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Ausgabe:

1900 Nr. 16

Spalte:

470-472

Autor/Hrsg.:

Clasen, L.

Titel/Untertitel:

Die christliche Heilsgewißheit 1900

Rezensent:

Reischle, Max

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 16.

470

ftellen ift Tfcli. nicht confequent verfahren. In der Ausgabe
des,Unterrichts für Herzog Erich' find fie nur fehr feiten angegeben
, in der des ,Mütterlichen Unterrichts' fehr häufig,
aber auch nicht immer, (z. B. S. 49 Bl. 56 v. S. 51 Bl. 90
v. u. ö. fehlen fie.) Die Herzogin hat offenbar nach dem
Gedächtnifs citirt, das beweifen die vielen Lücken, welche
fie für fpäteren Nachtrag der betr. Capitel gelaffen hat,
und die nicht feltenen Ir'rthümer, die ihr bei den Citaten
begegnet find. Auch diefe hat Tfch. nur theilweife angemerkt
. (S. 24 Bl. 18 v. z. B. ift Act. 15, 10 ftatt Act. 3

Clasen,PaftorL.,Die christliche Heilsgewissheit. Eine fyfte-
matifche Darftellung des Mittelpunktes evangelifchen
Heilsverftändnifses. Halle, PL Strien, 1897. (VIII, 240S.
gr. 8.) M. 4.50

Der Verf, hat den ausgefprochenen Zweck, die ,moderne
Theologie' denen, die ihr verftändnifslos und mifs-
trauifch gegenüberftehen, nahezubringen und ihnen zu
zeigen, dafs ,zwifchen der orthodoxen Abficht und der
modernen theologifchen Erkenntnis' eine Einigung möggemeint
, ebda Bl. 23 Luc. 17, 5 ftatt Mt.; S. 25 Bl. 25 1 j lieh ift. Eben darum nimmt er feine Stellung in ,der

Tim. 4 ftatt 1 Tim. 1. Bl. 27 Mc. 16, 16 ftatt .Matthei am
letzten' Bl. 32 Mt. 18, 18 ftatt 16; S. 27 Bl. 50 i Cor. 6, 9.
10 ftatt 1 Cor. 5; S. 28 Bl. 56 Jef. 2, 8 ftatt 21. S. 29 Bl. 63
v. 2 Mof. 23, 24 ftatt 24. Bl. 67 v. 2 Cor. 6, 16—18 ftatt
1 Cor. 6. S. 41 Bl. 173 v. Pf. 101. 3 ftatt III; S. 45 BI- H
v. Mt. 19, 6 ftatt 15; S. 46 Bl. 20 v. 1 Mof. 1, 28 ftatt 1
Mof. 2; S. 51 Bl. 87 Hebr. 13, 4 ftatt 9). Die ,ausgangen
catechismi', aufweiche die Herzogin ihren Sohn verweift

religiöfen Grundthatfache und Grunderfahrung' der Heils-
gewifsheit; denn von diefem Mittelpunkt aus mufs klar
werden, ,was Glaube nach evangelifchen Grundfätzen bedeutet
', und mufs fich deshalb auch die richtige Glau-
bensftellung zur Schrift und kirchlichen Lehre gewinnen
laffen. — In einer Einleitung (A) zeigt der Verf. zuerft,
dafs Heilsgewifsheit in dem Sinn, wie fie Paulus Rom. 3 3» r.
ausfpricht, ,das eigentliche innere Wesen, der Nerv des

(S. 24), find wohl die von Urbanus Rhcgius 1535 bez. 1541 Chriftenglaubens ift,' dafs alle Predigt, Erziehung und

verfafsten. —

Der Lebensabrifs, welcher den beiden Schriften vor-
ausgefchickt ift, ift auf diefe zugefchnitten d. h. die
Herzogin wird vornehmlich als Gattin, Mutter und Schrift-
ftellerin gewürdigt, über die Regentin erhalten wir keine
Einzelheiten, nur die nothwendigen Daten. Unmittelbar
zum Lebensbilde Elifabeths gehört die Darftellung der
Göttingen-Kalenberg'fchen Politik zu ihrer Zeit freilich

Seelforge darauf ausgehen mufs, felbftändige Heilsgewifsheit
in den Herzen zu pflanzen, dafs darum auch alle
evangelifche Theologie das Ziel hat, den Weg zur Gewinnung
der Heilsgewifsheit gangbar zu machen. Während
in der römifchen Lehre die Heilsgewifsheit der Kirche
als orgyanifirter Anftalt übertragen ift und dem Einzelnen
nur ftückweife zugetheilt wird, ftimmen in der evangelifchen
Kirche alle die auseinandergehenden Richtungen

nicht, und darum ift fie wohl fortgelaffen worden,*) aber J darin überein , dafs für den Einzelnen Heilsgewifsheit

zur Abrundung hätte ein Eingehen auf diefelbe doch dem | möglich und nothwendig ift; nur werden die Wege, die

Lebensbilde einen wirkungsvollen Hintergrund gegeben; zu ihrerGewinnung führen follen, fehr verfchieden beftimmt,

das Ländchen hat in den das Reich bewegenden Fragen I anders in der Orthodoxie, anders im Pietismus und Me-

auch feine Rolle gefpielt. Das ift aus der jetzt ver- | thodismus, wieder anders im Rationalismus. Aber gerade

