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Ausgabe:

1900 Nr. 17

Spalte:

492-493

Autor/Hrsg.:

Pognon, H.

Titel/Untertitel:

Inscriptions Mandaites des coupes de Khouabir. II. et III. partie 1900

Rezensent:

Lidzbarski, Mark

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 17.

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agendi motivis et gradibus perfectioxiis' gefprochen.
Diefe Erörterungen, die ihre richtige Stelle hier, hinter
der Lehre vom freien Willen, gefunden haben, hätten
doch auch in engere Beziehung zu Abfchnitt II und III
gefetzt werden muffen; denn der p. 113 ausgekrochene
Gedanke: ,totus homo et tota voluntatis vis et directio ad
Deum tendere debet' findet feine Begründung eben in
der Auffaffung vom höchften Gut bei Origenes. Richtig
wird ausgeführt, dafs Origenes die That nach den ver-
fchiedenen Motiven verfchieden bewerthet, dafs er als
Motive befonders die Furcht und die Liebe nennt und
bei den einzelnen verfchiedene Grade der Vollendung
(xpiXrj jdaxig, yvcöoiq, dxia Ootpia), fowie pita activa et
contemplativa' unterfcheidet. Bei der Befprechung des
chriftlichen Lebens nach verfchiedenen Gefichtspunkten
(p. 125—130) wäre ein Vergleich der Anfchauungen des
Clemens AI. mit denen des Origenes nützlich gewefen;
Winter's Schrift über die Ethik des Clemens bietet
S. 187 ff. reiches Material hierzu. Uebrigens dürfte Winter
's Dispofition, wonach der Gang der fittlichen Ent-
wickelung und die befonderen fittlichen Vorfchriften
hinter dem Capitel über Tugend und Sünde behandelt
werden, den Vorzug vor der Dispofition Capitaine's verdienen
, der umgekehrt verfährt.

Der VII. Abfchnitt ,De vir tute' (p. 131—152) erörtert
zuerft den Begriff der Tugend nach Origenes als
tgtc oder diädeöiq xrjg xpvyxjg und dem Menfchen mit
Gott gemeinfam, dann ihren Urfprung aus der Verbindung
der Seele mit dem Logos. Origenes hat pirtutes
naturales1, und ,supernaturales' (p. 137) unterfchieden.
Der Verf. behandelt dann der Reihe nach: Fides, Spes,
Caritas, dann die vier Cardinaltugenden: Temperantia
(öcocpQoavvn), Fortitudo (dvögeia), Justitia (öixaioovvg),
Prudentia (cpgövrjöiq). Von den pirtutes intelleduales1
(p. 149) hebt der Verf. die Tugend der Sapientia hervor,
die theils ,divina', theils ,humana' ift; von der erfteren
war fchon im vorhergehenden Abfchnitte gefprochen
worden. Dahin gehört auch der Gedanke, dafs die
Vollkommenheit durch Ausübung der Tugenden erreicht
wird (p. 151).

Wenn nun der Verf. den VIII. Abfchnitt ,De pec-
catis, peccatorum fontibus et remediis1 (p. 153—187) mit
den Worten einleitet: ,De malo vel peccato stipra iam,
cum de notio?ie botii et mali tractabamus, generalia Ori-
genis principia exposuimus' ... (p. 153), fo deutet er damit
felbft an, dafs er Zufammengehöriges auseinander
geriffen hat. Sonft wird über Wefen, Vorausfetzung, Urfprung
und Arten der Sünde nach Origenes richtig re-
ferirt. Aber p. 154, Anm. 2 ftimmt das Citat nicht, und
p. 156, Anm. 1 fehlt ujco xaxiaq hinter uiagöv. Bei Erörterung
des Gedankens, dafs uns die Sünde von Gott
trennt (p. 159), dem Teufel ähnlich macht und den Dämonen
unterwirft, hätte der Verf. fchon auf die p. 171 sq.
folgende Dämonenlehre des Origenes eingehen und bei
Aufftellung des Satzes: ,nemo mortalhcm omnino Uber
est a peccatd (p. 162) deffen Begründung im Sinne des
Origenes hinzufügen müffen, vgl. Harnack, Dogmen-
gefch. I1, S. 540 und 542. Die Anficht des Origenes über
Bufse und Vergebung ift, wie der Verf. meint (p. 176),
fchwer zu ergründen; Origenes kennt zwei Mittel zur
Sündenvergebung: Taufe (auch Bluttaufe) und Bufse. Zu
derp. 186 Anm. erwähnten Abendmahlslehre des Origenes
ift Harnack, Dogmengefch. IS. 361 zu vergleichen.

In einem Anhang polemifirt der Verf. gegen Vin-
cenzi und weift I. nach, dafs Origenes die Präexiftenz
der Seelen gelehrt habe (p. 188—200); diefe Ausführungen
wären wohl paffender in den I. oder VIII. Abfchnitt eingefügt
worden. Der II. Theil des Anhanges handelt
,De poenis et igne aeterno1 (p. 200—206) und legt dar,
dafs Origenes im Gegenfatze zur katholifchen Lehre nur
poenas medicinales', nicht aber ,poenas vindicativas' angenommen
habe; der Irrthum fei ,ex falsa definitionc li-
beri arbitriv (p. 200) zu erklären. Den einfachen Leuten

gegenüber habe aber Origenes die katholifche Lehre
von den Höllenftrafen vertreten (p. 201). Der Verf. irrt
hier, wenn er die p. 203 Anm. 2, 3 angeführten Worte
dem Origenes zufchreibt, fie gehören dem Celfus an (vgl.
des Ref. Ausgabe II, 264, 12h, 267, 2f.).

