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Ausgabe:

1900 Nr. 17

Spalte:

494-495

Autor/Hrsg.:

Glasenapp, Gregor v.

Titel/Untertitel:

Essays. Kosmopolitische Studien zur Poesie, Philosophie und Religionsgeschichte 1900

Rezensent:

Elsenhans, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 17.

494

Infchrift von Bismaya (ich K1K für OK1K findet, das man
als Mittelglied zwifchen Adam und Ado anfehen kann.
Nach der jetzigen Ausfprache der Mandäer müfste übrigens
Kitt ado oder odo gefprochen werden. Siouffi's
Gewährsmann fprach allerdings Adam (Etudes sur la
religion des Soubbas, p. 40), aber hierin war er vielleicht
durch das Arabifche beeinflufst.

Im Schlufshefte giebt P. auch ein ausführliches und
forgfältig ausgearbeitetes Gloffar. Wie in feiner Arbeit
über die Infchrift von Bismaya, fo hat er auch hier die
Wörter lediglich nach den Konfonanten geordnet. Bei
kleineren Gloffaren mag diefe Einrichtung angehen und
fie erleichtert in der That das Nachfchlagen, für ein
umfaffendes mandäifches Wörterbuch wäre fie nicht zu
empfehlen. Ref. hat in feiner Ephemeris I, p. 90 ff. eine
Anzahl Verbefferungen zu Pognon's Lefungen und Ueber-
fetzungen gegeben, die auch für das Gloffar gelten.

Kiel. M. Lidzbarski.

Eubel, P. Konrad, O. Min. Conv., Die avignonesische
Obedienz der Mendikanten - Orden, sowie der Orden
der Mercedarier und Trinitarier zur Zeit des grossen
Schismas. Beleuchtet durch die von Clemens VII.
und Benedikt XIII. an diefelben gerichteten Schreiben.
(Quellen und Forfchungen aus dem Gebiete der Ge-
fchichte. In Verbindung mit ihrem hiftorifchen In-
flitut in Rom herausgegeben von der Görres-Gefell-
fchaft. 1. Band. 2. Theil.) Paderborn, F. Schöningh,
1900. (XX, 231 S. gr. 8.) M. 9.—

Der Rifs, den das grofse Schisma am Ende des
14. Jahrhs. durch die ganze abendländifche Kirche machte,
traf auch die internationalen Orden, vor allem die ge-
fchloffenften unter ihnen, die Bettelorden. Da aber nach
der herrfchenden Anfchauung diefer Kreife — Eubel wider-
fpricht ihr S. VIII im Anfchlufs an Martin V. und feine
nächften Nachfolger — nur die römifchen Päpfte, nicht
aber auch die von Avignon, wirklich Päpfte gewefen
fein follen,- fo hat Eubel in feinem Bidlarium Franciscanum
in dem dafür früher gefammelten Material nur
Bullen römifcher Herkunft gefunden. Er machte fich alfo
daran, aus der avignonifchen Regeften-Serie des vatikani-
fchen Archivs diefes Material zum erften Mal auszuziehen,
dehnte dann aber unter der Hand feine Arbeit auch auf die
anderen drei Bettelorden, fowie die beiden kleinen, zum
Loskauf chriftlicher Gefangener beftimmten Orden der
Mercedarier und Trinitarier aus. Der Urkundenauszüge
für die Bettelorden find es 1419, der für die beiden anderen
57. Ein gut geordnetes Regifter der Perfonen und
Orte macht den Schlufs.

Die Einleitung giebt in knappem Style einen Ueber-
blick über die Materien, die das neue Material beleuchtet
: die Werbearbeit der Bettelorden für die beiden
Päpfte von Avignon während des Schismas und die Ein-
ftellung von Brüdern in den Dienft der päpftlichen Inqui-
fition (mit Ausnahme eines Minoriten find das nur Dominikaner
) oder Poenitenziare u. a.; dann vor Allem die
innere Gefchichte der avignonifchen Obedienzen der
Orden, deren Generale und Provinziale; die Reformen
befonders bei den Minoriten; Privilegien, Dispenfe, Abiäffe
u. f. w. Alles in allem ein reichliches und für die
Specialgefchichte der Orden werthvolles Material«, das
über diefe Obedienzen von Avignon zum erften Mal
klares Licht verbreitet.
Breslau. Karl Müller.

Glasenapp, Gregor v., Essays. Kosmopolitifche Studien
zur Poefie, Philofophie und Religionsgefchichte. Riga,
Jonck & Poliewsky, 1899. (III, 481 S. 8.)

