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Ausgabe:

1900 Nr. 18

Spalte:

509-511

Autor/Hrsg.:

Kayser, Karl (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte. 4. Jahrg 1900

Rezensent:

Bossert, Gustav

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5C9 Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 18. 510

182 beigefügte Tabelle als nützliches Hilfsmittel zu bezeichnen
, um ,den Gebrauch der kanonifchen Evangelien
durch Celfus' feftzuftellen. S. 172 h fcheint Verf. mit
Keim Rom als Abfaffungsort des Wahren Wortes anzunehmen
. Für diefe Annahme fpricht nichts Sicheres,
dagegen weift manches auf den Orient, befonders auf
Alexandria; vgl. K. Joh. Neumann, Realenc. f. prot. Th.
3. Aufl. Artikel Celfus, S. 774, 17fr.

In den Beilagen druckt der Verf. die Eintheilung
des Wahren Wortes nach Keim, Aube, Patrick und dem
Ref. ab. Hier hätte der Verf. forgfältiger verfahren müffen.
S. 217 find aus ,Stammesgenoffen' .Namensgenoffen' geworden
, S. 222 Z. IO v. o. fehlt: ,und Lakedämoniern',
S. 223 hinter Z. 14 v. o. fehlt der ganze Abfchnitt c.
Cels. VIII 12—16, und auch fonft find kleine Veränderungen
des urfprünglichen Wortlautes vorgenommen. Ref. hat
feine Gliederung des d/nl}t)g Xöyog in der Einleitung feiner
Origenes-Ausgabe S. LI—LVI mit kleinen Aenderungen
abdrucken laffen und möchte ausdrücklich auf diefe ver-
befferte Form hinweifen.

Ein überaus reichhaltiges .Perfonen-Namen-
regifter', in dem .Dioskur' [fo! vgl. S. 25 A. 12] neben
Goethe, Horaz und Xenophon neben Jael und Sifera, St.
Paulus neben Pauly [Realenc] mit aufgenommen find,
fchliefst das Buch ab.

Der Stil des Verf. ift nicht frei von Mängeln; Worte,
wie .diesbezüglich' und .allenfallfig', oder Wendungen wie
(S. 195): ,die Dämonenlehre des Celfus ift ein reines
Prokruftesbett' (dazu .Prokruftes' im Perfonen-Namen-
regifter!), oder ein fo falfches Citat (S. 44): ,Von einem
Geifte keine Spur — Alles, alles ift Dreffur' gereichen dem
Buche nicht zur Zierde. Dazu kommen Druckfehler, die
ja bei einer Erftlingsarbeit eher entfchuldbar find, z. B.
.Emmanation' (S. 96 Z. 5 v. o.), .modernen Religionen'
(S. 202 Z. 5 v. o., ftatt: .modernden R.'), ,Notzs' (S. 26 A.
19), ,Legis allcg. 1' (S. 62 A. 24, ftatt: ,Legum alleg. II 7
[p. 94 ed. Cohn]); mehrere fchlimme Verfehen finden fich
in den griechischen Belegftellen, z. B. fehlen Worte S. 24
A. 8, S. 25 A. 12, S. 90 A. 15 (hier fehlen 7 Worte!), S.
92 A. 28 (hier fcheint mindeftens eine Zeile zu fehlen,
auch ift olyjjOStcd zu fchreiben) u. f. w. Warum endlich
der Verf. fall confequent 'Fwq ftatt Ilde (das m. W. nur
S. 187 A. 110 richtig fleht) drucken läfst, ift dem Ref.
ein Räthfel geblieben; follte vielleicht dem Setzer anfangs
die Type für das grofse Ypfilon gefehlt haben?
Jena. Paul Koetfchau.

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte
, unter Mitwirkung von Abt D. G. Uhlhorn
und Prof. D. Paul Tfchackert herausgegeben von
Superint. D. Karl Kayfer. Vierter Jahrgang. Braun-
fchweig, A. Limbach, 1899. (III, 343 s- Sr- 80 M- S- —
Der neue Jahrgang der gehaltreichen und gut redigirten
Zeitfchrift giebt nur ein Stück, aber ein werthvolles. Es
ift die Gefchichte der zweiten Periode der Hannover-
braunfchweigifchen Kirchengefchichte 864— II2I, deren
erfte Periode der Verfaffcr, Superintendent D. Kayfer in
Göttingen, fchon im dritten Jahrgange behandelt hat. Es
giebt kaum eine Darflellung einer provinzialen Kirchengefchichte
, welche jene namentlich in ihrer erften Hälfte
häufig fehr dunkle Periode fo eingehend und fo genau
mit ficherer Beherrfchung eines überrafchend umfangreichen
Quellenmaterials und fchöner, überfichtlicher Anordnung
des Stoffes fchildert. In fehr erfreulicher Weife
hält fich Kayfer nicht an die engen Grenzen von Hannover-
Braunfchweig, fondern zieht das ganze grofse Gebiet von
Niederfachfen, nämlich neben dem Mainzer Antheile das Gebiet
von Bremen-Hamburg und die fieben Bisthümer Paderborn
, Hildesheim, Ilalberftadt, Verden, Minden, Osnabrück,
Münfter heran. Man fpürt dabei dem Vcrfaffer die ficht-
lichc Liebe an, mit welcher er diefe Zeit behandelt, fagt