öffentlicliten politifchen Correspondenz Moritz's v. Sachfen die Unficherheit diefer Anleitung ift, wenigftens zum Theil,

(Thl. I. hrsg. von Brandenburg) aufs Neue deutlich I Schuld daran, dafs es in der Gegenwart auch vielen

geworden, (cf. früher Havemann: Gefchichte der Lande 1 evangelifchen Chriften an Heilsgewifsheit fehlt. Eben

Braunfchweig und Lüneburg II. S. 30off.) Philipp v. Heffen j darum hat die moderne Theologie keine wichtigere Aufhat
den von Heinrich v. Braunfchweig geltend gemachten
Anfpruch auf die vormundfehaftliche Regierung in
Göttingen-Kalenberg und feinen auf kaiferlichen Befehl
geftützten Proteft gegen die Einführung der Reformation
dortfelbft als Agitationsmittel bei dem neutral bleiben
wollenden Moritz v. Sachfen benutzt (Brandenburg S.289).
Gleichzeitig war Ernft von Lüneburg zum Kampfe gegen
Heinrich von Braunfchweig nur dann zu bewegen, wenn
man ihm die den Erben Erichs I. gehörige Herrfchaft
Homburg zufage; dafür aber war Philipp von Heffen als
Vormund Erichs II. fchwer zu gewinnen (ebda S. 311).
Die Aufhebung der Verlobung Erichs II. mit Philipps
Tochter Agnes, an deren Stelle ihre Schwefter Anna tritt
(Havemann a. a. O. S. 305 Anm. 2), war das Werk der
Elifabeth von Rochlitz und entflammte dem Motiv, durch
Vermählung Moritzens mit Agnes die Heirat des blöden

gäbe als die, die Heilsgewifsheit ihrem Wesen nach zu
befchreiben, den Weg zu ihr zu zeigen, die Fkfigerungen
zu fchildern, die fich aus ihr ergeben. — In Ausführung
diefer dreifachen Aufgabe beftimmt der Verf. zuerft (B)
,das Wefen der Heilsgewifsheit': fie ift nicht eine äufser-
lich-finnenfällig begründete Sicherheit, fondern Glaubens-
gewifsheit, und fie ift Gottes Werk durch Chriftum; fie
ift Gemeinfchaft mit dem Gott, der in Jefu. Chrifto uns
feine Liebe entgegenbringt und mit den Sündern den
Verkehr eröffnet, fie ift Erleben der Sündenvergebung
oder Rechtfertigung, fie ift glaubende Gewifsheit der
Wiedergeburt; fie ift felbft ein neues Leben der Liebe
zu Gott und den Menfchen, insgefammt ein neues Ver-
hältnifs zu Gott, verbunden mit einer neuen Selbst-
beurlheilung und Stellung zur Welt. Um aber weiter (C)
den richtigen Weg zu ihr klar zu machen, müffen

Sohnes Herzog Georgs von Sachfen zu hintertreiben, einerfeits auf die objectiven Factoren achten, durch die
insbefonderc die Agitation der Landgräfin Chriftine für | fie gewirkt wird, nämlich auf die gefchichtliche Perfon
eine folche lahm zu legen. (Brandenburg S. 16, 42, 46, Jefu Chrifti, wie fie in ihrer Machtwirkung auf uns
95.) Ueber die Rolle, welche Elifabeth von Münden in (ich als unmittelbar gegenwärtig und als unleugbare ob-
dem Kampfe Albrechts von Brandenburg-Kulmbach gegen jective Thatfaclm erweift, wie fie in königfichem Hohe-
Heinrich von Braunfchweig gefpielt hat (Tfchackert S. 12)
möchte man gerne Näheres erfahren; vielleicht bringt der
zweite Theil der Correspondenz. Moritzens hier Aufklärung
. —

Die Ausftattung des mit Porträts der Herzogin und

pnefterthum und Prophetenthum das Reich Gottes bringt
und zwifchen Gott und uns vermittelt. Daneben ift an-
dererfeits die fubjective Bedingung, der Glaube, in's Auge
ZU faffen. Hier liegt die Hauptdifferenz zwifchen der
älteren und neueren Theologie. Im Unterfchied vom

ihres zweiten Gemahls und Handfchriftenproben ge- orthodoxenlntellectualismusmachtes die neuere Theologie

fchmückten Buches ift glänzend.

*) Wie ich inzwifchen aus dem Theol. Litteraturbl. Nr. 19 erfehen
habe, — im liuehe fclbst i(t es nicht angegeben — ift vorliegender
Lebensabrifs Separatabdruck aus dem Hohenzollernjahrbuch 1899. Dort
aber ftand für die Biographie nur knapper Raum zur Verfügung.

Tübingen. W. Köhler.

deutlich, wie der Glaube von Gott felbft in uns geweckt
wird durch den perfönlich-lebendigen Chriftus, der, vom
heiligen Geifte verklärt, im Wort an uns herantritt, wie der
Glaube feinem innerften Wefen nach Vertrauen und zwar
zu einer Perfon ift, wie er felbft die Heilsgewifsheit in fich
fchliefst, wie er zugleich Abhängigkeit von Gott und Erfüllungwahrer
Freiheit ift, wie er die Sittlichkeit mit Noth-
wendigkeit aus fich heraus gehaltet und,ohne Dazukommen
einer uniomystica, in fich vollgenugfam ift. So erheben fich