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Ausgabe:

1900

Spalte:

348-349

Autor/Hrsg.:

Tombach, A.H.

Titel/Untertitel:

Neue Beiträge zur Fundamental-Philosophie. In drei Büchern. II. Untersuchungen über das Wesen des Guten 1900

Rezensent:

Ritschl, Otto

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347 Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. ir. 348

Verzicht geleiftet. So ftört die Theilnahme an jener
Sitzung keineswegs die Annahme einer allmählich vollzogenen
Hinwendung zu den evangelifchen Wahrheiten,
wie dies ja auch an einer der wenigen Stellen, wo Calvin
(ich über feine innere Entwickelung äufsert — nämlich
in dem Briefe gegen Sadolet — nahe gelegt wird.

Die Abhandlung Lang's zeichnet fich durch energi-
fches Anfaffen der Aufgabe und anregende Darftellung
aus. Ref. bedauert, in Folge eines Mifsverftändnifses die
Anzeige der Schrift bis jetzt verzögert zu haben.

Königsberg. Benrath.

Choisy, Past. Eugene, La Theocratie ä Geneve au temps de
Calvin. Geneve, Ch. Eggimann & Cie., 1898. (288 S.
gr. 8.)

Der Verf. will die Dinge, wie fie lieh in Genf zwifchen
1536 und 1564 abgefpielt haben, nicht mit neuem Material
darfteilen, fondern auf Grund des vorhandenen
verftehen. Er meint, die Arbeiten von Roget, Kamp-
fchulte, Gautier und die umfaffenden quellenmäfsigen Auf-
fchlüffe der letzten Jahrzehnte reichen dazu hin, folchen
Verfuch zu machen. Und fo zeichnet er in fcharfen
Conturen die Entwickelung, mit Einzelunterfuchungen
fich nicht beladend, um ein allgemeines Urtheil zu gewinnen
und zu begründen. Das lautet fo: Die Frage,
ob Calvin in Genf eine Theokratie aufgerichtet habe,
id in dem allgemeinen Sinne — wenn man darunter ein
religiös bedimmtes Staatswefen befafst — zu bejahen;
aber fie id zu verneinen, wenn Theokratie foviel fein
foll wie Unterordnung des Civilen unter das Kirchliche.
Denn, fo argumentirt der Verf., Calvin und feine Gefinnungs-
genoffen in Genf fehen diefe beiden als Factoren an, die
neben einander dehend bedimmte Aufgaben zu erfüllen
haben, als Factoren der Gefellfchaft, von denen nicht
einer dem änderen untergeordnet id. Für beider Vorgehen
id diefelbe Wahrheitsquelle gegeben: die h. Schrift
— fo werde man fagen müffen, dafs Calvin's Schöpfung
in Genf nicht Theokratie (Hierokratie), fondern Bi-
bliokratie gewefen fei (S. 277). Wenn diefe fich der
päpdlichen Theokratie als ein ebenfo gefchloffenes Sydem
zur Seite dellen wolle, fo fei fie allerdings gezwungen,
eine infallible Auslegungsindanz zu proklamiren — die
habe Genf fchliefslich in der Jnstitutio' anerkannt.

Wenn der Verf., um diefen Schlufsring in feine
übrigens ganz indruetive Darlegung einzufügen, in dem
Befchluffe des Rathes vom 9. Nov. 1552 (vgl. S. 125)
,ledit tivre d" Institution estre bien et sainetement fait et sa
doctrine estre sainete doctrine de Dieu1 . . . eine Infalli-
bilitätserklärung für das Meiderwerk Calvin's finden will,
fo geht er damit offenbar über die Tragweite des Be-
fchlufses hinaus und beachtet nicht, dafs das ,saincte' und
^sainetement fait doch nur allgemeine Bedeutung haben
und gerade unter den damaligen Umdänden (vgl. S. 122 ff.)
eine öffentliche Abwehr böswilliger und längft erledigter
Befchuldigungen geben follte. Die Deduction Choify's
wird nach unferer Anficht weder das allgemeine Urtheil,
dafs thatfächlich in Genf ein theokratifches Regiment
eingeführt worden fei, noch den Sprachgebrach ändern,
zumal da die ,Bibliokratie' fich doch — wo es fich nicht
um römifch-katholifche Verhältnifse handelt — in die
,Theokratie' einfügt. Aber fie wird die fundamentale
Bedeutung der Infpirationstheorie für den reformirten
Protedantismus befonders fcharf ins Licht dellen.
Königsberg. Benrath.

