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Ausgabe:

1900 Nr. 19

Spalte:

531-532

Autor/Hrsg.:

Weis, J. E.

Titel/Untertitel:

Christenverfolgungen 1900

Rezensent:

Neumann, Karl Johannes

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 19.

532

dem Hohen Liede (S. 78—126; 78—92 Ein]., 93—126 Erklärung
). Nach einer eingehenden Befprechung der
früheren Auslegungen und Ablehnung der allegorifchen
und dramatifchen Erklärung ftimmt er der hiftorifchen
bei, für die Wetzftein durch feine Abhandlung über die
fyrifche Drefchtafel die Bahn gebrochen und die auch
von dem neueften Commentator des Buches, K. Budde
(in Marti, Kurzer Handkomm. z. A. T. XVII, 1898), vertreten
worden ift. Danach ftellt Cnt eine Sammlung von
Hochzeitsliedern dar, welche fämmtlich den Preis des ehelichen
Liebesgenufses zum Gegenftande haben: der junge
Ehemann ift während der Hochzeitswoche, die auch
Königswoche heifst, der König, fein Weibchen die Königin
{melikd), ihr Thron ift die Drefchtafel (oft das einzige
Möbel der fyrifchen Bauern), die hoch aufgebaut ift und
von der aus das junge Paar den Spielen und Aufführungen
zufchaut, die ihm dargebracht werden. Siegf. unterfcheidet
in Cnt io Lieder, bez. Liederkränze (von denen einige
aber verftümmelt oder glofürt find), nämlich: 12—4a; 1 4b—s.
9—27 (l7f. ift ein Fragment); 2s—14. i6fj 31—5; 36—uj 41—51
(excl. der Gloffe 4s); 52—63; 64—12; 71—84; 85—14 (aus 7
Fragm. beftehend). Die Zeit der Abfaffung ift die
griechifche Periode, früheftens das 3., wahrfcheinlicher
das 2. Jahrhundert v. Chr.; der Ort der Entftehung wohl
Jerufalem und Umgegend. In der Metrik hält fich Siegf.
wohlweislich fern von den Gewaltfamkeiten Bickell'fcher
Verskunft; feiner Auffaffung von dem Büchlein kann man
nur voll zuftimmen. — 27 find bei der Betheuerung die
Gazellen und Hindinnen (fliitt? und ryib^tt) wohl weniger
darum gewählt, weil fie wie die Liebe fcheu find (Siegf.
nach Budde), fondern weil ihre Namen an die Gottesbezeichnungen
niitES "1 und anklingen. — 710 ftreicht
Siegf. ■»"'ilb; Budde will dafür ^Srib lefen, wobei aber das
doppelte "jn in v. a. ftörend. Beffer fcheint mir, isixc'b
herzuftellen (,der über meine Zunge läuft'); "[bfi cum accus.
wie Dtn. 27 1 Reg. 1312 Joh. 1622. — 82 lefe ich für das
finnlofe 15Tabt"l 5 ^W-bf? ,du umfafst mich', wozu die Fortf.
,und ich tränke dich mit Würzwein und Granatäpfelmoft'
(d. h. gewähre dir den Genufs meiner Liebe) vortrefflich
pafst; zum Verb vgl. Jud. 1629. — 85 ift viell. 530 .tragen'
ftatt bnn herzuftellen; Budde vermuthet bnn ,in Windeln
wickeln'. —

Corrigenda find: S. 42, Z. 7 v. u. 1. "JEtCOH; 70, Z 25
v. u. bODri, davor 6; 71, Z. i ,mit Weisheit', Z. 5 vor Der
Anf.: 13;'q5, Z. 17 i?^3S"!, z- 2 v. u. Jtt©; 99, Z. 18 v. u.
naSJJ; 102, Z. 1 v. u. vor 121: Qoh; 107, Z. 20: Ez. 2715;
110,' Z. ii v. u.: Ex 3O23.

Marburg. R. Kraetzfchmar.

Weis, Dr. J. E., Christenverfolgungen. Gefchichte ihrer Ur-
fachen im Römerreiche. (Veröffentlichungen aus dem
kirchenhiftorifchen Seminar München. Herausgegeben
von A. Knoepfler. II.) München, J. J. Lentner, 1899.
(XII, 179 S. gr. 8.) M. 2.40

Seit Jahren war bekannt, dafs von Mommfen eine
umfaffende Behandlung des römifchen Strafrechts zu erwarten
fei, und allein aus diefem Grunde hat Ref. die
Fortführung feines Werkes über Staat und Kirche, der
jetzt kein Hindernifs mehr im Wege fleht, unterbrochen.
Mommfen's berühmter Auffatz über den Religionsfrevel
nach römifchem Rechte hat den Begriff der coercitio in
die Unterfuchung eingeführt, und fein Strafrecht legt die
ungemeine Bedeutung der Coercition als hiftorifcher Grundlage
des römifchen Strafrechtes klar, die auch feinen
Charakter in weitem Umfange beftimmte; der Ueber-
blick über das Ganze giebt die Sicherheit des Urtheils
auch über die richtige Einordnung des Einzelnen. Es
verfteht fich von felbft, dafs Mommfen in der umfaffenden
Arbeit für das Strafrecht auch über feinen eigenen Auffatz
hinausgegangen und hinausgefchritten ift. Durch das
ganze Werk zerftreut findet fich die juriftifche Erklärung

I von Stellen des neuen Teftamentes und der Kirchenväter,
und es fehlt auch nicht an zufammenhängender Erörterung.

