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Ausgabe:

1900 Nr. 13

Spalte:

387-392

Autor/Hrsg.:

Schlatter, Adolf

Titel/Untertitel:

Das neu gefundene hebräische Stück des Sirach. Der Glossator des griechischen Sirach 1900

Rezensent:

Smend, Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 13.

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lehrfamkeit aufgetreten: Der Blutaberglaube bei Chriften
und Juden, 1891 (60 S.). Der Blutaberglaube in der
Menfchheit, Blutmorde und Blutritus, 1892(1558.) Vgl.
die Anzeigen in der Theol.-Literaturzeitung 1892, 258.
!893, 133. In der vorliegenden dritten Bearbeitung, die
fich als 5.-7. Aufl. bezeichnet, ift das Material abermals
bedeutend erweitert, einzelne Abfchnitte faft ganz neu
gefchrieben. Mit rafllofem Fleifse hat der Verf. eine
Fülle des entlegenften und mannigfaltigften Materiales
gefammelt und auf Grund desfelben den für jeden Ver-
ftändigen fchlechthin überzeugenden Beweis geliefert,
dafs jene Befchuldigung völlig unbegründet ift. Er greift
aber noch weiter und giebt im erflen Abfchnitte eine
Gefchichte des ,Blutaberglaubens' im weiteften Umfange.
So bietet feine Arbeit einen werthvollen Beitrag zur
Gefchichte des Aberglaubens überhaupt. — Da Be-
fchränktheit und Leidenfchaft immer mächtiger find als
alle Gründe, fo wird freilich jener wüfte Aberglaube
auch fernerhin feine Orgien feiern, wie noch kürzlich
die Vorgänge in Könitz gelehrt haben. Für die Urtheils-
fähigen ifl: aber die Sache entfchieden.

Bei der Unterfuchung ,Ueber den Urfprung der
Blutbefchuldigung' (S. 194—202) erwähnt Strack zwar
die analoge im Alterthum von heidnifcher Seite gegen
die Chriften erhobene Befchuldigung (S. 1986".). Dagegen
wird, foviel ich fehe, nicht erwähnt die aus Jofe-
phus bekannte Befchuldigung, dafs die Juden alljährlich
einen Griechen im Tempel mäften, ihn tödten, feinen
Leib als Opfer darbringen, von feinen Eingeweiden
geniefsen und dabei einen Eid fchwören, allen Griechen
f eindlich zu fein {contra Apion. II, 8, 95; da die Stelle
griechifch nicht erhalten ift, gebe ich fie nach dem lat.
Texte Boyfen's {Corpus Script, eccl. lat. vol. XXXVII,
pars VI, Vindob. i8g8. comprehendere quidem Graecum
peregrinum eumque annali tempore saginare et deduetum
ad quandam silvam occidere quidem eum hominem et
ejus corpus sacrificare secundum suas sollemnitates et
gustare ex ejus visceribus et jusjurandum facere in
iunnolatione Graecz, ut inimicitias contra Graecos haberent).
Aehnlich hat ein gewiffer Damokritus behauptet, dafs
die Juden alle fieben Jahre einen Fremden fangen, als
Opfer darbringen, fein Fleifch in kleine Stücke reifsen
und fo tödten (Saidas Lex. s. v. Aajiöxgixoq = Müller,
Fragm. bist, gracc. IV, 377: 6x1. . . xaxa tjtxaexlav gevov
dyqcvovxeq jigoöBwegov xal xaxa lexxd xaq Oagxaq die-
Baivov xal ovxmq dvygovv). Es fcheint mir nicht unwahr-
fcheinlich, dafs ein hiftorifcher Zufammenhang zwifchen
diefen antiken und der mittelalterlich-modernen Befchuldigung
befteht, wenn wir auch die Mittelglieder nicht
nachweifen können. Im Volksmunde erbt fich viel
Aberglaube fort, der in der Literatur nur fporadifch
zu Tage tritt.

Göttingen. E. Schürer.

Schlatter, Prof. D. A., Das neu gefundene hebräische
Stück des Sirach. Der Glossator des griechischen Sirach

und feine Stellung in der Gefchichte der jüdifchen
Theologie. (Beiträge zur Förderung chriftlicher Theologie
. Herausgegeben von A. Schlatter und H. Cremer.
I. Jahrg. 1897, 5. und 6. Heft.) Gütersloh, C.Bertelsmann
, 1897. (VII, 191 S. gr. 8.) M. 3.60

Bald nach der Veröffentlichung der Oxforder Fragmente
fühlte Schlatter fich im Stande, fie zu commen-
tiren, und zugleich meinte er, auch die Gefchichte des
griechifchen Sirachtextes in ebenfo überrafchender, wie
umfaffender Weife aufhellen zu können. Diefer be-
neidenswerthen Beweglichkeit des Verf. entfpricht die
Güte feiner Leiftung freilich nicht. Er wirft Fragen auf,
die z. Th. in der That eine Beantwortung verdienen, aber
feine Beobachtungen find vielfach ungenau und falfch und
feine Schlüfse meiftens überftürzt, zuweilen halsbrechend. I

