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Ausgabe:

1900 Nr. 14

Spalte:

415-418

Autor/Hrsg.:

Haack, Ernst

Titel/Untertitel:

Die Autorität der heiligen Schrift, ihr Wesen und ihre Begründung 1900

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 14.

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Dafürhalten, der beste Verfuch eines Lebens Jefu. —
Im dritten Buch hält er fich befonders an Weizsäcker
(Das apoftolifche Zeitalter) und an Harnack's Dogmen-
gefchichte; aber auch Pfleiderer fowie andere Vertreter
der modernen kritifchen Theologie find von ihm zu
Rathe gezogen worden. — Es wäre ebenfo unbillig als
pedantifch, wenn man auf ein folches Buch den Mafs-
ftab der Beurtheilung, der unter den Zunfttheologen am
Platze ift, anwenden wollte. Des Verf.'s vielfeitige Inter-
effen laffen ihn zuweilen in einen gewiffen Eclekticismus
gerathen, welcher mannigfaltige Bildungsmomente in fich
aufnimmt, die vom Standpunkte einer fchulmäfsigen
Syftematik nicht auf diefelbe Linie gehören und die
man nicht unter eine gemeinfame oder einheitliche Formel
bringen könnte. Die Kritik, welche hier Widerfprüche
aufweifen wollte, hat der Verf. von vornherein durch
fein freimüthiges und befcheidenesBekenntnifs entwaffnet.
My daily work and my means of living are in no way
connected with the acceptancc of this or that System of
belief. A layman's only excusc for writing about religion
is that he finds the subject of absorbing interest, and that
he is able to survey the history of religion with facidties
trained in other fields of Observation. In der That fpielt
die vergleichende Religionsgefchichte in G.'s Ausführungen
eine grofse Rolle und er liebt es, Streiflichter auf die
griechifche Religion, fowie auf den Buddhismus und
felbft auf den Islam fallen zu laffen. Dafs hier manch
gewagte Analogie, manch fragliche Verwandtfchaftsver-
hältnifse angedeutet oder vermuthet find, kann nicht
befremden; G. theilt das Schickfal der meiften Reli-
gionshiftoriker, welche fich von den ein kleines Gebiet
bebauenden Specialforfchern darum häufig den Vorwurf
der Voreiligkeit, oder felbft der Oberflächlichkeit
gefallen laffen müffen. Würde der Verf. an feine Lefer
und Kritiker nicht die berechtigte Forderung ftellen,
man möchte fein Buch nach dem, was es enthält, nicht
nach dem, was ihm fehlt, beurtheilen, fo könnte man
verfucht fein zu bedauern, dafs er fich auf die erften
Jahrhunderte der chriftlichen Lehrentwickelung be-
fchränkt, das Zeitalter der Reformation und die Neuzeit
aber bei Seite gelaffen hat. In den Grenzen, die er fich
gezogen, hat G. mit grofser Energie und Klarheit den
Verfuch gemacht, zu zeigen, that religious beliefs, like
all the active principles of our lives, can only be jnstified
whcn they are based on the reality and expericnce, and
can only lead to success and liappiness when they are
suited to their environment, psychological, intellectual, and
Spiritual (S. 519). Durch diefes von dem Verf. confe-
quent durchgeführte Programm, gliedert fich fein Verfuch
in die Reihe der religionsphilofophifchen Leiftungen,
die unter uns etwa durch den Namen von Lipfius, bei
unferen Nachbarn durch Sabatier's Namen bezeichnet
werden können. Wir wünfchen dem Buch Lefer, die
demfelben das gleiche Intereffe entgegenbringen wie dasjenige
war, das die Schrift gefchaffen hat und von welchem
jede Seite ein beredtes Zeugnifs ablegt.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Haack, Oberkirchenrath D. Ernft, Die Autorität der heiligen
Schrift, ihr Wesen und ihre Begründung. Drei Vorlefungen,
gehalten auf der dritten theologifchen Lehrkonferenz
in Mölln i. L. am II., 12. und 13. September 1899.
Schwerin, F. Rahn, 1899. (83 S. gr. 8.) M. 1. 50