er doch: Nie wieder ift fo tief gehende edle Begeifterung,
fo zarter kindlicher Glaube, fo ernfte Sorge für das
Seelenheil, fo entfagungsvolles Ringen nach Heiligung,
fo angelegentliches Suchen nach brüderlicher Gemeinfchaft,
fo warmer Eifer für die Bekehrung der Heiden offenbar
geworden, wie gerade die fächfifche Gefchichte es in
diefer Periode aufweift .... Ihr gehört insbefondere die
Vertiefung und Befeftigung der kirchlichen Organifation,
die Durchführung der kirchlichen Gefetzgebung, die fichere
Pflanzung chriftlicher Zucht und Sitte an, die fich bis zur
Gegenwart erhalten hat' S. 272. Man wird auch Kayfer
zugeben müffen; dafs die Kirche Sachfens damals in
ihrer beften Jugendkraft ftand und unter den Sachfen-
kaifern fich fo kräftig entwickelte, ,dafs ihr in dem gewaltigen
Kampfe der falifchen Kaifer mit dem Papfthum
eine hervorragende Rolle zufallen mufste. Ueberall tritt
die Eigenart Sachfens, die Selbftändigkeit, hervor. ,Mit
den Metropoliten in Mainz und Köln war Sachfen faft
nur durch die nationalen und provinzialen Synoden verbunden
, nicht feiten ihnen perfönlich verfeindet, unter
fich dagegen höchft einig'. (S. 5). Aber auch nach einer
anderen Seite zeigt fich die felbftändige Art der Sachfen.
S. 200 fagt Kayfer: ,Wo in Sachfen der reingermanifche
Charakter am reinften bewahrt wurde, war die Abneigung
gegen das Mönchthum am gröfsten, während fich in den alt-
keltifchen und flavifchenGebieten entfchiedene Geneigtheit
dafür zeigt'. Der Widerftand der Sachfen gegen das Ideal
priefterlicher Heiligkeit eines Gregors VII. ift bekannt.

Neben der werthvollen Gefchichte der Bifchöfe, der
Stifte und Klöfter ift dem Ref. befonders der Abfchnitt
,der innere Ausbau der Diöcefen' lehrreich gewefen. Der
Weg von den erften Miffionsftationen bis zur Ausbildung
eines die Gemeinden befriedigenden Parochialfyftems,
von der Verforgung durch Klerikerconvicte bis zur Be-
ftellung befonderer Pfarrer ift kein fo ganz einfacher und
durchfichtiger. Nur ein folch reiches Quellenmaterial,
wie es Kayfer in umfichtiger Weife benützt, macht es
möglich, die ganze Entwickelung für Niederfachfen fo
anfchaulich zumachen, wie fie z. B. für Schwaben wegen
Mangel an Quellen unmöglich wäre. Der Lefer fieht
hier klar, wie viel Zeit es koftete, bis eine ausgiebige
kirchliche Verforgung möglich war. .Erhebliches war in
den erften zwei Jahrhunderten feit der Bekehrung Sachfens
gefchehen. (Aber) ftatt eines Gotteshaufes hatte jeder Gau
erft drei bis fünf und alle zufammen etwa zweihundert.
Im ganzen oldenburgifchen Ammerigau gab es noch keine
Kirche!' (Vgl. S. 157.) Die Schwierigkeit des Kirchen-
befuchs macht die Anlage von Brücken und Wegen durch
fo eifrige Bifchöfe, wie Bernward von Hildesheim, Meinwerk
von Paderborn und Benno II. von Osnabrück ver-
ftändlich (S. 242). Noch befonderer Beachtung feien die
Abfchnitte ,die kirchlichen und fittlichen Zuftände des
Volks' S. 241fr. und ,die Miffion' S. 2740". empfohlen.

Bezeichnend ift das Fluchformular S. 172. Zu den
biographifchen Angaben über die Bifchöfe hier einige
kleine Bemerkungen. Bifchof Thiethard von Hildesheim
928—954 S. 63 und Sigismund von Halberftadt 895—923
S. 76 nennt Kayfer ohne Quellenbeleg dazu Hirfchauer
Mönche. Es wäre von Werth zu wiffen, ob diefe Bezeichnung
aus vorgregorianifchen Quellen flammt. Dann
wäre die fchwierige Frage, ob es je vor dem 11. Jahrhundert
ein felbftändiges Klofter Hirfchau, von dem
fonft alle und jede Spur in Urkunden und Brüderfchafts-
büchern fehlt, beftanden hat. Man darf aber, wenn fie
wirklich aus Hirfchau flammten annehmen, dafs fie dann
in der neuen Heimat auf irgend eine Weife dem Hirfchauer
Heiligen Aurelius ein Andenken ftifteten, und es
würde der Mühe werth fein, nach Spuren des h. Aurelius
in IIiidesheim und Halberftadt zu forfchcn. Stammt die
Nachricht aber aus nachgregorianifchen Quellen, dann ift
fie höchft zweifelhaft und eine Doublette der Berichte
über Bifchöfe aus den Hirfchauer Klöftern, aus dem Ende
des 11. Jahrhunderts. Zur Gefchichte Liuthars von Minden