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Ausgabe:

1900 Nr. 19

Spalte:

544-545

Autor/Hrsg.:

Mayer, Emil Walter

Titel/Untertitel:

Das christliche Gottvertrauen und der Glaube an Christus 1900

Rezensent:

Wendt, Hans Hinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 19.

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So hat Villari behauptet, dafs der Vorfchlag, ein Gottes-
urtheil entfcheiden zu laffen, von Seiten der Gegner Sav.'s
nicht ernftlich gemeint gewefen fei, fondern nur die Abficht
gehabt habe, Sav. eine Falle zu ftellen; ftreng beweifen
läfst fich das freilich nicht, aber wenn man alle Umftände
erwägt, fpricht die gröfste Wahrfcheinlichkeit dafür. Das
will nun L. nicht gelten laffen, indeffen was er als Gegengründe
beibringt — das Beten der Franziskaner in der
Capelle an dem entfcheidenden Tage und die Höflichkeit
, mit der ihre Commiffarien den Sav. behandelten, —
das wird man doch kaum ernfl nehmen können. Befon-
ders bemüht er fich begreiflicherweife, das Verhalten der
Kurie zu rechtfertigen, doch ift es nicht möglich, hierüber
in Kurzem eine Auseinanderfetzung zu geben. Immerhin
enthalten hier wie in anderen Stücken die Darlegungen
des Verf.'s Manches, was Beachtung verdient.

Berlin. S. M. Deutfch.

Brandi, Karl, Die Renaissance in Florenz und Rom. Acht
Vorträge. Leipzig, B. G. Teubner, 1900. VIII, 258 S.
gr. 8.) M. 5.-

Die deutfchen Italienpilger hat man feit Jahrzehnten
in zwei Hauptgruppen theilen können, je nachdem fie
Burckhardt's ,Cicerone' als Vademecum mitführten, oder
den kunfthiftorifchen Bedarf durch Baedeker oder Gfell-
Fells allein zu decken als hinreichend erachteten. In dem
obigen gehaltvollen und auf guter Quellenkenntnifs beruhenden
Werke von Brandi mag die erftere der beiden
Gruppen einen willkommenen hiftorifchen Unterbau und
zugleich den Hintergrund allgemeiner Einführung zu
Burckhardt's meifterhaftern Compendium begrüfsen —
wenn aber die Schrift einer theologifchen Literaturzeitung
zur Befprechung eingefandt worden ift, fo nehmen
wir das gern als Ausdruck für die Vorausfetzung dafür,
dafs unter uns diefe erftere Gruppe ihre Vertretung findet.
Nun wird freilich von dem Herrn Verf. nicht das ganze
Gebiet der Renaiffance in Italien behandelt — er be-
fchränkt fich auf Florenz und Rom — und das mag
man von einem allgemeineren Gefichtswinkel aus bedauern
. Aber das fpecielle Intereffe, welches der Theologe
dem Gegenftande von vornherein entgegen bringt,
nämlich die Frage, wie denn die religiöfen Ideen und
und die kirchlichen Zuflände mitgewirkt haben in jener
grofsartigen Geiltesbewegung und wie fie wiederum von
der Renaiffance beeinflufst worden find — das exemplifi-
cirt fich genügend gerade an den beiden Brennpunkten
Florenz und Rom. Sind dort Humanismus und Chriften-
thum in fpecififcher Auseinanderfetzung begriffen, fo hier
Humanismus und Kirchenthum. Man wird das aus einer
kurzen Skizzirung des von Brandi Gebotenen erkennen.

Der gefammte Inhalt zerfällt in zwei Theile: Florenz,
Frührenaiffance (S. 1—120) — Rom, Hochrenaiffance
(S. 121—230). Die Bedeutung von Florenz in diefem
Zufammenhange ift verkörpert und präformirt durch
Dante, und diefer ift in feiner religiöfen Grundftimmung
durchaus mittelalterlich kirchlich. Auch der ,Entdecker
der Welt und des Menfchen', Petrarca, fleht auf diefem
Boden. Und mögen andere ihn bereits verlaffen — die
echten Florentiner bleiben auf ihm, und Lorenzo Valla
hat Recht, wenn er als deren Vertreter Lionardo Bruni,
dem doch auch die Herrlichkeit der Antike aufgegangen
ift, faft als ftrengen mönchifchen Asketen in feinem Dialog
zeichnet. Ohne einen folchen Hintergrund wäre Savona-
rola's Einflufs nicht zu begreifen — und in hohem Grade
bezeichnend ift es, dafs die humaniftifche Philofophie zur
Zeit des Lorenzo il Magnifico fich keineswegs das Ziel
fetzt, die mittelalterliche Theologie zu befeitigen, fondern
vielmehr dahin ftrebt, in friedlichem Abkommen mit jener,
Raum für ihre Intereffen zu fchaffen.