DieThefen, in denen der Inhalt diefer Vorlefungen zu-
fammengefafst ift, bringen die Grundgedanken des Vortragenden
zu klarem und vollftändigem Ausdruck. Zunächft
hebt der Verf. die Wichtigkeit der behandelten Frage hervor.
,Die verfchiedene Faffung und Mafsbeftimmung der
Schriftautorität bildet einen Hauptunterfcheidungsgrund
der kirchlichen Denominationen und der theologifchen
Richtungen. Entweder Schriftautorität im lutherifch-

kirchlichen Sinne oder kirchlicher bezw. fubjectiviftifcher
Enthufiasmus' (1—8). Die ,richtige Frageftellung' wird
dahin formulirt, dafs ,bei der Begründung der Schriftautorität
nicht nur ihr fubjectiver Erkenntnifsgrund,
fondern vor allem auch ihr objectiver Realgrund ins
Auge zu faffen ift' (8—10). Demgemäfs handelt der
erfte Abfchnitt ,von dem objectiven Realgrund der
Schriftautorität' (11—43). Letzterer ift in dem Urtheil
ausgedrückt: Die Schrift ift das Wort Gottes. Die Berechtigung
diefes Urtheils beruht fowohl auf dem göttlichen
Inhalt, als auch auf dem göttlichen Urfprung
der heiligen Schrift oder auf ihrem Offenbarungscharakter
und auf ihrer Infpiration. Bibel und
Offenbarung find von einander zu unterfcheiden, nicht
zu fcheiden. Die Offenbarung ift der gefchichtliche Pro-
cefs der in Thaten und Worten unter begleitender Erleuchtung
ergehenden Selbftbekundung Gottes zum Zwecke
der Heilsverwirklichung für die fündige Menfchheit. Die
heilige Schrift ift in diefen Procefs eingeordnet als ein
integrirender Beftandtheil und nothwendiger Abfchlufs des-
felben. Sie kann mit Recht die Urkunde der Offenbarung
genannt werden; denn diefer Ausdruck bedeutet
fowohl ihre Zugehörigkeit zu der Offenbarung, als auch
ihre Nothwendigkeit für die bleibende Fortentwickelung
derfelben auf Erden. Als Product und Abfchlufs der
Offenbarung ift die heilige Schrift nicht wie fonftige lite-
rarifche Erzeugnifse, fondern vermittelft einer befonderen
Wirkung des heiligen Geiftes auf ihre Verfaffer und bei
ihrer Abfaffung entftanden, welche nach 2. Tim. 3, 16
Theopneuftie oder Infpiration genannt wird. Die Bedeutung
der Infpiration liegt darin, dafs fie der Kirche
die authentifche Ueberlieferung der gefchichtlichen Offenbarung
gewährleiftet und den einzelnen Chriften das Recht-
fertigungsurtheil als von Gott über ihn gefprochen und
damit die Gewifsheit feines Gnadenbundes verbürgt. Die
Einwände der neueren Theologie gegen die Thatfache
der Infpiration find nichtig, gegen die Beftimmungen
der fpäteren lutherifchen Dogmatik richtig. Nicht ift
erltere, wohl aber find letztere aufzugeben, denn fie erklären
nicht die wirkliche Befchaffenheit der heiligen
Schrift, fondern machen fie unverständlich. Die Infpiration
ift vielmehr einerfeits als habituelle aufserordent-
liche (charismatifche) Erleuchtung der heiligen Schriftsteller
in ihrer Eigenfchaft als Offenbarungszeugen (Per-
fonalinfpiration), andererfeits als concursus specialissimus
des heiligen Geiftes bei der Abfaffung der heiligen
Schriften (Sach- und Wortinfpiration) zu bestimmen,
letzteres ift der fonftigen Concurrenz der Caufalität
Gottes zu den creatürlichen causis secundis analog und
nach der Art der einzelnen Theile der Schrift ver-
fchieden zu denken. — Die fich aus diefen Voraus-
fetzungen ergebende Autorität der heiligen Schrift
(S. 44—62), ift ihrem Gebiete nach: eine religiöfe;
ihrem Charakter nach: eine inhaltlich abgestufte,
nicht abftract-formale, unterfchiedslos-idealifche; ihrer
Art und ihrem Mafs nach: eine fupranaturale,
irrthumslofe und deshalb unbedingte, eigenen und
nicht abgeleiteten Rechtes, und wird ihren Beziehungen
nach ausgedrückt durch das Urtheil: dafs die heilige
Schrift Quelle und Norm und zwar einzig durch
fich felbft oder göttlich-gewiffe Quelle und Norm
für den Glauben der Chriften und die öffentliche
Lehre ift (autoritas causativa et normativa). — Der
dritte Abfchnitt gilt dem fubjectiven Erkenntnifs-
grund der Schriftautorität (64—80). Die Lehre der
altlutherifchen Dogmatik von den äufseren und inneren
Kriterien für die Göttlichkeit der heiligen Schrift ift
nicht fo zu verstehen, als wollte fie die Anerkennung
ihrer Autorität auf die fides humana menfchlicher Bcweife
gründen. Sie betont vielmehr ihre Selbftbeglaubigung
vermittelft des in ihr, durch fie und für fie ergehenden
testimonium Spiritus sancti als der praecipua et ultima,
ja unica ratio für den Glauben an ihre göttliche Autorität