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Ausgabe:

1900

Spalte:

18-21

Titel/Untertitel:

Joannes Philoponus de aerternitate mundi contra Proclum 1900

Rezensent:

Wendland, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 1. iS

ergänzen Dem Referenten fleht über diefen Theil der
Arbeit kein Urtheil zu. Doch hat er den Eindruck bekommen
, dafs Kauffmann grofse Sorgfalt auf die Ausgabe
verwendet hat. K. druckt zunächft den Text der
in Betracht kommenden Blätter der Handfchnft genau
nach dem Original, alfo auch die Uncialfchnft und die
Halbuncialfchrift als Randfchrift. Daran fchhefst.er feine
Reconflruction der Dissertatio Maxmam. Es folgt ein
ausfuhrlicher Commentar in Geflalt von Anmerkungen
und Indices zur Orthographie, zu den Bibelftellen den
Nomina und den Verba. Die den Texten vorangefchickten
Prolegomena behandeln die Handfchrift (ausführlich auch
die Bibelcitate, worauf die Italaforfcher verwürfen fein
mögen), den Tag von Aquileja, die Rechtfertigungsfchrift
(der dort Verurtheilten), die Parteien, Palladius und be-
cundianus, Maximinus und Auxentius, endlich Wulha.
Dem Text ift eine Schrifttafel in Heliogravüre vorangeflellt.

Bei Durchficht diefer Prolegomena fällt als hochfl erfreulich
vor Allem Kauffmann's Vertrautheit mit der
einfchlagenden neueren dogmengefchichtlichen Literatur
auf. Bei einem Philologen ift das ja leider immer noch
nicht felbflverftändlich. Infolge diefer Vertrautheit ift
es dem Verf. gelungen, ein im Wefentlichen — kleine
Differenzen hier zu befprechen, würde bei der Ver-
wickeltheit der Materie zu viel Raum beanfpruchen —
zutreffendes Bild von den Parteiverhältnifsen im 4. Jahrhundert
, fo weit fie für fein Thema in Betracht kamen,
zu geben. Richtig fagt er, dafs für die Gefchichte des
gotifchen ,Arianismus' die Formel von Rimini (359) den
Grund- un d Eckftein bilden muffe (XLV). ,In gerader
linie mag eine ziemlich fefte tradition von Lukian über
Eufebius von Nikodemien, auf Acacius von Cäfarea,
Auxentius von Mailand, Demophilus von Beroeaa fich fortgepflanzt
haben (,) und wir verftehen, dafs ein zu diefen män-
nern haltender bifchof wie Wulfila wert darauf legte, feinem
glaubensbekenntnis') die beftimmte erklärung vorausgehen
zu laffen: Semper sie credidi' (XLVIII). In der Chronologie
des Lebens des Wulfila tritt K a u ff m a n n mit grofser
Entfchiedenheit auf die Seite derer, die für 383 als Todesjahr
eingetreten find. Nachdem Wulfilas mit den anderen
Bifchöfen im Mai oder im Juni 383 zu CP. angekommen
war, ward er fofort von fchwerer Krankheit weggerafft.
Trotzdem läfst K. ihn 311 geboren fein, alfo 72, nicht
70 Jahre alt werden. Die hierbei zur Anwendung kommenden
rechnerifchen Verfuche fcheinen mir nicht ganz
einwandfrei zu fein. Allerdings fpricht viel dafür, dafs
Wulfila 341 zu Antiochien zum Bifchof geweiht worden
ift, was eben auf 311 als Geburtsjahr führen würde. Dafs
er als Chorbifchof geweiht wurde (Kauffmann LXV),
ift nur eine, wie mir fcheint nicht ausreichend begründete,
Vermuthung. Ich bemerke übrigens, dafs Kauffmann
die fog. Kirchweihfynode, auf der Wulfila geweiht worden
fein müfste, und die Herbftfynode, auf der die vierte
Formel vereinbart wurde (f. Loofs, Arianismus, in RE3
2, 26, 31 ff.), nicht ftreng auseinanderhält (vgl. S. LXV
Z. 18 ff. mit XLVI f.). Von Conftantius wiffen wir nur,
dafs er der erfteren Synode beiwohnte; Kauffmann behauptet
es (XLVII Z. 1) auch von der Herbftfynode.
Ich würde darauf kein Gewicht legen, hätte nicht K. ge-
fchrieben: ,Auch diefe fynode fand bekanntlich unter den
äugen des kaifers Conftantius ftatt'. Ift: denn nur diefes
.bekanntlich' aus unferer Sprache nicht zu verbannen?
Es ift entweder falfch, wie im vorliegenden Falle, oder
überflüffig, immer beleidigend für den Lefer, der doch
das nicht zu wiffen braucht, was der Autor, oft erft als
das Ergebnifs feiner eben abgefchloffenen Arbeiten, fo
anfpruchsvoll ift, als bekannt vorauszufetzen. Das Concil
von Aquileja fetzt Kauffmann mit Tillemont, Raufchen
u. A. gegen Rade(Herbft 380) und Loofs (Frühjahr
381) in den September 381, wie ich glaube mit

