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Ausgabe:

1900 Nr. 1

Spalte:

16-18

Titel/Untertitel:

Texte und Untersuchungen zur altgermanischen Religionsgeschichte. Erster Band: Aus der Schule der Wulfila 1900

Rezensent:

Krüger, Gustav

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15 Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 1. 16

(irreal.) u. f. w., u. f. w. Ich zähle allein in den Citaten
aus Irenaus 50, fage fünfzig Fehler auf 5 Seiten. Das
fetzt fich fo fort; Hippolyt werden fogleich wieder die
Formen alygagjai (zweimal) und öur.vvvai (vgl. ^Evyvvvai)
zugefchrieben u. f. w. Inhaltlich ift das über die apoftol.
Väter und über die Apologeten Gefagte fehr dürftig.
War in der kurzen ,Skizze', wie N. mit Recht fein Buch
nennt, nur wenig Raum zur Verfügung, fo hätte dies
Wenige doch nicht noch auf breite, unnöthige Ausführungen
über den Logos verwendet werden dürfen (vgl.
bef. S. 8—10 oben). Fehler enthält der Abfchnitt gleichfalls
genug, abgefehen von der unzulänglichen Betrachtung
, als habe diefe Zeit Pflicht und Wunfeh gehabt, die
,Bibellehre', zumal des ,N. T's.', blofs zu tradiren. Falfch
ift die Bemerkung, dafs Juftin nach Ap. I 62 den Geift
als den vornehmften Engel bezeichne, das wäre aus
uXXcov höchftens für den, in N's. Citat der Stelle allerdings
fehlenden, Sohn zu fchliefsen, unrichtig auch die
Bemerkung über den Grund der Erwähnung des Geiftes
nach den Engeln, S. 12 und IL Nach N. foll Tatian den
Gottesgeift ,geradezu nur als unperfönliche, die Welt
durchfluthende Lebenskraft' kennen, während niemand
dies jcvEvpa vZixöv vom Gottesgeift ftärker unterfcheidet
als Tatian. Und ferner, wenn N. nirgends eine Verwendung
des Geiftes in der Soteriologie bemerken kann, fo
überfleht er ganz die weitverbreiteten Gedanken vom
Siegel, die Verbindung von Geift und Taufe und auch
einzelne Sätze Tatians. Doch genug. Sind die anderen
Theile ähnlich gearbeitet — dürftig und durch Druckfehler
entftellt find fie gewifs —, fo ift es, wie N. ahnt,
S. V., allerdings ,leicht', feiner Zeichnung Mangelhaftigkeiten
' und ,Verfehlungen' nachzuweifen. Wenn man das
fo gut im Voraus ahnt, follte man fie dann nicht vermeiden
müffen? Soll man ein Buch hinausgeben, wenn
es ein fo unvollkommenes Gewand hat? Wäre nicht die
gründliche Bearbeitung eines einzelnen Abfchnittes werth- I
voller gewefen, als diefes Durchhaften der chriftlichen
Theologie von Clemens Romanus bis auf Julius Kaftan
auf 370 Seiten? Wer hat den Muth, dem allgemeinen
Urtheil N's. zu trauen bei folcher Fehlerhaftigkeit im
Einzelnen? Dankenswerth ift, dafs N. an den Männern
nicht vorübergegangen ift, von denen man über den
Geift meiftens mehr lernen kann, als von den Dogmatikern
ihrer Zeit, an den Frommen und Erbauungsfchrift-
(tellern, dafs er neben Gerhard auch einen Arndt und
Heinrich Müller nicht vergifst. Er hätte die Erkenntnifs,
die er manchmal im Vorübergehen ausfpricht, zur Grundlage
feiner Arbeit machen follen: die Erkenntnifs, dafs
die Erfahrung des Geiftesmenfehen erft die belfere Einficht
des Dogmatikers — auch wenn beide ein Subjekt
find — ermöglicht. Eine Gefchichte der Lehre vom
Geilte wird uns weniger lehren als eine Gefchichte des
heiligen Geiftes felbft, wie er erlebt wird und fich kund
thut, d. h. eine Gefchichte der Geifteswirkungen. Und
hätte N. aus der eigenthümlichen ,Unklarheit' aller Theologen
(aufser Luther, nach feiner Anficht) über den Geift
nichts Befferes lernen können, als harte Verdicte fällen,
felbft über Frank und Philippi? Mufs diefer Umftand
nicht darauf aufmerkfam machen, dafs es der chriftlichen
Theologie aller Zeiten eine unüberwindliche Schwierigkeit
war, dafs man in ihr nach der Tradition von einem
,Geilte Gottes' zu fprechen pflegte, obwohl der Satz
,Gott ift Geilt' von ihrem Anbeginn an allgemein anerkannt
wurde? Von einem Geift Gottes im vollen Sinne
des Wortes hat man in jener fernen Zeit gefprochen, als
man auch noch von dem Körper Gottes Ausfagen machte
und fich erzählte, Gott habe die Thüre der Arche
zugemacht und fei im Paradies umhergegangen. Seit
fich die Erkenntnifs Bahn gebrochen hatte: ,Gott ift
Geift', war alle chriftliche Speculation über den Geift in
feinem Verhältnifs zu Gott nur ein Ringen mit dem uralten
Worte, das man, um es der Tradition zu retten,
fortwährend umdeuten mufste. Diefer Procefs dauert

auch heute noch in der Theologie an, weil es ftets Er-
lebnifse gegeben hat und geben wird, die auf jene ,Kraft'
zurückweifen, die man nun fchon Jahrtaufende Geift Gottes
nennt.

