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Ausgabe:

1900 Nr. 11

Spalte:

343-345

Autor/Hrsg.:

Paetzold, Alfred

Titel/Untertitel:

Die Konfutation des Vierstädtebekenntnisses 1900

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. II.

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war das ,und' im Text zu laffen. — Der S. 481 Z. 6 genannte
Graf Philipp ift wohl Solms. — Die S. 495 Z. 31 ff.
erwähnte Klage Absberg's wird wohl während des Kur-
fürften Anwefenheit in Nürnberg eingetroffen fein. —
S. 512 Z. 4 v. u. ift zu lefen: All ander lerer (= leerer)
disputacion und calumpnien. — S. 555 Z. 21 f. ift der von
der weifsen Rofe der englifche Kronprätendent Richard
de la Pole, Herzog von Suffolk (vergl. RTA. I, 55). —
S. 556 Z. 4 bezieht fich auf ein Horofkop, das die Car-
dinäle fich für den Eintritt ins Conclave ftellen liefsen.
— S. 610 Z. 15 u. f. w. ift wohl B[äbftliche| aufzulöfen. —
S. 629 Z. 25h ift der Proteft der Infantin Katharina gegen
die Verlobung mit Johann Friedrich (RTA. II, 833,
Anm. 3) gemeint. Liefe Aufzählung, die hauptfächlich
die Erklärung einiger V. unverftändlich gebliebener Stellen
verfucht, mag die Befprechung diefer wichtigen Publi-
cation befchliefsen. Sie wird neben dem nächften Band
der RTA. die Grundlage der Gefchichte des Reichsregiments
bleiben.

Strafsburg i./E. J. Bernays.

Paetzold, Alfred, Die Konfutation des Vierstädtebekenntnisses
. Ihre Entftchung und ihr Original. Leipzig,
J. A. Barth, 1900. (LXXXV, 115 S. gr. 8.) M. 10.—

Die Arbeit Pätzold's über die Confutation des Vier-
ftädtebekenntnifses fchliefst fich eng an das treffliche
Buch über die Confutation des Augsburgifchen Be-
kenntnifses von Joh. Ficker (Leipzig 1892) an, dem Pätzold
feine Schrift gewidmet hat. Ficker war es gelungen, das
handfehriftliche Material für beide Confutationen in über-
rafchendem Umfange aufzufinden und die Confutation
der Angiistana von ihrem erften Entwurf durch alle
Wechfelfälle und Umarbeitungen auf Grund der Hand-
fchriften genau zu verfolgen. Er hat aber auch Pätzold
die Anregung zur Bearbeitung der Confutation der Te-
trapolitana gegeben und ihm zu diefem Zwecke die
Ergebnifse feiner archivalifchen Forfchungen uneinge-
fchränkt überlaffen. Mit Recht hat Pätzold für feine
ganze Arbeit wie für die Anlage feines Buches Ficker
zum Vorbild genommen. Man darf wohl fagen, die
beiden Staatsfchriften haben nun eine fo gründliche Darfteilung
ihrer Genefis gefunden, wie fie für die Augustana,
deren Redaction doch auch manche Aenderung erfuhr,
einfach nicht möglich ift, weil wir keine derartigen hand-
fchriftlichen Aufzeichnungen darüber haben, wie für die
beiden Confutationen.

Pätzold giebt erff fehr reichhaltige, mit grofser Hingabe
und eindringendem Scharflinn bearbeitete Prole-
gomena (XI—LXVI1I) und in einem Anhang eine Cha-
rakteriftik der Handfchriften und zwar von der erften,
wie von der zweiten Redaction und der deutfehen Ueber-
fetzung. (LXVIII—LXXX1I), fodann S. 1-68 den Text
der deutfehen, S. 69—114 der lateinifchen Confutation
mit textkritifchem Apparat wie mit knappen Erläuterungen,
meift Quellennachweifen. Hier wäre wohl hier und da
eine Anmerkung erwünfeht gewefen. Z. B. S. 39 Z. 23
hätte eine Ortsbeftimmung von Wollmerftett vielleicht
einen Fingerzeig gegeben, um den Urheber des ganzen
Abfchnittes über Widukind's Geficht feftzuftellen. Ift
Wolmirfcedt an der Elbe gemeint (Jahrbücher des frän-
kifchen Reichs unter Karl d. Gr. I,2 502,3), dann wird
man annehmen dürfen, dafs der Abfchnitt von dem Propft
VVolfgang Redorfer von Stendal flammt, den die Berufung
Ecks auf Wunder in Baiern reizen mochte, eine
Parallele aus Niederfachfen und zwar aus der Nähe von
Stendal beizubringen. Ebenfo dankenswerth wäre S. 62
Z. 12 der Nachweis gewefen, dafs jetzt die Bedeutung
des Hungertuches völlig aufgehellt ift, was Ficker, Braun-
fchvveiger L. A. 3, 396 Anm., vergl. 7, 201, noch nicht
gelungen war. Auch, was Enders in feinem überaus
reichen Commentar zu Luthers Bedenken Brfw. 7, 263
Anm. 10 bietet, wird jetzt ergänzt: Das Hungertuch ift

nicht nur ein Sinnbild der Trauer und der Bufse in der

! Faftenzeit, fondern eine auf Leinwand gemalte Paffions-
gefchichte, die zum Beginn der Faftenzeit in der Kirche
aufgehängt wurde.