M. 6. —; geb. M. 8.—

Eine Sammlung von 14 Effays mit fehr verfchiedenem
Inhalt, hauptfächlich aus den Gebieten der Ethik und
Literaturgefchichte. Die auf dem Titelblatt als drittes
Gebiet erwähnte Religionsgefchichte (auf dem Titelblatt
des Umfchlags mufs es ftatt ,Naturgefchichte' ,Religions-
gefchichte' heifsen) ift eigentlich nur in der zweiten
Studie, den ,Mittheilungen aus der indifchen Poefie' vertreten
, wo der Verf. aus Anlafs einer Charakteriftik der
indifchen Kunftdichtung befonders des zu den ,kanonifchen
Büchern der Buddhiften' gehörenden .Dhammapadam' (im
Anfchlufs an L. v. Schröder's Ueberfetzung. Leipzig,
Häffel 1892) auf die Flntftehung der indifchen Religion zu
fprechen kommt. Ueber die wiffenfehaftliche Haltbarkeit
diefer Ausführungen hat Ref. kein Urtheil; jedenfalls
find fie, wie auch die übrigen Effays, anregend, aus eingehendem
Studium und vielfeitiger Belefenheit heraus
gefchrieben.

Andere 'literaturgefchichtliche Stoffe behandeln folgende
Effays: 3. ,Ein origineller Fauftcommentar'(Goethe's
Fauft' als Erzählung von I. Kupffer', Naumburg 1892), deffen
beredte, wenn auch nicht uneingefchränkte Empfehlung
die Bedenken gegen einen Fauftcommentar in Erzählungsform
doch nicht zu befeitigen vermag; 4. ,Eine moderne
Novelle und eine unmoderner NovellifV (H. K. v. Heyden-
feldt, Eine Frau. 1892). 5. und 9. enthalten gründliche
Ausführungen über das Werthverhältnifs von Original und
Ueberfetzung, wobei das Recht einer freien, als Kunftwerk
unter Umständen das Original übertreffenden Ueberfetzung
ftark betont wird. 6. und 10. behandeln neuefte baltifche
Literatur.

In den Umfang beider Gebiete fällt der faft ein
Viertel desBuches füllende Auffatz über,Friedrich Nietzfche

1 und Graf Leo Tolftoi bis zum Jahre 1897', der an treffender
Charakteriftik und fcharffinniger Kritik die üppig
wuchernde Durchfchnittsliteratur über die beiden Schrift-
(teller um vieles überragt und manches in ein neues
Lichtftellt. AufeinekurzeDarftellung derLehrenNietzfche's
folgt die Schilderung feines Entwickelungsganges, in
welcher derEinflufs der von der Bewegung des modernen
Culturlebens abgefchloffenen auf den ,Strudel desactuellen
Lebens' nicht vorbereitenden Erziehung in Pforta und
im Elternhaufe und andrerseits der Einflufs des un'fteten

j Wanderlebens, das Nietzfche nach der Aufgabe feiner
akademifchen Lehrthätigkeit im Jahre 1879 führte, befonders
hervortritt. /Nichts als Reifende, Sommerfrifchler,
Kurbedürftige, Ferien-Geniefsende, der Alltagspflichten
Entzogene, nichts als Menfchen in Ausnahmezuständen umgeben
den Touristen und liefern das Material für fein
Studium' (S. 278). ,Wenn dem jugendlichen Denker alles:
Amtspflichten, Gefchäfte und Familienforgen, überhaupt

: alle naturgemäfsen Plagen des Dafeins fehlen, fo wird —

{ fürchten wir — das unausgefetzte Philofophiren und
theoretifche Moralifiren, wie Nietzfche es feit dem
dreifsigften Jahre trieb, ein Commentar fein, zu dem es
keinen Text giebt' (S. 281).

Es folgt eine Darstellung der pfychologifchen und
ethifchen Anflehten Tolftoi's und eine Vergleichung der-
felben mit Nietzfche's Weltanfchauung: beide Schüler
Schopenhauer's, der ,Ethiker der Entfelbftung' und der
,Ethiker des Individualismus', (das was Schopenhauer den
/Willen' nennt, heifst bei Tolftoi ,die Liebe' S. 316), beide
von der wefteuropäifchen Cultur enttäufcht fich abwendend,
aber nach entgegengefetzten Richtungen: der eine vorwärts
, der andere rückwärts; Nietzfche, obwohl für ein
Leben voll Thaten und Gefahren fchwärmend doch fchliefs-
lich nur ein Mann der Worte, Tolftoi eine Perfönlichkeit,
,die es in den modernen Zeiten der doppelten Buchführung
wagt, ihre Lehre mit dem Leben zu befie°-eln'