Im Herbft 1899 erfchien das Strafrecht, aber bereits
Neujahr 1899 hat der Verf. das Vorwort feines Buches
über die Chriftenverfolgungen unterzeichnet. Mommfen's
Auffatz und das Buch des Ref. find die Schriften, die der
Verf. am genaueften ftudirt hat. Seine Arbeit ift forg-
fältig, nachdenklich und felbftändig und ift werthvoller
als die Mehrzahl der Arbeiten, die in den allerletzten
Jahren in die Discuffion eingegriffen haben. Es ift Ernft
gemacht mit der Durchführung der coercitio, nur dafs doch
Manches anders zu formuliren fein wird, fobald man die
unlösliche Verbindung von Coercition und Judication in

[ den Vordergrund ftellt, die bei den befreiten Gerichten,
bei dem Verfahren extra ordinem, begegnet, das fowohl

! Coercition wie Judication war und als coercitionsartige
Judication zu bezeichnen fein dürfte. Dafs auch in dem

j Verfahren gegenüber den Chriften zwifchen reiner Coercition
und der coercitionsartigen Judication zu fcheiden ift, hat
Ref. in feinem Artikel coercitio bei Pauly-Wiffowa be-

j merkt. Ebenfo wie Ref. vertritt der Verf. die Thefe, dafs
das Chriftenthum, von einem beftimmten Zeitpunkte an,
im römifchen Reiche verboten war, womit natürlich über
die Form noch nichts gefagt ift, in der ein folches Verbot
fich äufsern mochte; die Beweggründe, die dazu geführt
, waren Motive des Verbotes, aber Denunciation und
Urtheil gingen nicht auf diefe Motive, fondern auf die

j Thatfache der Zugehörigkeit zum Chriftenthum. Diefe Zu-

i gehörigkeit als folche bildet den delictifchen Thatbeftand.
Und wenn der verleugnende Chrift frei ausging, fo wird
fich das, meine ich, am heften aus dem Wefen der coercitio
erklären, die nicht fowohl auf Strafe ausging, als auf die
Erzwingung des Gehorfams. Die Ueberzeugung von der
epochemachenden Bedeutung des domitianifchen Regimentes
hat fich mir mehr und mehr befeftigt und ich
werde die Gründe dafür noch verftärken können; der
neronifchen Verfolgung diefe Bedeutung zuzufchreiben

1 bin ich nicht bereit und auch nicht der Meinung, dafs
der Verf. bei Tacitus die Lefung coniuncti für convicti
wird fefthalten können. Zu der Ueberlieferung über
Hadrian und Antoninus Pius fucht der Verf. ein Ver-
hältnifs zu gewinnen und bemüht fich zu erkennen, worin
das traianifche Verfahren dem domitianifchen gegenüber
eine Milderung bedeutet habe; hier wird Apoc. 2, 13 aber
noch zu erwägen fein. Was ich über die Geftattung eines
Auffuchens der Chriften feit Marc Aurel gefagt habe, halte
ich aufrecht, bitte aber genau darauf zu achten, was ich
wirklich gefagt habe. S. 135 hätte der Verf. L.C. 1894
S. 707 verwerthen können. Neben der Stimmung des
heidnifchen Volkes überfieht der Verf. auch das politifche
Element nicht, wie es feit Decius mafsgebend wird. Bei
der decifchen Verfolgung wäre der Verf. weiter gekommen,
wenn er die Recenfionen des Gregg'fchen Buches gekannt
hätte, die Ref. im L.C. und Holl in den G.G.A. geliefert
haben; auch Harnack's wichtige Aeufserungen anläfslich
des Berliner libellus find ihm entgangen. Unrichtig ift
die Definition des Martyriums S. 163. Aber ich kann
hier nicht auf alles Einzelne eingehen. Der Anhang
meines z. Th. bereits gedruckten Buches über Hippolytus
von Rom bietet, als Ergänzung zu meinem erften Bande,
eine Ueberficht über die ,neuen Funde und Forfchungen
zur Gefchichte von Staat und Kirche' feit 1890, um feft-
zuhalten, was davon etwa als bleibender Gewinn zu betrachten
fein könnte. In der ernften und gewiffenhaften
Schrift von Weis fehlt es nicht an folchem Gewinne.

Strafsburg i. Elf. K. J. Neu mann.