Durch Pätzold's Forfchung ift nun feftgeflellt, dafs
die am 25. üctober 1530 verlefene deutfehe Confutation
der Tetrapolitana, wie der lateinifche Text derfelben

j nun zum erften Male veröffentlicht werden, während
J. G. Müller 1808 aus der Zeitzer Stiftsbibliothek nur
den erften Entwurf Ecks veröffentlichte, den diefer

! unter Benützung feines Enchiridions und feiner druckfertigen
Repulsio articulonim Zwingin ausarbeitete, wobei
er fich erlaubte, ftatt des in der Tetrapolitana be-

I fonders vorfichtig abgefafsten XVIII. Art. vom Abendmahl
den Artikel aus Zwingli's Fidei ratio unterzulegen
und zu bekämpfen. Das Werk konnte, fo wie es war,
feinen Zweck nicht erfüllen, da der Kaifer bei der Prüfung
der Confutation der Augnstana durch Granvella und
Valdes betont hatte, dafs mit aller Milde ohne verletzende
Worte vorgegangen werden folle. Pätzold zeigt nun,
wie erft Fabri in diefem Sinne Aenderungen vornahm
und dann unter feinem Vorfitz Cochleus, Matthias Kretz
und ein noch unbekannter Theologe mit originalen Gedanken
das Werk Ecks bearbeiteten, wie immer wieder

i gebeffert, hinzugefetzt und geftrichen wurde, wie die

j deutfehe Ueberfetzung neuen Anlafs gab zu einer Re-
vifion und dann der lateinifche Text wieder dem deutfehen
conform gemacht werden mufste, ohne dafs fchliefslich
diefes Ziel erreicht wurde, obwohl bis zur Verlefung
am 25. Oct. Zeit genug gewefen wäre. Endlich follte
der Text noch einmal für den Druck durch eine neue
Kommiffion revidirt werden, aber nur Fabri nahm noch
eine ftiliftifche Glättung des Textes vor; dann ftand die
Arbeit füll. Die Drucklegung unterblieb ebenfo wie
bei der Confutation der Augnstana.

Mit grofser Sorgfalt hat Pätzold die ganze Redac-
tionsarbeit verfolgt und alle Aenderungen verzeichnet
und charakterifirt, fo dafs man die mancherlei Einflüffe,
welche fich bei der Arbeit geltend machten, würdigen
lernt. Es ift überaus intereffant, wie viel Gewicht die
Vertheidiger des alten Glaubens jetzt auf den Schriftbeweis
legen, aber alle die Operationen für diefen
Zweck beweifen, wie mühfelig ihnen die Arbeit ift; und
was fchliefslich nach allen Umänderungen davon end-
giltig flehen blieb, giebt keinen fchlagenden Beweis.

1 Sehr anfehnlich ift der Apparat, der aus den Kirchenvätern
beigefchafft wird, aber man merkt auch das geheime
Bangen vor der hiftorifchen Kritik, welche mit
der kirchlichen Legende unbarmherzig ins Gericht geht,
weshalb man einzelne folcher Stücke lieber wieder ftrich,
wie die Legende von Ambrofius, der im Geifte dem
Leichcnbegängnifs Martins von Tours anwohnte S. 46,
von der Erfcheinung Jefu an der Via Appia S. 45, von
Widukind S. 38 u. f. w. Wer die ganze Confutation mit
all der Arbeit, welche fie gekoftet, recht betrachtet, kann
dem Eifer, dem Fleifs, der Gelehrfamkeit und dem Scharf-
finn der Gelehrten feine Anerkennung nicht vertagen.
Wie fein ift der Schachzug des unbekannten Gelehrten,
der den Städten ihr beftändiges Pochen auf das Schrift-
prineip vorhält, während fie in ihrer Sacramentlehre, wie
er meint, dem Worte Gottes die Kraft nehmen wollen!
(S. XXV.) Aber die ganze Confutation war doch wie
die der Augustana, ein Schlag ins Waffer. Denn ihre
Beweisführung konnte nur auf Gläubige der alten Kirche,
aber keineswegs auf Evangelifche einen Eindruck machen.
Noch fchlimmer war es, dafs die Confutation gegen

j die Städte Anklagen erhoben, welche deren Vertreter
alsbald als unwahr zurückweifen konnten. Für die Sache
des alten Glaubens war es ein fchwerer Nachtheil, dafs
Eck fich für die unerhörte Anklage, an etlichen Orten
habe man das hochwürdige Sacrament ausgefchüttet,
verbrannt, mit Füfsen getreten, an die Wand geheftet
und dazu (darnach) gefchoffen, nur auf unkontrolirbare