Aus feinem Commentar (S. I —102) habe ich gelernt
, dafs 47,8 vuvnOB xal zu ftreichen und der in 248 70
hinter V. 9 erhaltene Stichus {xal xal)- ijuigav atveöovöiv
(1. ijvböbv oder vfivwösv) ev xalq cpöalq avxcov (1. avxov))
an den Schlufs von V. 8 zu fetzen ift. Die hebräifche
Handfchrift erlaubt die Ergänzung 31 [00 Obon D3i] 3333;
vgl. dazu V. 8a. Anfprechend ift der Vorfchlag, 4723
1323 32 Oyn-P zu ftreichen. Richtig fieht Schlatter, dafs
4612 das «E? Ob?b des Syrers mit 3E? 330X des Hebräers
V. 13 zufammengehört. Aber das gilt von der
ganzen Phrafe 33000200 XE» ob?b und dem verderbten
ösöo&.odpBvmv avxcov des Griechen. Im Hebräer ftand
V. 13 ursprünglich IE? 1323 (vgl. 1. Sam. 96) und 3038
fc. ift aus 451 eingedrungen. Falfch interpretirt

Schi, (und nach ihm andere) die hiftorifch wichtige Stelle
4525. Mit Recht ändert er das erfte vlov nach dem
parallelen Gliede in vlm und lieft dann xlrjgovoula Aagmv
avxcö xal xm öjtegpaxi avxov. Das ift die Lesart des
Syrers und war die des Griechen, bei dem avxcö und
Aagcöv in den Handfchriften wechfeln. Dennoch hält
Schlatter an der Lesart des Hebräers 3?1T b3b feft und
bemerkt dazu: alle Aaronsföhne find Priefter, nicht aber
alle Davidsföhne Könige. Es handelt fich aber nicht um
das Priefterthum, fondern um das Hohepriefterthum (V. 24),
das nach Art des Königthums allein den Nachkommen
des Pinehas gehören und unter ihnen wie das Königthum
im Haufe Davids fich vererben foll. Es entfprechen
einander Aagcöv {— Hoherpriefter) und ßaOiXimq und
avxcö und avxov gehen auf Pinehas. Schon die Erzählung
von Lev. 25 will die hohepriefterliche Succeffion
gegen irgend welche Anfechtungen ficher ftellen und in
Sirachs Zeit wurde fie ja auch in Frage geftellt und
fchliefslich durchbrochen. Im Hebräer ift deshalb ficher
321*33 ib herzuftellen. Ferner meint Schlatter wie ich, dafs
Y5E hinter 0b03 ausgefallen und 313b für 3~323 zu lefen
ift. Die Uebereinftimmung von Gr. und Syr., die übrigens
von einander abweichen, bürgt dafür. Dann ift aber auch
ESb OX in TESE Oixb zu ändern. Das b ift durch das
parallele Glied erfordert und Ezechiel fagt 4610, wo eben
vom Erben der Königskinder die Rede ift, TESE ©iX.
Das vlcö vlov kann fehr wohl Ueberfetzung davon fein.

Uebrigens ift Schi, im Hebräifchen zu unficher, um
das Verftändnifs desTextes erheblich fördern zu können. Er
überfetzt 42« ip© 03EEE heimliches Wachen, 4211 013
012E kein Gemach an Gemach, 4214 23EE ©1« 231 310
OOS die Härte des Mannes ift beffer als die Güte der
Frau, 4317 Ö100 er macht fcharf, 441 1DO i©3X Männer,
denen Gott Gnade erwies, 44» "DT 3b "pX 10X an die
keine Erinnerung befteht, 4521 11 i©X was in das Feuer
des Herrn kommt, 464, 49c 3113 feinetwegen, 4613
0X3232 11 TT3 der Nazir des Herrn in Folge von Weis-
fagung.—Wunderliche Kritik übt er zuweilen am Griechen.
3930 emendirt er D-Tjglmv oöbvxtq in Ir/joia oöovxoq, 40 0
BXJtecpBvycoq in txqjvymv, 463 xlq xqo avxov ovxmq Böxtj
in xlq 'iöxiv, oq xgd avxov töxrj, als ob stgo bedeuten
könnte vor Jemand (Stand halten). 460 gilt ihm dst
ixelvov (von da ab) für ficher verderbt (vgl. 3 Ezr. 620),
dxöouoqycyovmq überfetzt er gar: die Welt, die geworden
ift (S. 141), yavgiäoovöiv fie werden wohlgemuth fein
(S. 123), döiäxgcjcxoq aufdringlich (S. 155). — Gründlich
mifsverfteht er öfter den Syrer. 11 12 überfetzt er 1*00
0158 feines Leibes geht er verluftig (S. 131). Einen Zu-
fatz des Syrers hinter 26u überfetzt er: der Zank des
Weibes ift auch in ihrer Sanftmuth drin und wie ein
Funke läfst er fich fehen. Er fetzt das = Gr. 4222. Es
heifst aber: der Zank des Weibes ift in Demuth (d. h.
er bleibt innerhalb der D.) und wie ein kleines Fieber
erfcheint er (S. 154). Uebrigens heifst 252« pltp 3fl03
Ob 30: fchneide Dir ein Stück Fleifch vom Leibe (näml.
die Abfindung der zu verftofsenden Frau) und gieb es
ihr. Im Griechen ift vielleicht avxrjv zu ftreichen und dafür
nach cod. 248 ölöov xal dstöXvöov zu fetzen (S. 151).

Willkürlich werden öfter die Verfionen gegen ein-