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Ausgabe:

1900

Spalte:

353-356

Autor/Hrsg.:

Möller, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Historisch-kritische Bedenken gegen die Graf-Wellhausensche Hypothese von einem früheren Anhänger 1900

Rezensent:

Volz, Paul

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Theologische Literaturzeitung.

Herauso-eo-eben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Göttingen.

Erfcheint

Preis

alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 18 Mark.

NO. 12, 9. Juni 1900. 25. Jahrgang.

Möller, Hiftorifch-kritifche Bedenken gegen

die Graf-Wellhaufen'fche Hypothefe (Volz).
Wildeboer, Jahvedienfl und Volksreligion in

ihrem gegenfeitigen Verhältnis (Kraetzfchmar).
Kurzer Handkommentar zum A. T. XVI. Abth.

Das Buch Hiob, erklärt von Duhm (Baentfch).
Duhm, Das Buch Hiob überfetzt (Derf.)
Kayfer, Hiob in dramatifcher Form (Derf.).
Eu ring er, Die Auffaffung des Hohenliedes bei

den Abeffiniern (Riedel).

Büchler, Die Tobiaden und die Oniaden im
II. Makkabäerbuche (Schürer).

Thielmann, Bericht über das gefammelte
handfchriftliche Material zu einer kritifchen
Ausgabe der lateinifchen Ueberfetzungen bib-
lifcher Bücher des A. T. (Schürer).

Gibson, An arabic Version of the Acts of the
Apostles and the seven Catholic Epistles
[Studia Sinaitica VII] (Ryffel).

Scriptores sacri et profani fasc. III: Die foge-
nannte Kirchengefchichte des Zacharias
Rhetor, in deutfcher Ueberfetzung herausgegeben
von Ahrens und Krüger (Ryflel).

Steude, Der Beweis für die Wahrheit des
Chriflenthums (Kaftan).

James, Der Wille zum Glauben (Kaftan).

Koch, Der ordo salutis in der alt-lutherifchen
Dogmatik (E. W. Mayer).

Wagner, Die fittlichen Grundkräfte (E. W.
Mayer).

Möller, Cand. min. Wilhelm, Historisch-kritische Bedenken wurde (S. 32), andererfeits handeln Hiskia 2 R i84_6 und

gegen die Graf-Wellhausensche Hypothese von einem frü
heren Anhänger. Den Studierenden der Theologie
gewidmet. Mit einem Begleitwort verfehen von Prof.
D. C. von Orelli aus Bafel. Gütersloh, C. Bertelsmann
, 1899. (XII, 126 S. gr. 8.) M. 2.—; geb. M. 2.50

Möller will die Studenten ermahnen, fich von der
Graf-Wellhaufen'fchen Hypothefe nicht blindlings führen
zu laffen, fondern ihre grofsen Schwierigkeiten zu
beachten. Er (teilt zu dem Zwecke die in den letzten
Jahrzehnten erhobenen Einwände hübfch zufammen und
fchreibt gut. Er wird daher manchen jungen Mann von
der Wahrheit feiner Sache überzeugen. Damit i(t ja feine
Abficht erreicht. Wenn es nur nicht dann fo geht, dafs
die Studenten, ftatt in ihrer Bibel zu ftudiren, den Möller
lefen und meinen, nun fei der Drache Wellhaufen end-
giltig totgefchlagen.

Indefs ift die Kampfesweife Möller's weder gefchickt
noch gerecht. Es hat keinen Werth, alle die Vorwürfe
gegen die moderne Hypothefe, die Möller vorträgt, wieder
einmal im Einzelnen zu widerlegen. Viele erledigen
fich damit, dafs weder Dt noch P eine Gefetzgebung
find, fondern ein gefchichtlicher Aufrifs bezw. eine Sammlung
von Gefetzen in gefchichtlichem Rahmen. Dt wie
P verfetzen fich in die Wüftenzeit, und Möller's Schriftchen
ift ein neuer Beweis dafür, wie gut ihnen das gelungen
ift. Auch P hat diefes gefchichtliche Kleid und
ift nicht ein für einen beftimmten Zeitpunkt verfafstes
Gefetz, fondern eine Sammlung der im Volk umlaufenden
Riten, die fich im Laufe der Jahrhunderte gebildet hatten
und die jetzt ihre abfchliefsende Geftalt erhielten. Esra
brachte dann der nachexilifchen Gemeinde die ganze Tora,
die das Staatsbuch der neuen Gemeinde werden follte.
Es ftand wohl nicht viel wefentlichNeues darin; das Neue
war, dafs das Gefetz in priefterlichem Geifte gefammelt
war und jetzt Gemeindebuch wurde. Verlefen wurde wohl
nicht der Pentateuch, nicht P, fondern nur einige für den
Augenblick wichtige Gefetze, aber die ganze Tora wurde
zum Grundbuche der Gemeinde erhoben. — Möller studirt
nur die Bücher über das A. T., nicht das A. T. felbft,
fonft würde er nicht fagen, der Hauptinhalt des Dt
ftimme nicht mit dem in 2 R22f. Erzählten. Eine einfache
Stellenfammlung zeigt, dafs im Dt nicht die
Cultusconcentration das Vorwiegende ift, fondern wie im
Königsbuch die Befeitigung des Götzendienftes und des
kananäifchen Wefens. Hier ftofsen wir auch auf einen
feltfamen Widerfpruch bei Möller: einerfeits ift das Dt
ganz unbekannt, als es unter Jofia wieder aufgefunden