Reinhold, Prof. Dr. Georg, Die Streitfrage über die physische
oder moralische Wirksamkeit der Sakramente nach j
ihrer hidorifchen Entwicklung kritifch dargedellt. j
Stuttgart, J. Roth, 1899. (III, 148 S. gr. 8.) M. 3.20 i

Der erde Abfchnitt handelt von der gefchichtlichen ;
Entwickelung des Sacramentsbegriffs und bringt manche |

beachtenswerthe Notizen, für die auch protedantifche
Theologen im Intereffe der Confeffionskunde dem Verf.
dankbar fein werden. Auch der zweite Abfchnitt über
die verfchiedenen Arten, die Wirkfamkeit der Sacra-
mente zu erklären, bietet intereffante Mittheilungen aus
den Werken der Scholadiker und verfchiedener fpäterer
katholifcher Theologen bis herab zur Gegenwart. Ehe
I der Verf. auf die ihm wichtige Streitfrage felbd eingeht,
befpricht er die von Bonaventura als satis probabilis bezeichnete
, von Durandus a. S. Porciano, Richard v.
Middleton, Occam, d'Ailly, Biel vertheidigte und nach
feiner Meinung auch von Duns Scotus vertretene Auf-
faffung, wonach die Sacramente nicht Gnadenmittel, fondern
nur Unterpfänder oder unerläfsliche Vorausfetzungen
der Gnadenverleihung feien, fo dafs die Gnade ,nicht
durch die Sacramente, fondern gelegentlich derfelben'
hervorgebracht würde, und die göttliche Kraft ihnen
I ,rein äufserlich zur Seite' ftände. Diefe Anficht, fagt
der Verf., ,war nicht mehr haltbar, feitdem das Triden-
■ tinum die Sacramente als causae gratiae bezeichnet
j hatte, und fie findet fich deshalb nur in der vortriden-
I tinifchen Zeit'. An der Spitze einer zweiten Gruppe von
| Theologen, welche die Sacramente ,als werkzeugliche
Urfachen unmittelbar zur Hervorbringung der Gnade
mitwirken laffen, alfo ihnen eine phyfifche Caufalität bei-
i legen', fleht Thomas von Aquino, der diefe Anficht in
| feiner Summa theol. vertritt und damit ftillfchweigend
die nach dem Vorgang des Albertus Magnus früher auch
von ihm vorgetragene Theorie preisgiebt, dafs die Sacramente
zwar für andersartige Wirkungen in der Seele
eine causalitas efficiens, ,hinfichtlich der Gnade aber nur
einen disponirenden Einflufs' befitzen. Aufser Thomas
I werden Cajetan, Dominicus a Soto und Suarez als Ver-
. treter der Hypothefe von der phyfifchen Caufalität der
[ Sacramente vorgeführt. Endlich behaupten mit immer
genauerer Determinirung eine nur moralifche Caufalität,
wie fie zuerft von Melchior Canus genannt worden ift,
I eine anfehnliche Reihe von Theologen, unter denen fich
j namentlich auch einigejefuiten befinden. Unter der mora-
; lifchen im Unterfchiede von der phyfifchen Caufalität
i wird eine folche Wirkungsweife verftanden, durch welche
[ Gott, insbefondere per modum impetrationis [impetrare —
erbitten), bewogen wird, die Gnade zu fpenden. Nun
fchliefsen weder das Tridentinum, das wie das Florenti-
j num mit dem Satze: die Sacramente des Neuen Bundes
continent gratiam et . ... conferunt, vielmehr nur den re-
; formatorifchen Sacramentsbegriff [ex opere operantis) zu
Gunften des ex opere operato zurückweifen wollte, noch
der Römifche Katechismus die Annahme einer nur mora-
lifchen Caufalität der Sacramente aus. Auf deren Boden
1 Hellt fich denn auch der Verf., indem er im Anfchlufs an
Scheeben (Dogmatik III, 236 ff.) den menfchlicb.cn Spender
nur als ftellvertretendes Organ Chrifli und Chriftus felbft
J als den eigentlichen Spender des Sacramentes fafst,welches
fo ,nicht blofs die Bedeutung einer Bedingung' hat, fondern
,als Handlung Chrifli felbft die autoritative reale
Zuwendung der Gnade' ift. In einem Anhange zeigt der
Verf. endlich, dafs die Verfuche, Thomas v. Aquino als
Gewährsmann für die moralifche Caufalität zu reclamiren,
unbegründet find, meint aber doch ,salva debita reverentia
I einer Anfchauung beipflichten' zu ,dürfen, die er nicht
theilte'.

Bonn. O. Ritfchl.

Tombach, Pf. Rect. A. H., Neue Beiträge zur Fundamental
- Philofophie. In drei Büchern. IL Untersuchungen
über das Wesen des Guten. Mit einer Tafel
Bonn, P. Hanftein, 1899. (105 S. gr. 8.) M. 1.50.

In bilderreicher, auch gelegentlich durch Anekdoten
gewürzter Ausführung gelangt der Verf. zu dem .hochwichtigen
' Refultat: ,der Grundcharakter des Guten be-