1) Es mag bei diefer Gelegenheit wieder darauf hingewiefen werden
, dafs in Cod. Paris, nicht testamentum, fondern transitum feeimus j
facio Ioftes) ad dominum (l. Joh. 3,14 vgl. Lud/. Calar. 174,81) fteht. |

j Recht; die Rechtfertigungsfchrift Maximins, den er mit
; dem gleichnamigen Arianerbifchof identificirt, der 428
mit Auguftin disputirte, in das zweite Semefter des Jahres
383. Den Einfpruch Raufchen's gegen die Datirung der
Abtretung von Moesia superior an Theodofius auf 379
.bedeutungslos' zu nennen (f. S. L), fcheint mir ange-
fichts der von R. beigebrachten, nicht unerheblichen
Gründe gewagt. Unrichtig heifst es auf S. LIV, dafs das
ältefte Zeugnifs für Cyprian's Schrift ad Demetriaimm
fich bei Hieronymus Jip. JO finde. Schon Laktanz citirt
(Div. Inst. 5, 4, 3) die Schrift. Die Berufung auf Har-
nack verfängt nicht, denn diefer meint in dem von
Kauffmann citirten Zufammenhange die Schrift Qiiod
idola dii non sunt. Sehr erfreulich ift, dafs K. die ab-
furde Schreibweife Arrius, Arrianer, Arrianismus aufgegeben
zu haben fcheint. Die Anmerkungen (S. 91—118)
find belehrend und durch reiche Hinweife auf andere
Quellenftellen ausgezeichnet. Das Verzeichnifs der Druckfehler
läfst fich vervollftändigen. Schade, dafs man felbft
in diefer monumental ausgeftatteten Publication dem fal-
fchen Origines (S.LIV, 19) begegnet. Der fcheint durchaus
nicht zur Ruhe kommen zu können. S. XX Z. 11 1. Meisen-
back; LVI, 5 episkopi; LVII, Note 1, Z. 5 Arrianontm.
Zu S. XLI, 26. 27 hat K. Druckfehler notirt, die ich nicht
habe finden können. An mehreren Stellen ift der Stil
nicht fo tadellos, wie man es bei einem Germaniften erwarten
follte. Einmal (S. LV, 21) ift fogar wie ftatt als
nach dem Comparativ, ein anderes Mal (Vorrede Z. 9)
als ftatt wie bei der Vergleichung gefetzt. Die Interpunktion
weicht mehrfach von dem ab, was ich we-
nigftens auf der Schule gelernt habe, und mindeftens an
zwei Stellen (XLVIII, 16 und LH, 8) ift fie pofitiv falfch.
Man begegnet freilich neuerdings auf diefem Gebiete
mancher Willkürlichkeit. Die Vorrede ,an Hermann Paul',
dem das Werk gewidmet ift, klingt gefpreizt und felbft-
bewufst. Zur Sache entnehmen wir ihr, dafs auf das
vorliegende Heft weitere .Texte' folgen werden, die eine
neue Ausgabe der gotifchen Bibelüberfetzung bringen.
Weiterhin ift eine kritifche Ausgabe des fog. Opus im-
perfectum in Matthaenm in Angriff und eine Neubearbeitung
Burkhards von Worms in Ausficht genommen.
In den .Unterfuchungen' gedenkt Kauffmann überTempel-
wefen und Orakelwefen zu handeln. Eine altgermanifche
Religionsgefchichte fchwebt ihm als letztes Ziel vor.

Giefsen. G. Krüger.

Joannes Philoponus de aeternitate mundi contra Proclum.

Edidit Hugo Rabe. Lipsiae, B. G. Teubner, 1899.
(XIII, 699 S. 8.) M. 10.—

Seit Ariftoteles ift das Problem der Ewigkeit oder
Entftehung der Welt und des Menfchengefchlechtes eine
vielverhandelte Streitfrage. Die philonifche Schrift über
die Unvergänglichkeit der Welt gewährt uns den Einblick
in eine reiche uns verlorene Literatur, die der meift
polemifchen Behandlung der Frage gewidmet war. Die
im erften Jahrhundert v. Chr. erneuerte philologifche
Befchäftigung mit den ariftotelifchen Schriften und die
exegetifche Arbeit der Platoniker und Neuplatoniker liefs
das Problem nicht in Vergeffenheit gerathen. Der vermeintliche
Gegenfatz, in dem der wörtlich verftandene
Plato zu feinem Schüler zu flehen fchien und der fich in
der Gefchichte der Schulen zum Theil fortpflanzte, die
Schwierigkeit durch die mythifche Schale in den Kern
der platonifchen Weltanficht einzudringen, die damit gegebene
verfchiedene Auffaffung der platonifchen Ausflogen
(f. Zeller II 1. S. 792 III 1. S. 808. 810), die den
Streit auch in die platonifchen Kreife trug, hielt das In-
tereffe an der Frage lebendig. Nachdem endlich der
Neuplatonismus die Anficht der Weltewigkeit als die
auch platonifche zu der allgemein philofophifchen erhoben
, andererfeits die Kirche gegenüber früherer Naivetät