, weil fie im hebräifchen
Kanon fehlen, von der alten Kirche auch als kanonifche
gebraucht worden find. Dabei hat es allerdings Schwankungen
und Nuancen gegeben; und diefe genauer zu
unterfuchen, wäre eben die Aufgabe einer wiffenfchaft-
lichen Arbeit gewefen. Dann hätte fich bei der Dar-
ftellung der englifchen Verhältnifse von felbft deren
Unterfchied von den altchriftlichen ergeben.

Der Verf. hat fich nicht die Aufgabe geftellt, diefe
feineren Unterfchiede zu markiren. Er hat aber trotzdem
ein Material beigebracht, für welches wir ihm
dankbar fein dürfen.

Göttingen. E. Schürer.

Harris, J. Rendel, M. A., The gospel of the twelwe apostles,
together with the apocalypses of each one of them. Edited
from the Syriac ms. With a translation and intro-
duction. Cambridge, University Press, 1900. (39 u.
21 S. gr. 8.) in Leinw. geb. 5 sh.

Aus einer ihm gehörigen Sammelhandfchrift (cod.

fyr. Harris 85), die der Schrift nach dem 8. Jahrhundert

zugewiefen wird, veröffentlicht Harris hier in fyrifchem

Text mit englifcher Ueberfetzung vier zufammengehörige

Stücke, deren Titel Erwartungen hervorruft, welche ihr

Inhaltnicht erfüllt. Denn beim,Evangelium der zwölf Apoftel'

_ im vollftändigen Titel fleht noch ,der heiligen' dabei,

und der Zufatz: ,überfetzt aus dem Hebräifchen in das

Griechifche, und aus dem Griechifchen in das Syrifche'

— denkt man fofort an das fchon von Origenes erwähnte

,Evangelium der zwölf Apoftel' (Gehe PRE:! Apokryphen

des N. T. I, 661 n. 5 u. 12), und bei den ,Apokalypfen der

Apoftel' an fo alte Stücke, wie das bekannte Bruchftück

der Petrus-Apokalypfe. In Wirklichkeit aber ftammt

das vierte Stück ,die Apokalypfe des Johannes des

Kleinen, des Bruders desjakobus, welche Söhne des Zebe-

däus wären' aus dem erften oder zweiten Jahrhundert

der Hedfchra und die beiden vorausgehenden Apoka-

lypfen, die ,des Simon Kephas' und ,des Apoftels Jakobus
' gehören fammt dem fie einleitenden .Evangelium

der zwölf Apoftel' mit ihm zufammenund ihrer Grundlage

nach ficher auch erft der nachkonffantinifchen Zeit an.

Trotzdem ift ihre Veröffentlichung fehr dankenswerth;

denn, wenn diefe Texte uns auch nichts aus urchrift-

licher Ueberlieferung erhalten haben, enthalten fie wenig-

ftens Manches, was neu zu fein fcheint. In dem einleitenden
Evangelium wird nur die ,im Jahre 309 Alexanders

in der Regierung des Tiberius'! erfolgte Verkündigung

an die dem Stamm Juda angehörige Jungfrau Maria ausführlich
erzählt, die Flucht nach Aegypten in den 8. Monat
verlegt, Leben und Verwerfung Jefu mit ein paar Norden (das wieder erflandene Rom). Harris mufste da-

Es ftammt nach diefem Ev. nach der Biene

Petrus aus Rüben Naphthali

Jakobus u. Johannes „ Jffafchar Sebulon
Andreas „ Sebulon

Philippus „ Jofeph Affer

Bartholomäus „ Simeon Jffafchar

Thomas „ Benjamin Juda

Jakobus Alphäi „ Levi Manaffe

Thaddäus „ Juda Juda

Simon Kananäus ,, Affer Ephraim
Judas Jfchariot „ Gad Gad.