Berlin. H. Weinel.

Texte und Untersuchungen zur altgermanischen Religionsgeschichte
, herausgegeben von Profeffor Dr. Friedrich
Kauffmann. Texte. Erfter Band: Aus der Schule
der Wulfila. Avxenti Dorostorensis epistula de fide
vita et obitv Wulfilae im Zufammenhang der Disser-
tatio Maximini contra Ambrosivm herausgegeben von
Friedrich Kauffmann. Mit einer Schrifttafel in Heliogravüre
. Strafsburg 1899, K. J. Trübner. (LXV,
135 S. 4.) M. 16. -

Das von Profeffor Friedrich Kauffmann in Kiel
geleitete neue Unternehmen erfreut fchon durch fein
blofses Dafein. Wer, wie der Referent, auf dem Gebiete
der altgermanifchen Religionsgefchichte eigene Quellen-
ftudien zu machen nicht in der Lage ift, hat fchon häufig
Klage darüber führen müffen, wie geringes Entgegenkommen
die hier Sachverftändigen ihren weniger gut
fituirten Mitarbeitern zeigen. Für die Aufhellung der
Anfänge des Chriftenthums bei den Germanen, bei den
Goten zumal, ift in neuerer Zeit herzlich wenig geflohenen
. Darum begrüfsen wir Kauffmann's Unternehmen
, das fich einerfeits die Erforfchung der Religion
des germanifchen Heidenthums, andrerfeits des volkstümlichen
Chriftenthums des frühen Mittelalters der germanifchen
Stämme zum Ziel gefetzt hat, mit grofser Freude.

Ganz befonders aber diefen erften Band. SeitWaitz
im Jahre 1840 in feiner Schrift: ,Über das Leben und
die Lehre des Ulfila' Bruchftücke aus den in einer Pa-
rifer Handfchrift erhaltenen Aufzeichnungen des Auxen-
tius von Doroftorum veröffentlichte und feit Bef feil 1860
in feinem .Leben des Ulfilas' einen Gefammtüberblick
über den Inhalt des Codex gab, ift, abgefehen von pho-
tographifcher Reproduction einer Seite der Handfchrift
durch Wattenbach (Exempla codicum latuiorum, Heid.
1876, Tab. XXII), nichts für die Herausgabe der wichtigen
Quellenfchrift gefchehen. Das Unternehmen war allerdings
mit eigenthümlichen Schwierigkeiten verknüpft.
Eine Anzahl von Blättern des im 5. (nicht 4.) Jahrhundert
in Uncialfchrift angefertigten Cod. lat. 8907 (nicht 5809)
der Parifer Nationalbibliothek ift von einer Hand, höchft-
wahrfcheinlich des 6. Jahrhunderts, auf den frei gebliebenen
Rändern mit einem neuen Eintrag verfehen
worden. Es find die Blätter, welche das erfte Buch de
fide des Ambrofius und desfelben Verfaffers Bericht über
die Synode von Aquileja 381 (Gesta Aquilejä) enthalten.
Der Eintrag enthält die dissertatio Maximini contra Am-
brosium — fo hat fie Kauffmann fachlich ohne Zweifel
mit Recht getauft —, in deren Zufammenhange fich eben
die berühmte epistula de fide vita et obitu Wulfilae —
Titel von Kauffmann — des Auxentius findet. ,So
vortrefflich die uncialfchrift des cod. erhalten ift, die auf
den rändern flehende halbunciale hat ftark gelitten. Sie
ift mit galläpfeltinctur und hernach von Waitz mit aci~
dum muriaticum bearbeitet worden; zuvor hatte derbuch-
binder die ränder befchnitten und dadurch ganze oder
halbe oder bruchteile von zeilen vernichtet. Erfolgreich
hat der zahn der zeit das zerftörungswerk befördert, vielfach
ift das pergament brüchig geworden (,) und manches
blatt ift an den rändern zerfetzt' (Kauffmann XX). In
der That keine angenehme Aufgabe für den modernen
Kopiften. So wagt denn auch K. nur zu hoffen, dafs
feine Abfchrift nicht mangelhafter befunden werde als
die Verfuche der früheren, und giebt fpäteren Verfuchen
anheim, das von ihm Verlefene zu verbeffern oder die
von ihm gelaffenen Lücken mit glücklicherem Auge zu