Die Benutzung des Buches wird dadurch, dafs der
Verf. ftatt einer modernen Sprache die lateinifche gewählt
hat, nicht erleichtert. Der Ausdruck weift öfters
Härten und Fehler auf, z. B. ,ibi coneurrebant p. 2, ,ne . .
subrepat nach ,eratl p. 2, ,ad diiudicandum Origenis in-
dolem et valorem' p. 4, ,errores maiori numero1 p. 4,
,directe tarnen ad actus morales nihil influunf p. 73, ,facile
est intelligenduvi p. 94, u. f. w. Die Correctur, befonders
die der griechifchen Citate, hätte forgfältiger fein müffen,
vergl. z. B. p. 9, 23, 48, 90, 119, 150, 185, 192 [Philokalia
ed. Rob. p. 175, 8]; xdgißua und ßctJixiöiia werden durchweg
falfch accentuirt; p. 16, Z. 4 v. o. 1. honestus, p. 19,
Z. 20 v. u. 1. infra, p. 34, Z. 9 v. o. 1. facultate, Z. 10 v.

0. 1. extollitur, p. 42, Z. 3 v. o. 1. Origenes, Z. 14 v. o. 1.
djtoxaxaoxdßei, p. 86, Z. 5 v. o. 1. Multo, p. 190, Z. 4 v. o.

1. ovGicoömq, p. 191, Z. 6 v. o. 1. corpore. Unbequem ift
auch die Citirmethode Capitaine's. Wer nicht die von
ihm benutzte Ausgabe von Migne zur Hand hat, wird
z. B. p. 175, Anm. 9 (wo Horn. III8 in Ps., Lomm. XII
192 gemeint ift) und p. 185, Anm. Z. 17 v. u. lange vergeblich
fuchen müffen.

Anzuerkennen ift, dafs der Verf. die Schriften des
Origenes fieifsig ftudirt, zahlreiche Literatur benutzt und
feinen Gegenftand im ganzen fachlich und mit Ueber-
legung behandelt hat. Sein Buch kann deshalb in feiner
Art als nützlich bezeichnet werden. Die Proteftanten
werden dem Verf. den Satz: ,Dolcndum est, quibuspraeiu-
dieiis impleti protestantes tractent nostros patres [fo!]
et scriptores1 (p. 178, Anm. 2) wohl nicht übelnehmen,
fondern es im Gegentheil nur mit Freude begrüfsen,
wenn fich recht viele tüchtige katholifche Gelehrte zur Mitarbeit
auf dem neutralen Boden der Wiffenfchaft, befonders
auf dem Gebiete der altchriftlichen Literatur,
bereit finden.

Jena. Paul Koetfchau.

Pognon, Conful H., Inscriptions Mandai'tes des coupes de

Khouabir. Texte, traduetion et commentaire philolo-
gique. Avec quatre appendices et un glossaire. II. et
III. partie. Paris, H. Welter, 1899. (S. 105—328 gr. 8.)

Kplt. Fr. 75.—

Im zweiten Hefte veröffentlicht der Verf. die ver-
fprochenen Texte über abend- und morgenländifche Secten
aus dem Scholienbuche des Bar-Khoni (vgl. Theol. Lit. Ztg.
1899, Sp. 171 ff.). Von ihnen gehört zwar nur das Stück
p. I54ff., das von den Doftäern (Mandäern) handelt, in
diefes Buch; das vermindert jedoch nicht den Werth der
Publication. Das Meifte ift freilich nicht neu. Es ift nur
eine Ueberfetzung der 'AoaxsrpaXaicoöig zu Epiphanius'
Panarion, weshalb diefe Stücke auch fehr kurz find.
Doch giebt er über einige morgenländifche Secten ausführliche
, zum Theil auch neue Nachrichten, fo über die
Manichäer (p. 125), Audianer (132), Maffalianer (139),
Quqäer (144), Cyrillianer (147), Kantäer (151) und Man-
däer (154). Pognon weift nun nach (p. 233 ff.), dafs nicht
nur Sätze, die Bar-Khöni aus den heiligen Büchern der
Mandäer anführt, fondern auch Citate aus den Schriften
der Kantäer fich faft wörlich im Ginza wiederfinden. Daraus
möchte er fchliefsen, dafs die heiligen Schriften der
Mandäer felber in fich Elemente aus den Büchern anderer
Secten aufgenommen haben. Die Nachricht über den
Gründer des Mandaismus hat übrigens auch jetzt nicht
an Zuverläfsigkeit gewonnen. ' Zu dem, was bereits
Jahrg. 1899, Sp. 172 darüber gefagt ift, fei hier noch hinzugefügt
, dafs in der von P. in Memoires de la Societe
de le linguistique de Paris, Bd. VIII herausgegebenen