Deutlicher tritt — freilich wohl mehr für unfere Reflexion
als für die Empfindung der Zeitgenoffen — in
Rom der natürliche Gegenfatz zum mittelalterlichen

Kirchenwefen zu Tage. Aber er wird, allerdings unter
fchweren moralifchen Einbufsen und unter mahnenden
und ftrafenden Erfcheinungen (vgl. S. 145 f.) zur Noth
überdeckt und ftört nicht das goldene Zeitalter (S. 156)
mit Rafael's Beugung vor der kirchlichen Autorität, der
andererfeits Michelangelo aus Religion gegenüberfteht.
Was diefem goldenen Zeitalter nach kurzer Dauer, gleichzeitig
auch der Nachblüthe der Florentiner Renaiffance,
ein jähes Ende bereitet hat, zeigt Brandi S. 206 ff. und
zwar hinweifend auf die neuen europäifchen Mächte,
welche vordrängen gegen das zu feinem Unheil fo fchöne
und reiche Italien; nämlich Spanien und Frankreich und
— last not least die Reformation. Da aber diefe in ihrer
deutfchen Geftaltniemalspolitifchgegen das Papftthum oder
fonft im Bereiche der italienifchen Politik oder Renaiffance
aggrefliv aufgetreten ift, fo wird fie hier höchftens infofern
in Betracht zu ziehen fein, als fie Einflufs und Ge-
ftaltung der fpanifchen Reformation in Italien durch den
Gegenfatz mit benimmt hat. In der That ift es die
letztere — in erfter Linie, was Br. nicht ausführt, das Werk
des Ignatius von Loyola, welches durch den in ihm gepflegten
Geift die Renaiffance getödtet hat, um dann
fpäter allerdings deren wilde Schöfslinge im Barock
zielbewufst zu pflegen.

Königsberg. , Benrath.

Mayer, Prof. E. W., Das christliche Gottvertrauen und der
Glaube an Christus. Eine dogmatifche Unterfuchung
auf biblifch-theologifcher Grundlage und unter Berück-
fichtigung der fymbolifchen Litteratur. Göttingen, Van-
denhoeck & Ruprecht, 1899. (V, 162 S. gr.8.) M. 3.60

Der Verf. erläutert zuerft das Wefen und den Werth
des unbedingten Gottvertrauens. Er fragt nach den Gründen
des Gottvertrauens, wie es fich bis zu einem gewiffen
Grade in allen Religionen findet, und andererfeits nach
den Hemmnifsen desfelben. Letztere liegen in dem Sünden-
bewufstfein, in den Uebeln der Welt, in der Thatfache,
dafs für die vor- und unterchriftliche Menfchheit kein
Anlafs befteht, fich zu der Idee einer unbedingt gütigen
höheren Macht zu erheben. Das Urtheil, dafs durch
Jefus Chriftus diefe Hemmnifse befiegt find, leitet hinüber
zu der Hauptfrage: was für eine Bewandtnifs es mit
dem Glauben an Chriftus habe und in welcher Relation
erzürn unbedingten Gottvertrauen flehe. Eine Unterfuchung
diefer Frage erfcheint dem Verf. deshalb angezeigt, weil
in der neueren proteftantifchen Theologie das wechfel-
feitige Verhältnifs zwifchen Chriftusglauben und Gottvertrauen
oft nicht klar zum Ausdruck gebracht fei, zum
Theil auch diefe beiden Functionen überhaupt nicht
deutlich unterfchieden feien. Eine forgfältige Befprechung
einerfeits der reformatorifchen Urtheile über das Gottvertrauen
und den Glauben an Chriftus, andrerfeits
der neuteftamentlichen Ausfagen über den Glauben
in feinen verfchiedenen Beziehungen führt zu dem Er-
gebnifs, dafs in den claffifchen Perioden des Chriften-
thums der Glaube an Chriftus nicht als Folge, fondern
durchweg als Vorausfetzung und Urfache des rechten
chriftlichen Vertrauens auf Gott hingeftellt ift. Der Verf.
legt nun aber auch befonderen Nachdruck auf den Nachweis
, dafs der das Gottvertrauen begründende Chriftus-
glaube fowohl nach den neuteftamentlichen wie nach den
reformatorifchen Ausfagen mannigfache Formen haben
kann und keineswegs blos in der Geftalt einer beftimmten
Theorie über die Heilsbedeutung Chrifti auftritt. Das
Wefentliche des rechten Chriftusglaubens fei die affect-
volle, das Gemüth erregende Gewifsheit, dafs der hiftori-
fche Jefus als Vertreter Gottes und Inhaber göttlicher
Huld und Wahrheit für uns Menfchen der Bringer ewiger
göttlicher Heilsgaben ift.

Mit dem Urtheile, dafs unbedingtes Gottvertrauen
durch den rechten Chriftusglauben bedingt ift, foll aber