Ebenfo wird beim Pfingftereignifs von jedem Apoftel die
Sprache angeführt, die ihm gegeben wurde. Es redete
Simon Hebräifch, Jakobus Römifch, Johannes Griechifch,
Andreas Philiftäifch (HarrisS.28 ,Palestmian'),Philipp Egyp-
tifch, Bartholomäus Elamitifch (oder: Alanitifch; diefelbe
Schreibung, wie in der Pefchito zu Act 2, 9), Matthäus Par-
thifch, Thomas Indifch, Jakobus Sohn des Alphäus in der
Sprache von Mefopotamien jenfeits des Fluffes, Thaddäus
Afrikanifch, Simon Kananäus Medifch, Matthias in der
Sprache von Perfien. Merkwürdig ift dabei, dafs die Geiftes-
mittheilung an einem Freitag erfolgt und unmittelbar an
die Erfcheinung des Auferftandenen anfchliefst, als die
Jünger ,zu Tische fafsen' (= Mt. 27, 17?). Dabei kommt
ein wunderbares Licht über fie, drei Stunden lang, wie
es nie gefehen wurde und erft wieder fein wird, wenn
der Herr kommt, und eine Stimme fchickt fie auf den
Berg, auf dem ihnen Mofes und Elias erfchienen waren.
Nach fiebentägigem Faften und Gebet werden ihnen
plötzlich köftliche Speifen vorgefetzt, von denen nur
der Herr weifs, woher fie kommen, und Simon Kephas
hat nun feine Offenbarung, die aber wenig befondere Andeutungen
enthält, fondern nur im Allgemeinen über den
Unterfchied von wahren Gläubigen und fich ,Getaufte'
nennenden handelt, doch aber unverkennbar unter denen,
.welche unfern Herrn zertheilen', auf die chriftologifchen
Streitigkeiten des 5. Jahrhunderts anfpielt. Die, Apokalypfe
des Apoftels Jakobus' befchäftigt fich ausfchlieflich mit
Jerufalem, der Zerftörung des Tempels und der Erbauung
des Grabeskirche durch Konftantin (S. 39, Z. 3 hat Harris
unrichtig überfetzt: he sliall set 11p Ais edicts ftatt ,feine
(Jerufalems) Paläfte', Verwechfelung von Xino und Mipo).
Auf Julian fcheint zum Schlufse noch hingedeutet. Die
Hauptfache ift dem Verfaffer— denn alle drei Stücke find,
wenn nicht von derfelben Feder verfafst, doch von dem-
felben zufammengeftellt und in Verbindung gebracht —
das dritte Stück: Rom geht durch die Perfer zu Grunde,
unter den Perfern zeichnet fich ein Monarch befonders
aus und fällt durch feinen Sohn (Chosroes-Siroes, vgl.
die Einleitung von Harris S. 19), die Perfer erliegen durch
einen Mann aus dem Süden, .einen Krieger und den fie
Prophet nennen'. Aus Ismael, dem Volk des Südens,
kommen nach der Genefis 12 Fürften, zuletzt ift aber
jedermans Hand gegen fie. Bei einer .Wafferquelle an
dem Ort, der von der Sibylle vorausgesagt ift', kommt
es zum Entfcheidungskampf durch einen Mann aus dem

Worten abgethan, von jedem Apoftel aber der Stamm hingeftellt fein laffen, was für eine fibyllinifche Weis
Israels angegeben, dem er angehörte. Aehnliche An- j [ag-ng hier gemeint^ift; von einer Schlacht am ,Iakobs-

gaben find mir bis jetzt nur aus der .Biene' des Salomo
von Bosra bekannt; aber nur bei zwei Apofteln ftimmen
die Namen überein, beim Verräther, der zum Stamme
Gad gehört, und bei Thaddäus aus dem Stamme Juda.
In unferem Texte findet fich fogar die Eigentümlichkeit,
dafs Petrus und Andreas auf zwei Stämme vertheilt werden.
Offenbar foll, wenn die Apoftel auf 12 Stühlen fitzen,
die 12 Gefchlechter Israels zu richten, jeder feinen Stamm
einft richten. Da ,die Biene' des Salomo von Bosra nicht
Jedermann zugänglich ift, und unfere Encyklopädien und
biblifchen Wörterbücher ftatt derlei weniger bekannte
Angaben zu bringen, vielfach nur den Jedermann bekannten
biblifchen Stoff wiederholen, ftelle ich die beider-

brunnen' oder bei .Berfaba' reden auch die Apokalypfen,
die Bouffet in der Z. f. KG. 1899, 270 ff. behandelte.
Ein Kenner diefes Literaturgebiets wird leicht das Nähere
beftimmen können, und da fich in neuerer Zeit die Auf-
merkfamkeit wieder mehr diefer Seite zugewandt hat,
kommt die Veröffentlichung von Harris ganz gefchickt;
nach einer anderen Seite hängt fie mit dem jetzt fo viel
genannten Testatnentum D. n. Jesu Christi zufammen.
Befonders erfreulich ift es noch, aus der Einleitung zu
vernehmen, dafs die Hdfchr. die von Lagarde in den
Reliquiae S. 117—130 mitgetheilten, von Kayfer, Kanones
des Jakob von Edeffa S. 11—33 überfetzten Fragen des
Presbyter Addai an Jakob von Edeffa von 71 auf 129

feitigen Angaben hier zufammen. I ergänzt und noch anderen kirchenrechtlichen Stoff enthält