353 354

Amasja 2 R 14,, ausdrücklich nach dem Dt (S. 26. 24)
Indefs folche Einzelheiten find nicht fo wichtig. Es
ift gänzlich verfehlt, die moderne Hypothefe an einzelnen
Punkten anzupacken. Schwierigkeiten im Einzelnen hat.
die alte fo gut wie die neue. Aber dafs der Geilt eines
Volkes im Laufe der Jahrhunderte lieh wandelt, dafs fich
das in feinen Riten und Gefetzesbräuchen ausfpricht und
dafs die moderne Hypothefe dafür ein Verftändnifs hatte,
davon will Möller nichts wiffen. Man lefe S. 106 nach,
was Möller unter gefchichtlicher Entwickelung verlieht:
dafs die hiftorifche Beziehung nicht auf einmal allen Feften
beigelegt wurde, fondern diefer Procefs allmählig fich vollzog
, zuerft im Dt fchüchtern begonnen, im P fortgeführt
, im fpäteren Judenthum vollendet wurde, das
erinnert Möller lebhaft an den Hund, dem fein Herr aus
Barmherzigkeit den Schwanz nicht auf einmal, fondern
ftückweife abfehnitt. Er hat keinen Sinn dafür, dafs ein
Priefterftand fich allmählig entwickelt, dafs fich mehr und
mehr ein Kaftengeift ausbildet einerfeits der Priefter gegen
die Leviten, fo, dafs die von Anfang vorhandenen Unter-
fchiede in den Functionen ein ganz anderes Geficht bekommen
, andererfeits aller Leviten gegen die Laien, fo,
dafs der Name Leviten immer noch ein Ehrenname bleiben
kann. Es giebt für Möller keinen Unterfchied, ob Arnos
gegen die Opfer proteftirt oder Maleachi; weil das Buch
Maleachi beides zugleich enthält, Proteft gegen die Opfer
und Forderung der Opfer, mufs auch bei Arnos beides
denkbar fein. Man hat überall den Eindruck, Möller fehe
vor lauter Bäumen den Wald nicht; er verliert fich in die
Betrachtung der einzelnen Stücke und merkt darum nicht,
dafs er mit dem Eintritt in P in eine ganz andere Luft
und Höhenlage gerathen ift. Ueberhaupt ift Möller ein
claffifcher Zeuge dafür, wie die ältere Theologie in
der Religion nichts Anderes fieht, als einen gefchriebenen
Buchftaben. Offenbarung des Buchftabens kennt er wohl,
Offenbarung des Lebens nicht. Weil die Bibel fagt: Mofe
hat das Deut, gefchrieben, deswegen nagelt er fich darauf
feft, und nun ift Jeder ein Frevler, der das nicht glaubt.
Er kann unter einem Gefetzgeber nur einen Gefetzes-
herausgeber verftehen, und es ift ihm ganz undenkbar,
dafs man fpäter Gefetze auf Mofe zurückgeführt hätte,
wenn er keine gefchriebenen hinterlaffen hätte. Wenn
der Herausgeber der deut. Sammlung in der Erkenntnifs,
dafs fich in feinem Codex alte Stücke finden, diefe Gefetze
nicht unter feinem Namen laufen läfst, fondern auf
den Gefetzgeber xar £govr)j> zurückführt, fo begeht er
nach Möller eine fraus. Die Entwickelung des Volkes und
feiner Religion vollzieht fich bei Möller in den Büchern,
nicht im Leben. Er will die Pentateuchkritik mit fol-